Neapolitanische SpracheDie neapolitanische Sprache (Napulitano [Italienisch) ist eine romanische Sprache, wie sie in der Stadt Neapel gesprochen wird. Das Neapolitanische ist die Mutter der kampanischen Dialekte, die sich von Stadt zu Stadt unterscheiden. Es bestehen viele Ähnlichkeiten zu den Dialekten der umgebenden Regionen Mittel- und Süditaliens wie des Latiums, der Abruzzen, Molises, Apuliens, der Basilikata und Kalabriens. Mitte der 1970er Jahre gab es ca. sieben Millionen Muttersprachler. Überwiegend wird die neapolitanische Sprache in der Region Kampanien und in den Provinzen Foggia und Bari in Apulien gesprochen. Obwohl Neapolitanisch durch die Region Kampanien am 14. Oktober 2008 per Gesetzesdekret offiziell als Sprache anerkannt wurde, gibt es keine verbindliche Orthographie, keinen Unterricht und keine neapolitanische Amtssprache. ] auf Neapolitanisch und Napoletano aufKlassifikationNeapolitanisch wird gemeinhin als ostromanische Sprache angesehen, auch wenn gelegentlich eine Klassifikation als südromanisch vorgeschlagen wird. Obwohl sie alle untereinander verständlich sind, gibt es einige Unterschiede zwischen den einzelnen Dialekten. Es gibt jedoch deutliche grammatische Unterschiede zwischen dem standardisierten Italienisch und Neapolitanisch, etwa die Genuskategorie Neutrum oder die Pluralbildung. Wie auch Italienisch, entwickelte sich das Neapolitanische aus dem Vulgärlatein. Dabei grenzt sich aber das Neapolitanische vom Italienischen durch einige Unterschiede in seiner Lautstruktur ab, die möglicherweise auf einem prä-latinischen Einfluss des Oskischen beruhen. So wird etwa das vulgärlateinische [d] am Wortanfang oder zwischen Vokalen als [r] realisiert (zum Beispiel doje, bzw. duje („zwei“), ausgesprochen und häufig auch geschrieben als roje/ruje; vedé („sehen“) ausgesprochen und häufig geschrieben als veré). Es wird allerdings auch die Ansicht geäußert, dass dieser Rhotazismus erst in jüngerer Zeit aufgetreten sein könnte. Andere angenommene Einflüsse des Oskischen auf das Neapolitanische sind unter anderem die Aussprache der Konsonantengruppe /nd/ als /nn/ (zum Beispiel munno (vgl. hierzu it. ‘mondo’, „Welt“) und quanno (it. ‘quando’, „wann“)) und /mb/ als /mm/ (zum Beispiel tammuro („Trommel“, ital. ‘tamburo’)). Weiterhin sind Einflüsse des Griechischen bemerkbar, das bis ins neunte Jahrhundert die Sprache Neapels war. Bislang blieben alle Versuche, die Sprache zu standardisieren, erfolglos. Obwohl das Neapolitanische auf eine reiche Tradition in Literatur, Musik und Theater (zum Beispiel Giambattista Basile, Eduardo De Filippo und Totò) zurückblicken kann, genießt die Sprache keine offizielle Anerkennung in Italien und darf daher auch nicht in staatlichen Schulen unterrichtet werden. 2003 wurde der Vorschlag, Neapolitanisch als Studienfach einzurichten mit der Begründung abgelehnt, dass es sich hierbei lediglich um eine Sprache der Unterschichten handle. Weiterhin gibt es auf nationaler Ebene legislative Bemühungen um die Anerkennung als offizielle Minderheitensprache in Italien. Zum Vergleich wird hier in den neapolitanischen Dialekten von Neapel und von Nordkalabrien sowie auf Standarditalienisch das Vaterunser wiedergegeben.
Phonetische Eigenschaften des Neapolitanischen(Lautschrift nach International Phonetic Association) Vokale am WortendeUnbetonte Vokale werden am Wortende generell zu /ə/ (Schwa), oft auch unbetonte Vokale innerhalb eines Wortes. PalatalisierungDie Gruppe „S + bilabialer oder velarer Okklusiv“ (s impura) wird palatalisiert:
Nota bene: „S + alveolarer Plosiv“ wird nicht palatalisiert!
Analog gilt dies auch für die (selteneren) stimmhaften Varianten der drei Gruppen. Diphthongierung und MetaphonieDie Diphthongierung und die Metaphonie (Umlautung) sind bedeutende Charakteristiken des Neapolitanischen. Ausgehend von der vulgärlateinischen Form leiten I und U eine Diphthongisierung ein Offene Vokale werden diphthongiert:
Geschlossene Vokale werden umgelautet:
ApokopierungDie Infinitivendungen werden an der betonten Silbe apokopiert („abgeschnitten“):
Entwicklung aus der vulgärlateinischen Form: Konsonant + L
Entwicklung aus der vulgärlateinischen Form: C + e,i und G + e,iIm Neapolitanischen wurden C + e,i und SC + e,i palatalisiert, G + e,i zu [j]
Doppelkonsonanten/d/, /b/ und /g/ werden in Lehnwörtern aus dem Italienischen meist verdoppelt Viele Verdoppelungen entstehen durch Assimilation:
Die phonosyntaktische Verdoppelung (raddoppiamento fonosintattico) ist ebenfalls sehr stark ausgeprägt. In niedrigen sozialen Klassen sind auch extreme Assimilationen und Metathesen verbreitet.
Lenisierung (Sonorisierung)Das Neapolitanische tendiert zur Lenisierung (Sonorisierung) der Konsonanten P, T, C aus dem Vulgärlatein.
Die Konsonanten werden also auch tendenziell gleichzeitig verdoppelt. SpirantisierungStimmhafte Okklusive (Verschlusslaute) aus der vulgärlateinischen Form werden zu Frikativen (Reibelauten) im Neapolitanischen. Dieser Vorgang wird auch Spirantisierung genannt. Weiterhin wird das vulgärlateinische D zu einem [r] oder einem Flap [ɾ] (Rhotazismus).
Das -G- hat die Tendenz, ganz zu verschwinden. VelarisierungZum Teil wird das /l/ velarisiert: Dieser Laut [ɫ] klingt wie das ‘dark l’ des Englischen (wie zum Beispiel in all) /a/ wird von vielen Sprechern niedrigerer sozialer Klassen oft velarisiert: [ɑ]. Grammatikalische Eigenschaften des NeapolitanischenPossessivpronomenDas Possessivpronomen ist generell nachgestellt: zum Beispiel ’o libbro mio (vgl. it. ‘il mio libro’, „mein Buch“) oder [ ] (it. ‘tua madre’, „deine Mutter“)SubjektWie die meisten romanischen Sprachen, ist das Neapolitanische eine Pro-Drop-Sprache, bei der Subjektpronomina meistens weggelassen werden, es sei denn, man will sie betonen. LexikDas Neapolitanische ist reich an Wörtern, die sich vom italienischen Wortschatz unterscheiden oder eine andere Bedeutung haben. Einige davon sind:
Interne Entlehnungen aus dem neapolitanischen Dialekt, die die meisten standarditalienischen Wörterbücher nennen, sind:
Weblinks
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