Während die palmoplantare Keratoderma erst im ersten Lebensjahr auftritt, ist das wollige Haar in den meisten Fällen bereits bei der Geburt vorhanden.[3] In der Adoleszenz zeigen alle Patienten Symptome einer Kardiomyopathie.[4]
Die Betroffenen haben Synkopen (Kreislaufkollapse) und anhaltende ventrikuläre Tachykardien („Herzrasen“). Der plötzliche Herztod ist eine häufige Folge der Erkrankung des Herzmuskels (Myokard). Die Symptome einer Rechtsherzinsuffizienz sind im Endstadium der Naxos-Krankheit zu beobachten.[1]
Häufigkeit
Die Krankheit wurde erstmals bei Patienten von der griechischen Insel Naxos beschrieben, was der Krankheit ihren Namen gab, inzwischen sind aber auch Fälle auf anderen Inseln der Ägäis sowie in der Türkei,[5] in Israel[6] und in Saudi-Arabien[7] bekannt. Die weltweite Krankheitshäufigkeit ist unbekannt. Auf Naxos wird sie auf 1:1000 geschätzt.[1]
Etwa 5 % der Bevölkerung auf Naxos sind heterozygote Träger der Mutation. Abgesehen von einer kleinen Minderheit mit wolligem Haar zeigt die Mehrzahl dieser heterozygoten (mischerbigen) Menschen ein normales Erscheinungsbild.[1][4] Nur wenn zwei (gesunde) Merkmalsträger ein Kind zeugen, besteht nach den Mendelschen Regeln eine statistische Wahrscheinlichkeit von 25 %, dass das Kind die Naxos-Krankheit bekommt. Zu 50 % besteht die Chance, dass es gesunder Erbträger ist und zu 25 %, dass es gesund und kein Erbträger ist.
Eine Deletion von zwei Nukleinbasen in der Position 2157–2158 im JUP-Gen konnte bei 19 Patienten mit Naxos-Krankheit festgestellt werden. Diese Deletion bewirkt einen Frameshift, der wiederum zur Folge hat, dass fünf Aminosäuren des dreizehnten Armadillo-Repeats verändert werden und die c-terminaleDomäne mit 56 Aminosäuren abgeschnitten wird.[9] Das Genprodukt faltet falsch und wird durch die Proteinqualitätskontrolleproteasomal abgebaut. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Integrität der Zellverbände. Bei der Naxos-Krankheit zeigt sich dies vor allem an der Haut und im Myokard (Herzmuskel). Werden die wegen der Mutation deutlich geschwächten zellulären Kontakte unterbrochen, so tritt der Zelltod ein und die abgestorbenen Zellen werden durch Fett und fibrösesGewebe ersetzt.[8][9]
Diagnose
Die Diagnose kann anhand des auffälligen klinischen Bildes gestellt werden. Eine sichere Diagnosestellung bietet die DNA-Analyse.
Das ebenfalls autosomal-rezessiv vererbte Carvajal-Syndrom ist der Naxos-Krankheit von der Symptomatik her sehr ähnlich. Auch hier ist der Phänotyp durch Wollhaare und Keratosis palmoplantaris gekennzeichnet. Die genetische Basis des Carvajal-Syndroms sind jedoch Mutationen im DSP-Gen, das sich auf Chromosom 6 Genlocus p24 befindet und für das Zelladhäsionsprotein Desmoplakin codiert. Allerdings führt dieser Gendefekt zu einer dilatativen Kardiomyopathie, bevorzugt im linken Ventrikel, und die Kardiomyopathie tritt früher ein (early-onset).[1][3][10]
Therapie und Prävention
Das primäre Ziel der Behandlung von Patienten mit der Naxos-Krankheit ist die Verhinderung des plötzlichen Herztods. Die Implantation eines Kardioverter-Defibrillators ist bei symptomatischen Patienten meist schon vor dem Erreichen des 35. Lebensjahrs angezeigt.[4][11][12]
Darüber hinaus gibt es Ansätze zur Prävention der Naxos-Krankheit. Durch ein systematisches Screening der Risikogruppen sollen die heterozygoten Merkmalsträger identifiziert werden.[1]
Erstbeschreibung
Die Naxos-Krankheit wurde erstmals 1986 von einer Arbeitsgruppe um den griechischen Kardiologen Nikos Protonotarios[15] bei einer Population auf der Insel Naxos beschrieben.[16] Ihre Patienten mit Wollhaar und palmoplantarer Keratose zeigten kardiale Rhythmusanomalien und in den Familien traten auffällig viele Fälle von plötzlichem Herztod auf. Anhand des Stammbaums der Patienten konnten sie den autosomal-rezessiven Erbgang identifizieren.[15] Sie untersuchten vier Familien mit insgesamt neun Fällen von Naxos-Krankheit.[17] Der Begriff «Naxos-Krankheit» (Naxos disease) wurde 1994 durch Guy Fontaine, Nikos Protonotarios, Adalena Tsatsopoulou und Kollegen[18] geprägt.[19]
Seit 1995 ist die Naxos-Krankheit von der Weltgesundheitsorganisation als rezessive Form der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie klassifiziert.[20]
Einzelnachweise
↑ abcdefghijN. Protonotarios, A. Tsatsopoulou: Naxos disease: cardiocutaneous syndrome due to cell adhesion defect. In: Orphanet Journal of Rare Diseases. Band 1, 2006, S. 4. doi:10.1186/1750-1172-1-4. PMID 16722579. PMC 1435994 (freier Volltext). (Review).
↑Palmoplantar bedeutet Die Handflächen und Fußsohlen betreffend.
↑ abcN. Protonotarios, A. Tsatsopoulou u. a.: Genotype-phenotype assessment in autosomal recessive arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy (Naxos disease) caused by a deletion in plakoglobin. In: Journal of the American College of Cardiology. Band 38, Nummer 5, November 2001, S. 1477–1484. PMID 11691526.
↑N. Narin, M. Akcakus u. a.: Arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy (Naxos disease): report of a Turkish boy. In: Pacing and clinical electrophysiology. Band 26, Nummer 12, Dezember 2003, S. 2326–2329. PMID 14675023. (Review).
↑I. Bukhari, N. Juma'a: Naxos disease in Saudi Arabia. In: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology : JEADV. Band 18, Nummer 5, September 2004, S. 614–616. doi:10.1111/j.1468-3083.2004.01010.x. PMID 15324409.
↑ abG. McKoy, N. Protonotarios u. a.: Identification of a deletion in plakoglobin in arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy with palmoplantar keratoderma and woolly hair (Naxos disease). In: The Lancet. Band 355, Nummer 9221, Juni 2000, S. 2119–2124. doi:10.1016/S0140-6736(00)02379-5. PMID 10902626.
↑K. Gatzoulis, N. Protonotarios u. a.: Implantable defibrillator therapy in Naxos disease. In: Pacing and clinical electrophysiology : PACE. Band 23, Nummer 7, Juli 2000, S. 1176–1178. PMID 10914377.
↑ abN. Protonotarios, A. Tsatsopoulou u. a.: Cardiac abnormalities in familial palmoplantar keratosis. In: British Heart Journal. Band 56, Nummer 4, Oktober 1986, S. 321–326. PMID 2945574. PMC 1236865 (freier Volltext).
↑B. Lüderitz: Naxos disease. In: Journal of interventional cardiac electrophysiology : an international journal of arrhythmias and pacing. Band 9, Nummer 3, Dezember 2003, S. 405–406. PMID 14618065.
↑G Fontaine, N. Protonotarios, A. Tsatsopoulou u. a.: Comparisons between Naxos disease and arrhythmogenic right ventricular dysplasia by electrocardiography and biopsy. In: Circulation. Band 90, Nummer 2, 1994, S. 3233.
↑B. Lüderitz: Profiles in cardiac pacing and electrophysiology. John Wiley & Sons, 2005, ISBN 1-4051-3116-0, S. 204–205. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
↑P. Richardson, W. McKenna u. a.: Report of the 1995 World Health Organization/International Society and Federation of Cardiology Task Force on the Definition and Classification of cardiomyopathies. In: Circulation. Band 93, Nummer 5, März 1996, S. 841–842. PMID 8598070.
Weiterführende Literatur
G. Meera, D. Prabhavathy u. a.: Naxos disease in two siblings. In: International journal of trichology. Band 2, Nummer 1, Januar 2010, S. 53–55. doi:10.4103/0974-7753.66917. PMID 21188028. PMC 3002416 (freier Volltext).
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