Das Naturtheater Heidenheim ist eine Freilichtbühne in Heidenheim an der Brenz, die sich seit 1924 in direkter Nähe vom Schloss Hellenstein befindet. Das Programm richtet sich sowohl an Kinder als auch an Erwachsene. Das Theater zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sämtliche Rollen von Amateurschauspielern gespielt werden.
Die Vorgeschichte des Naturtheaters geht auf den Unteroffizier Gustav Müller (1884–1943)[1] zurück, der während des Ersten Weltkrieges beschloss, einen Theaterverein zu gründen. Laut seiner Tochter habe sich der Unteroffizier unter schwerem Beschuss im Schützengraben geschworen: „Wenn ich hier rauskomme, will ich mein Leben einsetzen für etwas, was die Menschen verbindet: Die Kunst.“[2] Im Jahre 1919 wurde daraufhin die Volkskunstvereinigung gegründet, die 1921 in das Vereinsregister eingetragen wurde. Die Eröffnung der Freilichtbühne am Salamanderbächle fand 1924 statt. In diesem Jahr wurde Eugen Jaekle Ehrenvorsitzender.[3]
Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Spielbetrieb eingestellt, 1946 mit dem Theaterstück Das tapfere Schneiderlein wieder aufgenommen. Die Tradition eines jährlichen Kinderstückes wurde 1976 mit dem Räuber Hotzenplotz begonnen. Erfolgreich war 1981 die Shakespeare-Inszenierung Romeo und Julia. Im selben Jahr führten Meinungsverschiedenheiten zur Vereinsspaltung und die Freilichtbühne am Brenzursprung in Königsbronn wurde als eigenständige Bühne gegründet.
Mit Goethes Faust stand 1985 ein Klassiker auf dem Spielplan und drei Jahre später wurde Anatevka als erstes Musical im Heidenheimer Naturtheater aufgeführt. Die alte Zuschauerhalle wurde 1995 abgerissen und durch ein modernes, freitragendes Bauwerk mit einer Kapazität von 1068 Sitzplätzen ersetzt. Eine Besonderheit stellt 1997 die Aufführung des Musicals Linie 1 dar: Die 17 Aufführungen fanden nicht im Naturtheater selbst, sondern im Heidenheimer Hauptbahnhof statt, wobei der laufende Bahnbetrieb als echte Kulisse diente. 2006 erhielt der Verein ein neues Werkstattgebäude mit einem weiteren Probenraum, einer Schneiderei sowie vergrößerte Räume für den Kostümverleih. Bis heute stehen immer häufiger moderne oder selten auf Freilichtbühnen gespielte Werke auf dem Programm. So kamen im Jahr 2000 Amadeus, 2001 Sister Act oder 2004 Katharina Knie zur Aufführung. Mit Abschluss der Bauarbeiten auf dem Vorplatz zum Naturtheater erhielt das gesamte Umfeld, das als Naherholungsgebiet genutzt wird, ab 2009 ein neues Aussehen.
Im Jahr 2011 besuchten insgesamt 41.125 Zuschauer die Inszenierungen der Sommerspielzeit Ich denke oft an Piroschka und Pinocchio. Das Publikum setzte sich über den Landkreis Heidenheim hinaus aus Besuchern aus den angrenzenden Landkreisen sowie auch aus allen Ecken Deutschlands zusammen. 2016 wurde mit einem erneuten Umbau zur Vergrößerung des Kostümverleihs, der Neugestaltung der vereinsinternen Klause sowie der Theaterbühne begonnen.
Zum hundertjährigen Bestehen des Vereins 2019, welches unter dem Motto „Hundert Jahre – Hundert Veranstaltungen“ stand, wurde mit besonderem Aufwand das Musical West Side Story von Leonard Bernstein aufgeführt.[4] Neben zahlreichen Sonderveranstaltungen und zusätzlichen Aufführungen wurde in Kooperation mit dem Theater der Stadt Aalen das Stück ...und einig wollen wir handeln aufgeführt, welches die erste Inszenierung der Freilichtbühne (das Stück Wilhelm Tell aus dem Jahre 1924) zum Thema hatte und gesellschaftskritische Punkte in die heutige Zeit übertrug.[5]
2024 steht unter dem Einfluss des hundertjährigen Bestehens der Freilichtbühne. Neben den regulären Stücken Annie und Der Räuber Hotzenplotz steht als Sonderaufführung abermals Wilhelm Tell auf dem Programm.[6]
Verein
Mit über 500 Mitgliedern jeglichen Alters gehört der Verein Naturtheater Heidenheim zu den populären Vereinen der Stadt Heidenheim und der Umgebung. Der heutige Vorstand (2024) setzt sich zusammen aus Stefan Benz, Lara Tschabrun, Dirk Steffens, Stephan Fritz und Martina Remmlinger.[7] Das Naturtheater wird von der Stadt Heidenheim und von dem 2020 gegründeten Verein Freunde des Naturtheater[8] finanziell unterstützt.
↑Heiner Jestrabek: „Ein führender Nationalsozialist Heidenheims“: Gustav Müller. In: Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Baden-Württemberg, Band 3: NS-Belastete aus dem östlichen Württemberg. Reutlingen : Freiheitsbaum, 2014, ISBN 978-3-922589-38-9, S. 132–139