National Missile DefenseDie National Missile Defense (NMD; deutsch Nationale Raketenabwehr) bzw. der US-Raketenschild ist ein zur Regierungszeit von US-Präsident George W. Bush angestrengtes Rüstungsprojekt der Vereinigten Staaten von Amerika. Es gilt als Nachfolger der Strategic Defense Initiative (SDI). Zweck der NMD soll es sein, anfliegende Interkontinentalraketen mit satellitengestützter Überwachung zu erkennen und entweder bereits nahe der Abschussrampen, auf ihrer Bahn im Weltall oder während des Sinkfluges in der Erdatmosphäre mittels Raketen oder Lasern zu zerstören. Auf diese Weise soll ein Verteidigungsschutzschild für die Vereinigten Staaten realisiert werden. Als Gefahrenherde gelten die Waffensysteme von Ländern wie Russland, Iran und Nordkorea. Federführend verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung der NMD ist die Missile Defense Agency (MDA; etwa: Amt für Raketenverteidigung), eine Abteilung des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. In Bushs Plänen für einen Raketenschutzschild spielten zunächst Standorte in Polen und Tschechien eine zentrale Rolle. Im September 2009 kündigte Präsident Barack Obama jedoch einen Richtungswechsel an. Seegestützte Abfangraketen sollen die für Polen vorgesehenen Systeme ersetzen; eine geplante Radarstation in Tschechien wird nicht in Betrieb gehen.[1] Als Nordkorea den USA 2013 mit einem Atomschlag drohte (siehe Nordkorea-Krise 2013), geriet das Thema wieder ins öffentliche Bewusstsein.[2] Das GesetzIm Januar 1999 wurde der 'National Missile Defense Act of 1999' (etwa: Nationales Raketenverteidigungsgesetz) beschlossen (US-Präsident Bill Clinton regierte von 1993 bis 2001). Im Gesetz heißt es:
– National Missile Defense Act von 1999[3] Geschichte
Weitere Vorläufer der NMD neben Ronald Reagans Strategic Defense Initiative waren u. a. seit den späten 1950er-Jahren das Nike-Zeus-Programm (1961 eingestellt), das Project Defender, das Sentinel-Programm und – damit zusammenhängend – das Konzept des Ballistic Missile Boost Intercept (BAMBI; jeweils ab 1963; eingestellt 1968) sowie – ab 1967 – das Safeguard-Programm. Alle diese Vorhaben erwiesen sich aus politischen und technischen Gründen als problematisch und scheiterten letztendlich. Die erneute Aufrüstung seitens der USA wird unter anderem von der Volksrepublik China und Russland seit Jahren scharf kritisiert. Sie warnen vor einem neuen globalen Wettrüsten mit Weltraumtechnologie.[4] Aufgaben und Verfahren des SystemsZunächst muss ein Raketenabwehrsystem anfliegende Raketen erkennen und unterscheiden können. Mittels Frühwarnradarstationen am Boden und mit Hilfe von Infrarotkameras in geostationären Satelliten erkennt das System – zumindest in der Theorie – automatisch startende Raketen an ihrer Antriebswärme (also dem Schweif bzw. Feuerstrahl). Die Infrarotkameras der Frühwarnsatelliten können die Raketen nach dem Durchqueren der unteren Atmosphärenschichten detektieren und anhand der Form und der Hitzeverteilung im Feuerstrahl den Raketentyp bestimmen – so jedenfalls die Vorstellung der Initiatoren der NMD. Zu diesem Zeitpunkt (in der boost phase) ist bei Raketentypen, die sowohl für die Raumfahrt als auch als ICBMs verwendet werden, allerdings bislang keine Unterscheidung zwischen einem zivilen Raumfahrteinsatz oder einer militärischen Aggression möglich. Am 24. April 2007 wurde das Near Field Infrared Experiment (NFIRE)[5] mit einer Minotaur-1-Trägerrakete von der Wallops Flight Facility auf eine Umlaufbahn in 495 km Höhe gebracht. Der ursprünglich schon für 2005 geplante Start war zuvor zweimal verschoben worden. NFIRE soll die Detektion von Raketentypen bzw. ihres Einsatzzweckes nunmehr entscheidend verbessern. Raketen, die in friedlicher Absicht eingesetzt werden, sollen so schon in der Startphase aussortiert werden können. Im nächsten Schritt wird die Bahn der Rakete beobachtet und vorausberechnet. In der Zusammenschau der – in einem äußerst kurzen Zeitfenster – gewonnenen Daten muss dann abgeschätzt werden, ob es sich beim jeweiligen Raketenstart um einen Angriff oder zum Beispiel nur um eine Trägerrakete für die Raumfahrt handelt. Die Vorausberechnung der Flugbahn ist relativ einfach, solange es sich bei dem Geschoss um eines mit strikt ballistischer Flugbahn wie etwa bei den meisten Interkontinentalraketen (ICBMs) handelt. Diese Raketen steigen nach dem Brennschluss in einer rechnerisch nachvollziehbaren Bahn (mit gewissen Abweichungen, verursacht u. a. durch diverse atmosphärische Einflüsse) bis in den Weltraum hinauf, um dort einen oder mehrere Gefechtsköpfe freizusetzen. Üblicherweise werden bei MIRVs auch noch Gefechtskopfattrappen freigesetzt, um Abwehrsysteme abzulenken und zu verwirren. Allerdings hatte die Sowjetunion bereits in den 1960er-Jahren ein System zur Einsatzreife entwickelt, das schon damals eine Vorausschau des mutmaßlichen Ziels bis kurz vor dem Einschlag unmöglich machte (vgl. FOBS). Zur Zerstörung der atomaren Gefechtsköpfe wird in ihrer Flugbahn ein vom Boden gestartetes oder auch von Satelliten freigesetztes „Kill Vehicle“ (wie bei NFIRE vorgesehen, das die Detektion von feindlichen Flugkörpern mit deren Abwehr in einem Satelliten verbinden soll) auf Kollisionskurs gebracht – in teilweise nahezu entgegengesetzter Flugrichtung. Es ist mit IR- und Bildsensoren ausgestattet, um die Gefechtsköpfe zu erkennen. Im Idealfall besitzt diese Vernichtungsvorrichtung eine gewisse Lenkfähigkeit. Geplant sind auch Killersatelliten, die zu selbstständigen Annäherungsoperationen fähig sind („Autonomous Proximity Operations“). Ein solches „Kill Vehicle“ soll dann einen Gefechtskopf bei seiner Bahn im All in der Regel durch bloße Kollision – also durch kinetische Energie – bei über 7 km pro Sekunde (also 25.200 km/h) zerstören. HintergründePolitischer HintergrundNMD ist das Nachfolgeprogramm der 1983 von Ronald Reagan initiierten Strategic Defense Initiative. Während der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush (Anfang 2001 bis Anfang 2009) wurde NMD weiterentwickelt. Laut offiziellen Angaben sollte es in erster Linie vor Terroristen und so genannten Schurkenstaaten wie dem Iran und Nordkorea schützen und nicht als Verteidigung gegen mögliche Attacken der Atommächte Russland und China dienen. Das System soll auch vor versehentlich abgeschossenen Atomraketen schützen. Die USA haben am 13. Dezember 2001 den ABM-Vertrag aufgekündigt. Die Kündigung wurde sechs Monate später, am 13. Juni 2002, wirksam. Technische KritikDie Verteidigung gegen eine ganze Flotte angreifender Raketen – und somit der vielbeschworene „Schutzschild“ – gilt (Stand: 2006) als technisch nicht möglich. Demnach können derzeit höchstens 20 Gefechtsköpfe auf einmal abgewehrt werden, was zwei bis drei angreifenden Raketen mit sieben bis acht MIRVs entspräche. Das Multiple-Kill-Vehicle-System soll dieses Problem in Zukunft lösen. Gegen terroristische Angriffe ist der Schutz nach Einschätzung von Kritikern des NMD-Konzepts ebenfalls unvollkommen: Eine terroristische Organisation, wenn sie denn in den Besitz einer Kernwaffe gelangte, würde diese eher auf einem anderen Weg gegen die Vereinigten Staaten anwenden, etwa ins Land geschmuggelt (z. B. als „Kofferbombe“), in einem LKW o. ä. untergebracht und/oder per Schiff in den Hafen einer großen Stadt transportiert. Taktische Grundlagen eines RaketenabwehrsystemsGrundlage einer Raketenabwehr ist die schnelle Reaktion auf anfliegende Raketen/Gefechtsköpfe. Innerhalb kürzester Zeit müssen startende Raketen als anfliegende ICBMs erkannt und deren Flugbahnen bestimmt werden. Die Bekämpfung kann in drei möglichen Phasen des Angriffs stattfinden:
StartphaseIn der Startphase bietet eine aufsteigende ICBM im Prinzip ein relativ großes, sich auf einer vorausberechenbaren Bahn bewegendes Ziel, welches theoretisch einfach erfasst und bekämpft werden könnte. Ebenso könnten (im Prinzip) auf diese Weise mehrere Sprengköpfe (MIRVs) gleichzeitig durch die Zerstörung einer Rakete ausgeschaltet werden. Die aktive Aufstiegsphase dauert ca. fünf bis zehn Minuten; bei moderneren Langstreckenraketen ist sie noch erheblich kürzer. In dieser Zeit müssen die Starts entdeckt und bewertet werden. Es muss entschieden werden, ob ein Angriff vorliegt und welche Ziele voraussichtlich angegriffen werden. Außerdem müssten in dieser kurzen Zeit die politischen und militärischen Entscheidungen zur Reaktion auf einen möglichen Angriff getroffen werden, was die Gefahr von Fehlschlüssen erheblich erhöht. Durch das NMD-Konzept ist eine Bekämpfung in dieser Phase bislang nicht möglich, wenngleich auch hierzu intensiv geforscht wird. In Zukunft sollen für Abfangmanöver in der Startphase vornehmlich luftgestützte Laser (Airborne Laser, ABL) eingesetzt werden, da hier für den Einsatz jedweder materieller Geschosse die Zeit in aller Regel einfach zu knapp wäre (es sei denn, die Abwehrwaffe befände sich in unmittelbarer Nähe der startenden Rakete). Vom ABL erhofft man sich, Raketen in der Startphase innerhalb von Sekunden vernichten zu können[6]. Ende September 2006 wurde angekündigt, dass 2007 eine Boeing-747, genannt Big Crow (deutsch: Große Krähe), mit einem Lasersystem zur Raketenabwehr ausgestattet werden soll; Meldungen zufolge sind die ersten Tests des Lasersystems unter Luftkampfbedingungen für 2009 geplant. Für Kritiker sind Laserwaffen dieser Art allerdings nicht nur zu teuer, sondern oberdrein auch überflüssig, da sie mit geringem Aufwand wirkungslos gemacht werden könnten: Man müsse die Raketen dazu einfach nur mit einer verspiegelten Ummantelung versehen, die einen Großteil der gerichteten Energie ablenke. Bisher sollen die USA für das Lasersystem zur Raketenabwehr bereits 3,5 Milliarden US-Dollar aufgewendet haben[7]. Ballistischer suborbitaler Freiflug außerhalb der AtmosphäreWährend des ballistischen Flugs werden die Sprengköpfe ausgesetzt. Diese steuern daraufhin auf ihre Ziele zu. Sollten MIRVs und Täuschkörper eingesetzt werden, vervielfachen sich dabei die zu bekämpfenden Objekte. Die Sprengköpfe stellen kleine, sich rasch und unabhängig bewegende Ziele dar. Jeder Sprengkopf müsste einzeln erfasst, verfolgt und bekämpft werden, was eine äußerst umfangreiche Dislozierung von Abwehrmitteln erforderte. Der Vorteil einer Bekämpfung in dieser Phase wäre die verlängerte Reaktionszeit, um den Angriff zu bewerten und Prioritäten für die Verteidigung festzulegen. Beim NMD-Programm soll diese Phase vorrangig zur Bekämpfung anfliegender Gefechtsköpfe genutzt werden. Wiedereintritt in die Atmosphäre/ZielanflugDer Wiedereintritt in die Atmosphäre bietet die längste Reaktionszeit: je nach Flugbahn bis zu 45 Minuten nach dem Start der zu bekämpfenden Rakete. Es ist am ehesten möglich, betroffene Ziele und Flugbahnen zu bestimmen, um den Abfangvorgang zu koordinieren – jedenfalls bei ballistischen Raketen. Ebenso können Attrappen besser ausgeschlossen werden, falls diese beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen sollten. Beim Wiedereintritt sind allerdings aktive Ausweichmanöver der Gefechtsköpfe möglich, so z. B. ein Manövrieren im hohen Überschallbereich in der oberen Atmosphäre, etwa durch MARV. Das NMD-Programm deckt nur einen Teil aller Angriffsphasen ab. Es stellt praktisch einen Kompromiss zwischen maximaler Reaktionszeit und möglichst einfacher Bekämpfung dar. Am problematischsten ist dabei, Verfahren und Techniken für eine schnelle Evaluierung und Entscheidung zu entwickeln, da bei einem Angriff 20 bis maximal 35 Minuten zwischen Start und Einschlag zur Verfügung stehen. Die Testbilanz der NMD bis Dezember 2008Nach einer Mitteilung der Missile Defense Agency hat eine bodengestützte, von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien gestartete Rakete Ende September 2007 erfolgreich ein Zielprojektil über dem Pazifik abgefangen, das vom Kodiak Launch Complex in Alaska abgefeuert worden war. Einem Sprecher der MDA zufolge erfasste das kurz zuvor aufgerüstete Frühwarnradar der Beale Air Force Base in Kalifornien das „angreifende“ Geschoss unmittelbar nach dem Start. Die Demonstration dieser Fähigkeit war dem US-Raketenabwehramt zufolge das Anliegen des Tests, der der zwölfte dieser Art seit 1999 war. Vier davon waren Fehlschläge; ein Test im Mai 2007, als eine Abfangrakete nicht abhob, wurde zum „Nicht-Test“ erklärt. Jeder dieser Versuche kostet rund 100 Millionen Dollar.[8] Am 5. Dezember 2008 gab es einen weiteren Test, welcher das Abfangen eines auf Kodiak Island (Alaska) gestarteten Zieles durch einen GBI der Vandenberg Air Force Base beinhaltete. Laut der amerikanischen Luftwaffe wurden alle gesteckten Ziele des Tests erfolgreich absolviert.[9] StationierungsorteGround Based Interceptors (GBIs) sind seit 2004 als initiale Verteidigungskapazität in Alaska und Kalifornien stationiert. In Fort Greely (Alaska) stehen derzeit 20 GBIs im Dienst[10], auf der Vandenberg Air Force Base (Kalifornien) vier weitere[11]. Weitere zehn Raketen sollten ursprünglich in Redzikowo bei Słupsk (Polen) stationiert werden[12] und ein X-Band Radar in Brdy (Tschechische Republik)[13]. Am 13. Mai 2016 wurde eine Anlage im südrumänischen Deveselu in Betrieb genommen.[14] Überarbeitung der NMD-Strategie durch die Regierung ObamaAm 17. September 2009 kündigte US-Präsident Barack Obama an, vorläufig auf die Stützpunkte in Polen und Tschechien zu verzichten.[15] Am 20. September 2009 meldete der Londoner „Guardian“ zudem, Obama wolle auch die bereits zu seinem Regierungsantritt angekündigte umfassende Revision der US-Nukleardoktrin verstärkt in Angriff nehmen.[16] Der seinerzeit russische Ministerpräsident Wladimir Putin lobte den Verzicht des US-Präsidenten auf das bisherige US-Raketenabwehrprojekt in Mitteleuropa als „mutigen Schritt“, forderte aber weitergehende Schritte wie zum Beispiel die Aufhebung der Handelsschranken zwischen Russland und den USA. Barack Obama wies Bezichtigungen zurück, russischer Druck habe zu seiner Maßnahme geführt: „Die Russen treffen keine Entscheidung über das, was unsere Haltung in Verteidigungsfragen ist.“ Wenn es ein „Nebenprodukt“ sei, dass „sich die Russen weniger paranoid“ fühlten, sei das „eine Dreingabe“ [bonus], so Obama im US-Fernsehsender CBS.[17] Der ehemalige polnische Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski meinte, natürlich könne „man Obamas Entscheidung als Triumph der Russen betrachten.“ Es sei jedoch „keine Überraschung, dass die Amerikaner ihre Pläne geändert haben. Es war schon während der Wahlkampagne Obamas die Rede davon, dass die Bedrohungssituation, die technische Machbarkeit und die Kosten des Projektes überprüft werden müssen.“ Kwasniewski teilte jedoch die Sorge des ehemaligen tschechischen Premiers Mirek Topolánek, dass „die ganze Region für Washington an Gewicht verliere“.[18][19][20] Im Gegensatz zu den teilweise euphorischen Reaktionen[21][22] bei Medien wie Regierungen darauf gab sich der russische Militärexperte Leonid Grigorjewitsch Iwaschow skeptisch: „Die Position der USA in Bezug auf die Raketenabwehr in Europa hat sich nicht geändert“, zitierte ihn die RIA Nowosti. Was die Amerikaner als Zugeständnis bezeichneten, „ist in der Tat wieder eine Lüge“.[23] Künftig wollen sich die Vereinigten Staaten vornehmlich auf erprobte land- und seegestützte Kurz- und Mittelstreckenraketen verlassen, nachdem die US-Regierung laut eigenem Bekunden zu einer geänderten Einschätzung der iranischen Langstreckenkapazitäten und -fähigkeiten gelangt war. Nach den Worten des US-Verteidigungsministers Robert Gates sollen daher nunmehr bis 2015 eine erhebliche Anzahl bodengestützter SM-3-Abfangraketen in Süd- und Mitteleuropa stationiert werden und damit weit mehr als die vordem geplanten zehn ausschließlich in Polen. Der neue Plan soll nach bisherigem Kenntnisstand in vier Phasen bis zum Jahr 2020 umgesetzt werden.[24] Dem damaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew zufolge muss der Raketenschutzschild einen weltumspannenden Charakter haben statt von einzelnen Staaten isoliert aufgebaut zu werden. „Es handelt sich um globale Fragen“, erklärte Medwedew in einem CNN-Interview und verwies u. a. auf die Probleme im Nahen Osten sowie auf der Korea-Halbinsel. „Deshalb muss das Schutzsystem von globaler Dimension sein statt aus einer geringen Anzahl von Raketen zu bestehen, die nur unser Territorium erreichen können, ohne andere Gebiete abzudecken. Ich hoffe, dass unsere amerikanischen Partner dies erhört haben.“ Medwedew gab sich optimistisch, dass Moskau und Washington noch bis zum Jahreswechsel 2009/2010 einen neuen Vertrag über den Abbau der strategischen Nuklearwaffen (START) vereinbaren können. Gleichzeitig wandte er sich erneut gegen eine beschleunigte Einbindung jener Staaten in die NATO, die dazu noch nicht bereit seien, und schlug der Allianz vor, gemeinsame Institutionen zu entwickeln.[25] Irans Oberster Rechtsgelehrter Ali Chamene’i verwarf am 20. September 2009 die Absichten der Regierung Obama: „Unter seinem früheren Präsidenten scheute Amerika keine Mühe sowohl gegen die muslimische Welt als auch gegen den Iran“, so das iranische Staatsoberhaupt. Auch die gegenwärtige Regierung folge trotz „scheinbar freundlicher Worte und Botschaften“ der gleichen „anti-islamischen und anti-iranischen Politik der Vergangenheit“. Die westlichen Besorgnisse mit Blick auf das Nuklearprogramm des Iran seien „bloß ein Lügenmärchen der Vereinigten Staaten“.[26] In den USA sprachen sich zwei Senatoren (ein Republikaner und ein Demokrat) und ein ehemaliger General der US-Luftwaffe erneut nachdrücklich für eine harte Haltung gegenüber Teheran aus, die letztendlich auch eine militärische Option umfassen müsse.[27] Am 19. November 2010 legte sich die NATO in ihrem neuen Strategischen Konzept auf den Bau des Schildes fest und bekräftigte den Wunsch nach einer Zusammenarbeit mit Russland in dem Gebiet. Am 2. Februar 2012 wurde der Aufbau des europäischen NATO-Raketenabwehrprogramms European Phased Adaptive Approach (EPAA) bekanntgegeben. Das Hauptquartier hierfür befindet sich auf der Ramstein Air Base in Deutschland, zugleich Stützpunkt des Allied Air Command Ramstein. Hierzu gehört auch die Extended Air Defence Task Force, an der neben den USA auch Deutschland und die Niederlande beteiligt sind. Das Raketenabwehrsystem soll bis 2020 bzw. 2022 aufgebaut sein. Die USA und Rumänien haben unterdessen am 31. Januar 2012 ein Verteidigungsabkommen unterzeichnet, dass ab 2015 ermöglicht 24 SM-3-Abwehrraketen und bis zu 200 US-Soldaten auf dem Militärflugplatz Deveselu zu stationieren.[28] Ein weiterer Stützpunkt soll ab 2018 in Redzikowo, Polen errichtet werden. Hinzu kommen sechs entsprechend umgerüstete Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse, von denen 2014/2015 vier Exemplare in Rota eintrafen und der erste von zwei weiteren 2015 in Yokohama. Sowohl im November 2017 als auch am 3. Februar 2019 kündigte Hossein Salami als IRGC-Vizekommandeur an, die Reichweite der Raketen seines Landes zu verlängern bis zur Eignung der Waffen für Ziele in Europa.[29][30] Sensoren und Waffensysteme
AuswirkungenDas National-Missile-Defense-Projekt könnte zu einer erneuten Aufrüstung der Atommächte führen. So kündigte das russische Militär bereits neue Langstreckenraketen an, die über drei in der freien Flugphase lenkbare Sprengköpfe sowie über zusätzliche Attrappen verfügen sollen, womit sie die bisherigen Konzepte der NMD, wie oben erwähnt, weitestgehend nutzlos machen würden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Russland seit längerem plant, seine SS-18- und SS-19-Interkontinentalraketen zu ersetzen. Die Tatsache, dass dessen ungeachtet gleichwohl eine geringe Anzahl anfliegender Raketen bzw. Sprengköpfe abgewehrt werden können, würde das Wettrüsten voraussichtlich zusätzlich beschleunigen. Um eine glaubwürdige Abschreckung aufrechtzuerhalten, wäre zum Beispiel China gezwungen, sein Atomwaffenarsenal aufzustocken sowie eine verlässliche Zweitschlagfähigkeit seiner U-Bootflotte zu erreichen[31]. Davon könnten sich wiederum Pakistan und Indien gefährdet fühlen und ihrerseits ihre Arsenale vergrößern und modernisieren. „Chinas bescheidener Ausbau seiner nuklearen Raketenstreitkräfte wird dazu betrieben, um es in die Lage zu versetzen, gegenwärtige und künftige Raketenverteidigungssysteme der USA überwinden zu können. Eine dieser Technologien wären Mehrfach-Gefechtsköpfe, um die Raketenabwehr zu überfordern“, hielt der US-Militärexperte Rick Fisher dazu 2005 fest[32]. Der Verzicht der Obama-Regierung auf die Stationierung von Raketenabwehrsystemen bei Stolp in Hinterpommern und in Tschechien, die sich nach dem Empfinden der russischen Regierung in erster Linie gegen Russland richtete, hat wesentlich mit dazu beigetragen, dass Obama am 9. Oktober 2009 der Friedensnobelpreis verliehen wurde. Im Dezember 2012 stellte die russische Regierung sich auf den Standpunkt, wegen der 'Umzingelung' Russlands mit vorgeblichen Abwehrwaffen werde das russische Atomwaffenpotential auf Null reduziert. Damit werde das seit Jahrzehnten funktionierende strategische Gleichgewicht zwischen den zwei großen Atomwaffenmächten Russland und USA zerstört. Dies könne und werde man nicht hinnehmen, so Präsident Vladimir Putin auf einer Pressekonferenz am 20. Dezember 2012 in Moskau. Des Weiteren arbeite Russland an neuen Raketensystemen, die die NATO-Schutzschirme weltweit sofort zerstören könnten. Russland sei nicht an Eskalation, sondern an Verhandlungen interessiert und an bindenden Verträgen für alle Parteien, werde aber unter keinen Umständen dulden, strategisch hinsichtlich Atomwaffen ausgeschaltet zu werden.[33] Für diesen Fall hat sich der russische Generalstab 2011 einen Präventivkrieg gegen die beteiligten Staaten vorbehalten. Von russischer Seite wurde unter anderem beschlossen, das 600 km von Berlin entfernte Kaliningrad mit Staffeln von konventionellen taktischen ballistischen Boden-Boden-Kurzstreckenraketen Iskander (Nato-Code SS-26 Stone) zu bestücken. Da das Abwehrsystem durch einen massiven Erstschlag übersättigt wäre, während es eine Vergeltung durch die üblicherweise geringere Zweitschlagkapazität möglicherweise abwehren kann, wird als möglicherweise destabilisierend angesehen.[34] Auf Abschreckung beruhende Nuklearstrategien erscheinen somit gegenüber einem Erstschlag geschwächt. Zitate
– US-Außenministerin Hillary Clinton am 18. September 2009 in einer Rede vor der Brookings Institution, Mitschrift Siehe auch
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
|