Memet KiliçMemet Kiliç, auch Memet Kılıç (* 24. Januar 1967 in Malatya, Türkei), ist ein deutscher Jurist und Politiker (Bündnis 90/Die Grünen). Von 2009 bis 2013 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. TätigkeitenKılıç arbeitete bis 2023 in einer Heidelberger Anwaltskanzlei, die auf internationales Privatrecht, Europarecht und Ausländerrecht spezialisiert ist. Er ist Mitglied der Rechtsanwaltskammern in Karlsruhe und Ankara.[1] Seine juristische Ausbildung erhielt er an der Universität Ankara und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, wo er auch den Master of Laws erwarb. Von 2004 bis 2009 vertrat er die Grünen im Gemeinderat der Stadt Heidelberg.[2] Kılıç ist in der Deutsch-Türkischen Juristenvereinigung und im Expertenkomitee für Migration des Europarates. Er war von 1998 bis 2008 im Rundfunkrat des Südwestrundfunks und von 2000 bis 2009 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung der Bundeswehr[3]. Neben juristischen Fachbeiträgen veröffentlichte Kılıç auch zahlreiche politische Aufsätze und Beiträge in diversen regionalen und überregionalen Medien. Memet Kılıç kandidierte als Bürger mit deutscher und türkischer Staatsangehörigkeit[4] sowohl bei der Bundestagswahl 2005 als auch bei der Bundestagswahl 2009 im Wahlkreis Pforzheim für Bündnis 90/Die Grünen. 2009 wurde er über die Landesliste Baden-Württemberg in den Bundestag gewählt. Er war Mitglied des Innenausschusses[5] und des Petitionsausschusses[6]. Bei der Bundestagswahl 2013 wurde er nicht wiedergewählt.[7] Bei der Bundestagswahl 2017 kandidiert er im Wahlkreis Rhein-Neckar.[8] PositionenKılıç ist alevitisch.[9] Im März 2010 lehnte Kılıç eine Einladung des türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan zu einer Veranstaltung der türkischen Regierung nach Istanbul ab, die türkeistämmige Politiker in Deutschland zu mehr politischem Einsatz für die Interessen der Republik Türkei motivieren sollte, und begründete seine Ablehnung: „Ich habe den Rahmen für die Veranstaltung nicht gesehen. Es war ein Treffen türkischer Vertreter und ich sehe mich in erster Linie als Abgeordneter des deutschen Bundestags. Da passte ich also nicht rein.“[10] Kılıç äußerte sich im Februar 2012 ablehnend zur anstehenden Wahl von Joachim Gauck in das Amt des Bundespräsidenten. Gauck habe mit seinem Lob für Sarrazin Vertrauen zerstört. „Wir brauchen echte Integrations- und keine populistischen Debatten“, äußerte er in der Frankfurter Rundschau.[11] Das Urteil des Landgerichts Köln zu einem Einzelfall[12] zur Strafbarkeit von medizinisch nicht indizierten Beschneidungen von Jungen aus religiösen Gründen[13] nannte Kılıç im Juni 2012 „einen Denkanstoß, der der Justiz in einem säkularen Staat durchaus zukommt“ und appellierte an die Religionsgemeinschaften, sich an der gesellschaftlichen Diskussion darüber zu beteiligen, ob es nicht sinnvoll wäre, mit Beschneidungen bis zur Religionsmündigkeit der Jungen abzuwarten. In Bezug auf seine eigenen Söhne äußerte er, es könne besser sein, wenn sie in späteren Jahren selbst entscheiden dürften, ob sie das Merkmal der muslimischen Religion tragen wollen oder nicht. Im Petitionsausschuss des Bundestages beschäftige man sich damit, ob man Pferde brandmarken müsse oder ob es nicht mildere Verfahren gäbe. Daher müsste die Frage nach der Beschneidung kleiner Jungen auch kein Tabu sein.[14] Kritik von religiöser Seite, ein gesetzliches Beschneidungsverbot würde jüdisches oder muslimisches Leben in Deutschland in Zukunft unmöglich machen, wies Kılıç zurück. Dies sei eine „große Keule“, mit der die Debatte über die Zulässigkeit der Beschneidung abgewürgt werden solle.[15] Kilic unterstützte einen fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf (17/11430), den eine Gruppe von über 50 Bundestagsabgeordneten am 8. November 2012 einbrachte.[16] Anlässlich der Proteste in der Türkei 2013 forderte Kılıç gemeinsam mit Cem Özdemir und anderen Politikern der Grünen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in einem offenen Brief auf die Gewalt zu beenden und Meinungsfreiheit in der Türkei zuzulassen. „Diese sinnlose Gewalt gegenüber Menschen, die friedlich ihre Bürgerrechte wahrnehmen, muss ein Ende haben. Die gewählte Regierung eines demokratischen Landes, das sich um einen Beitritt zur Europäischen Union bemüht, sollte dies nicht anders sehen und schon gar nicht Gewalt gegen ihre Bürger achselzuckend hinnehmen oder diese gar veranlassen.“[17] Gegen Memet Kılıç ist Mitte Dezember 2019 ein Prozess wegen „Präsidentenbeleidigung“ begonnen worden, gegen ihn wurde von einem Richter in Ankara ein Fahndungsbefehl erlassen. Erdogans Anwälte verlangen seine Festnahme in Deutschland. Die Oberstaatsanwaltschaft bezeichnet in ihrer Anklageschrift mehrere Aussagen von Kiliç in einem Interview mit der türkischen Internetzeitung „ABC Gazatesi“ aus dem Juli 2017 als „beleidigend“ für das türkische Staatsoberhaupt. In dem Interview hatte Kiliç unter anderem gesagt: „Der Schaden, den Erdogan der Türkei zugefügt hat, ist untragbar.“ Und: „Ich bin als Politiker mit türkischen Wurzeln sehr traurig darüber, dass mein Land in diese Lage gebracht wurde und bezeichne diejenigen, die es in diese Lage gebracht haben, als Vaterlandsverräter“[18]. Veröffentlichungen (Auswahl)Juristische Fachbuchbeiträge
Juristische Zeitschriftenaufsätze
Nachweise
WeblinksCommons: Memet Kılıç – Sammlung von Bildern
|