Die Melainabacteria (Melainabakterien), auch Vampirovibrionia genannt,[4] sind ein mit den Cyanobakterien verwandtes Phylum (botanischAbteilung, zoologischStamm), die früher auch als ACD20-Gruppe bezeichnet wurde.[5]
Melainabakterien wurden im menschlichen Darmtrakt und in verschiedenen aquatischen Lebensräumen wie dem Grundwasser und in Quellen gefunden.
Durch die Analyse der Genome von Melainabakterien sind Vorhersagen über ihre Zellstruktur und die Stoffwechselfähigkeiten möglich, auch bevor man diese isolieren und mikroskopieren kann.
Diese Organismen scheinen verschiedene Kohlenstoffquellen zu fermentieren, um Wasserstoff, Ethanol, Acetat oder Laktat zu erzeugen.[6]
Diese Bakterien werden als den Cyanobakterien nahestehend betrachtet und bilden wahrscheinlich eine basale Gruppe, da sie keine Photosynthese betreiben.[7]
Bei ihrer Entdeckung in menschlichen Fäkalproben wurden sie zunächst für eine seltene Form von Cyanobakterien gehalten, die unerwartet im menschlichen Verdauungstrakt vorkommt.
Stoffwechselvorhersagen auf Grund der Genomanalysen ergaben aber, dass die Photosynthesemaschinerie fehlt und der Stoffwechsel obligat (ausschließlich) auf Fermentation beruht.
Die Melainabakterien werden heute daher als Schwesterstamm der Cyanobakterien angesehen.[8]
Etymologie
Melainabacteria: Das Taxon ist benannt nach Melaina (griechischΜέλαινα), einer der Nymphen in der griechischen Mythologie, die nach der Legende über dunkle unterirdische Aspekte wacht. Ihr Name verweist darauf, dass die Melainabacteria ein Taxon von Bakterien sind, die in der Dunkelheit vorkommen.[9][10]
Vampirovibrionia: Der Name ist abgeleitet von neulateinischvampirum‚Vampir‘ und lateinischvibrare‚sich wellenförmig bewegen, hin- und herbewegen, vibrieren, zittern‘ bzw. neulat. vibrium‚etwas, das sich wellenförmig bewegt, …, zittert‘, vgl. Bakteriengattung Vibrio (Vibrionen). Die Bezeichnung meint also sich vampirartig verhaltende Bakterien mit vibrionenartiger Gestalt.[11]
Beschreibung
Die Zellen der Melainabakterien ähneln denen der Cyanobakterien darin, dass sie von zwei Membranen (einer äußeren Zellwand und der darunterliegenden eigentlichen Zellmembran) umgeben ist (didermisch), und daher gramnegativ sind.
Sie unterscheiden sich von den Cyanobakterien dadurch, dass die meisten Vertreter Geißeln und damit Bewegungsfähigkeit (Motilität) besitzen; nur einigen Mitgliedern (z. B. die der OrdnungGastranaerophilales) fehlt dieses Merkmal.[12]
Melainabakterien sind im Unterschied zu den Cyanobakterien dafür nicht in der Lage, Photosynthese zu betreiben, sondern gewinnen ihre Energie durch Gärung (Fermentation).
Genomanalysen von Melainabakterien, die aus dem Grundwasser isoliert wurden, deuten darauf hin, dass diese Organismen wie viele Cyanobakterien in der Lage sind, Stickstoff zu fixieren.[3]
Melainabakterien haben keine verknüpften Elektronentransportketten, verfügen aber über mehrere Methoden zur Erzeugung eines Membranpotentials, das dann über ATP-SynthaseATP (Adenosintriphosphat) produzieren kann.
Zumindest die im Grundwasser vorkommenden Vertreter sind aufgrund von Genomanalysen in der Lage, Fe-Hydrogenasen zur H2-Produktion zu nutzen, die von anderen Mikroorganismen verbraucht werden können.[3]
Melainabakterien aus dem menschlichen Darm synthetisieren auch mehrere B- und K-Vitamine, woraus sich schließen lässt, dass diese Bakterien für ihren Wirt von Nutzen sind, wenn sie zusammen mit Pflanzenfasern verzehrt werden.[3][7]
Spezies „Ca. G. phascolarcticola“ corrig. Soo et al. 2014et al. 2014(L) (mit Verschreiber „Ca. G. phascolarctosicola“ (G,N)) – unbeweglich[12]der Name bedeutet „versteckt im Bauch eines Koalas“
Spezies „Ca. G. termiticola“ Utamiet al. 2018(L) (alias „Ca. G. sp. (ex Termes propinquus)“ (N)) – der Name bedeutet „lebend im Termitendarm“
ohne Familien- oder Gattungszuweisung:
Spezies „Ca. Gastranaerophilales bacterium HUM_1“ bis „23“(N)[17]
Die Zuordnung von ACD20 ist unsicher, manche Autoren identifizieren die ACD20-Gruppe s. s. mit der Ordnung Caenarcaniphilales (Monchamp, 2019);[16] andere sehen ACD20 in der Ordnung Gastranaerophilales (Soo, 2015).[12]
Phylogenetische Beziehungen
Neuere molekulare Analysen haben in etwa die folgenden Verwandtschaftsbeziehungen ergeben, einschließlich anderer Kladen, deren Beziehungen unsicher waren.[21][12][22][23][24]
Manche Autoren verwenden abweichend der Begriff Cyanobakterien bzw. Cyanobacteria sensu lato für die gesamte Cyanobacteria/Melainabacteria-Gruppe verwendet, während die Photosynthese betreibenden Cyanobakterien sensu stricto dann als Oxyphotobacteria bezeichnet werden;[13]
für die nicht photosynthetischen Vertreter der wird dann im Englischen auch die informelle (nicht-taxonomische) Bezeichnung „non-photosynthetic cyanobacteria“ (NCY)[16] oder „dark cyanobacteria“[21] benutzt.
Die Trennung der beiden Linien (Melainabacteria und Cyanobacteria) erfolgte vermutlich vor ca. 3,5 Milliarden Jahren.[27]
Vor 2,5–2,6 Milliarden Jahren erwarben dann offenbar die Melainabakterien Geißeln,[28][3][12]
und die andere Gruppe die Fähigkeit zur Photosynthese.[3][29]
Im Laufe ihrer Evolutionsgeschichte haben später einige der Melainabacteria anscheinend ihre Geißeln wieder verloren,[12]
während die Cyanobakterien dann erst vor 2,5 bis 2,4 Milliarden Jahren so viel Sauerstoff produzierten, dass es zur Großen Sauerstoffkatastrophe (englischGreat Oxygenation Event, GOE) kam. Die Anfänge der sauerstoffproduzierenden Cyanobakterien liegen demnach gut 300 Millionen Jahre vor dem GOE[27][30] (Nachlauf-Theorie).
Möglicherweise ist die Photosynthese sehr alt und stammt schon aus der Anfangszeit des Lebens. Vampirovibrionia, Sericytochromatia, Margulisbacteria usw. hätten dann die Photosynthese sekundär wieder verloren.[31]
Einzelnachweise
↑ ab
Blake T. Hovde, Seth A. Steichen, Shawn R. Starkenburg, Judith K. Brown: Vampirovibrio chlorellavorus draft genome sequence, annotation, and preliminary characterization of pathogenicity determinants. Phycological Research, Band 68, Nr. 1, S. 23–29, 17. Juli 2019, doi:10.1111/pre.12392
↑ abcdefSara C. Di Rienzi, Itai Sharon, Kelly C. Wrighton, Omry Koren, Laura A. Hug, Brian C. Thomas, Julia K. Goodrich, Jordana T. Bell, Timothy D. Spector, Jillian F. Banfield, R. E. Ley: The human gut and groundwater harbor non-photosynthetic bacteria belonging to a new candidate phylum sibling to Cyanobacteria. In: eLife. 2. Jahrgang, 1. Oktober 2013, S.e01102, doi:10.7554/eLife.01102, PMID 24137540, PMC 3787301 (freier Volltext) – (elifesciences.org).
↑ ab
Rochelle M. Soo, Connor T. Skennerton, Yuji Sekiguchi, Michael Imelfort, Samuel J. Paech, Paul G. Dennis, Jason A. Steen, Donovan H. Parks, Gene W. Tyson, Philip Hugenholtz: An expanded genomic representation of the phylum cyanobacteria. In: Genome Biol Evol. 6. Jahrgang, Nr.5, 2. Mai 2014, S.1031–1045, doi:10.1093/gbe/evu073, PMID 24709563, PMC 4040986 (freier Volltext) – (oup.com).
↑ abcdefghijklmno
Rochelle M. Soo, Ben J. Woodcroft, Donovan H. Parks, Gene W. Tyson, Philip Hugenholtz: Back from the dead; the curious tale of the predatory cyanobacterium Vampirovibrio chlorellavorus. In: PeerJ, Band 3, 21. Mai 2015, e968, doi:10.7717/peerj.968, PMID 26038723, PMC 4451040 (freier Volltext). Siehe insbes. Fig. 1
↑ abcdefghMarie-Eve Monchamp, Piet Spaak, Francesco Pomati: Long Term Diversity and Distribution of Non-photosynthetic Cyanobacteria in Peri-Alpine Lakes, in: Front Microbiol., Band 9, Nr. 3344, 14. Januar 2019, doi:10.3389/fmicb.2018.03344, PMC 6340189 (freier Volltext), PMID 30692982.
↑
Qiyun Zhu, Uyen Mai, Rob Knight et al.: Phylogenomics of 10,575 genomes reveals evolutionary proximity between domains Bacteria and Archaea, in: Nature Communications, Band 10, Nr. 5477, 2. Dezember 2019, doi:10.1038/s41467-019-13443-4 (englisch). Siehe insbes. Fig. 1.
↑ ab
G. P. Fournier, K. R. Moore, L. T. Rangel, J. G. Payette, L. Momper, T. Bosak: The Archean origin of oxygenic photosynthesis and extant cyanobacterial lineages, Band 288, Nr. 1959, 29. September 2021, doi:10.1098/rspb.2021.0675, PMID 34583585
↑
P. M. Shih, J. Hemp, L. M. Ward, N. J. Matzke, W. W. Fischer: Crown group Oxyphotobacteria postdate the rise of oxygen. In: Geobiology. 15. Jahrgang, Nr.1, 15. Januar 2017, S.19–29, doi:10.1111/gbi.12200, PMID 27392323. Epub 8. Juli 2016.
↑
Rochelle M. Soo et al.: On the origins of oxygenic photosynthesis and aerobic respiration in Cyanobacteria. In: Science. 355. Jahrgang, Nr.6332, 2017, S.1436–1440, doi:10.1126/science.aal3794.