Große SauerstoffkatastropheDie Große Sauerstoffkatastrophe (GOE, nach englisch great oxygenation event) war der Anstieg der Konzentration von molekularem Sauerstoff (O2) in flachen Gewässern und der Atmosphäre um mehrere Größenordnungen in relativ kurzer Zeit vor etwa 2,4 Milliarden Jahren, an der Archaikum-Proterozoikum-Grenze, als die Erde halb so alt war wie jetzt. In der Entwicklung der Erdatmosphäre stellt die Große Sauerstoffkatastrophe den Übergang von der zweiten zur dritten Atmosphäre dar. Einige der damals sämtlich anaeroben Lebewesen erzeugten Sauerstoff als giftiges Abfallprodukt der Photosynthese, wahrscheinlich bereits seit vielen hundert Millionen Jahren. Aber zunächst hielten leicht oxidierbare Stoffe vulkanischen Ursprungs (Wasserstoff, Kohlenstoff, Schwefel, Eisen) die O2-Konzentration sehr niedrig, unter 0,001 % des heutigen Niveaus (10−5 PAL, englisch present atmospheric level), wie charakteristische Verhältnisse von Schwefelisotopen belegen. In dieser Zeit änderte sich die Farbe der Erde von basaltschwarz zu rostrot. Abnehmender Vulkanismus, der Verlust von Wasserstoff ins Weltall und eine Zunahme der Photosynthese führten dann zum GOE, das heute als Periode mit mehrfachem Anstieg und Abfall der O2-Konzentration verstanden wird. Dem GOE folgten unmittelbar eine Vereisung des Planeten, weil das Treibhausgas Methan und Ablagerungen großer Mengen organischen Materials unter oxidierenden Bedingungen schneller abgebaut wurden, siehe Lomagundi-Jatuli-Isotopenexkursion. Die δ13C-Werte deuten auf eine Menge freigesetzten Sauerstoffs entsprechend dem 10- bis 20-fachen des jetzigen O2-Inventars der Atmosphäre. Anschließend fiel die O2-Konzentration für lange Zeit auf mäßige Werte, wahrscheinlich meist unter 10−3 PAL, um erst vor weniger als 1 Mrd. Jahren wieder anzusteigen, was schließlich vielzelliges Leben ermöglichte. AblaufDie Uratmosphäre der Erde enthielt freien Sauerstoff (O2) allenfalls in sehr geringen Konzentrationen. Vor vermutlich etwa 3,2 bis 2,8 Milliarden Jahren entwickelten Mikroorganismen, nach gegenwärtigen Kenntnissen Vorläufer der heutigen Cyanobakterien, aus einer einfacheren Photosyntheseform eine neue, bei der im Gegensatz zur älteren Form O2 als Abfallprodukt entsteht und die deshalb als oxygene Photosynthese bezeichnet wird. Dadurch wurde O2 in beträchtlichen Mengen in den Ozeanen gebildet, sowohl vor als auch nach der Großen Sauerstoffkatastrophe. Es gab jedoch einen wesentlichen Unterschied: Vor der Großen Sauerstoffkatastrophe wurde der gebildete Sauerstoff in der Oxidation von organischen Stoffen, Schwefelwasserstoff und gelöstem Eisen (als zweiwertiges Eisen-Ion Fe2+ vorliegend) vollständig gebunden. Der GOE war der Zeitpunkt, an dem diese Stoffe, vor allem Fe2+, weitgehend oxidiert waren und der Neueintrag dieser Stoffe den gebildeten Sauerstoff nicht mehr vollständig binden konnte. Der überschüssige freie Sauerstoff begann sich nun im Meerwasser und in der Atmosphäre anzureichern. Man nimmt mehrheitlich an, dass zwischen dem Auftreten der oxygenen Photosynthese mit der damit verbundenen Produktion von O2 und dem Beginn der Anreicherung von freiem Sauerstoff eine lange Zeit verging, weil große Mengen an mit O2 oxidierbaren Stoffen vorhanden waren und aus Verwitterung und Vulkanismus nachgeliefert wurden, das gebildete O2 also sogleich gebunden wurde. Die Oxidation von Fe2+ zu dreiwertigen Eisen-Ionen Fe3+ führte zur Ablagerung von Bändererz (Banded Iron Formation), wo Eisen hauptsächlich in Form von Oxiden, nämlich Hämatit Fe2O3 und Magnetit Fe3O4 vorliegt. In alten Kontinentschilden, die in der langen Zeit relativ wenig tektonisch verändert wurden, sind solche Bändererze bis heute erhalten, beispielsweise Hamersley Basin (Westaustralien), Transvaal Craton (Südafrika), Animikie Group (Minnesota, USA). Sie sind global die wichtigsten Eisenerze. Sauerstoff begann erst kurz (etwa 50 Mio. Jahre) vor dem GOE in der Atmosphäre zu verbleiben.[3][4] Theorie des späten Erscheinens der oxygenen PhotosyntheseDieser Theorie zufolge entwickelten sich die phototrophen Sauerstoffproduzenten erst unmittelbar vor dem größeren Anstieg der atmosphärischen Sauerstoffkonzentration. Die Theorie stützt sich auf die massenunabhängige Fraktionierung von Schwefel-Isotopen, der man eine Indikator-Funktion für Sauerstoff zuschreibt.[5] Bei dieser Theorie muss die Zeitspanne zwischen der Evolution oxygen photosynthetischer Mikroorganismen und dem Zeitpunkt des O2-Konzentrationsanstiegs nicht erklärt werden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass der Sauerstoffindikator fehlinterpretiert wurde. Im Verlauf des vorgeschlagenen Zeitversatzes der oben genannten Theorie fand ein Wechsel von massenunabhängiger Fraktionierung (MIF) zu einer massenabhängigen Fraktionierung (MDF) von Schwefel statt. Es wird angenommen, dass dies das Ergebnis des Auftauchens von Sauerstoff O2 in der Atmosphäre war. Sauerstoff hätte die MIF verursachende Photolyse von Schwefeldioxid unterbunden. Dieser Wechsel von MIF zu MDF der Schwefel-Isotope hätte auch von einem Anstieg glazialer Verwitterung verursacht worden sein können. Ebenso in Frage kommt eine Homogenisierung der marinen Schwefelvorkommen als Ergebnis eines vergrößerten Temperaturgradienten während der Huronischen Vereisung.[5] Nachlauf-TheorieUnter dem Nachlauf (der bis zu 900 Mio. Jahre betragen haben könnte) versteht man den Zeitversatz zwischen dem Zeitpunkt, an dem die Sauerstoffproduktion photosynthetisch aktiver Organismen startete, und dem (in geologischen Zeiträumen) schnellen Anstieg atmosphärischen Sauerstoffs vor ca. 2,5 bis 2,4 Milliarden Jahren. Mit Hilfe einer Reihe von Hypothesen wird versucht, diesen Zeitversatz zu erklären. Tektonischer AuslöserDieser Theorie zufolge wird der Zeitversatz damit erklärt, dass der Sauerstoffanstieg auf tektonisch bedingte Veränderungen der „Anatomie“ der Erde warten musste. Es war das Erscheinen von Schelfmeeren, wo reduzierter Kohlenstoff die Sedimente erreichen und dort abgelagert werden konnte.[7] Daneben wurde der neu produzierte Sauerstoff zunächst in verschiedenen Oxidationen im Ozean gebunden, in erster Linie in einer Oxidation von zweiwertigem Eisen. Für dieses Phänomen gibt es Belege in älteren Gesteinsformationen, nämlich große Mengen Bändererze, die offensichtlich durch die Eisenoxidation abgelagert wurden. Unter diesen Bändererzen finden sich heute sehr wichtige kommerziell abbaubare Eisenerze. NickelmangelChemosynthetische Organismen waren eine Methan-Quelle. Methan war aber eine Falle für molekularen Sauerstoff, denn Sauerstoff oxidiert Methan im Beisein von UV-Strahlung ohne weiteres Zutun zu Kohlendioxid und Wasser. Heutige methanbildende Mikroben benötigen Nickel als Koenzym. Als sich die Erdkruste abkühlte, wurde die Nickel-Zufuhr und damit die Methan-Produktion reduziert, was erlaubte, dass Sauerstoff die Atmosphäre dominierte. In der Zeit von 2,7 bis 2,4 Milliarden Jahren vor heute nahm die abgelagerte Nickelmenge stetig ab; sie lag ursprünglich beim 400-fachen des heutigen Niveaus.[8] Folgen der Großen SauerstoffkatastropheDer steigende Sauerstoffgehalt in den Ozeanen hat möglicherweise einen großen Teil der obligat anaeroben Organismen ausgelöscht, die zu dieser Zeit die Erde bevölkerten.[9] Der Sauerstoff war für obligat anaerobe Organismen tödlich und für das wahrscheinlich größte Massenaussterben wesentlich verantwortlich. Bei nicht an O2 angepassten Lebewesen bilden sich im Zuge ihres Stoffwechsels Peroxide, die sehr reaktiv sind und lebenswichtige Bestandteile der Lebewesen beschädigen. Vermutlich entwickelten Lebewesen während der Zeit, als zwar O2 gebildet, aber stets in Oxidationen verbraucht wurde, Enzyme (Peroxidasen), welche die sich bildenden Peroxide zerstören, so dass die Giftwirkung des O2 ausgeschaltet wurde. Der Umwelteinfluss der Großen Sauerstoffkatastrophe war global. Die Anreicherung von Sauerstoff in der Atmosphäre hatte drei weitere schwerwiegende Konsequenzen:
Hinweise auf freien Sauerstoff vor der Großen SauerstoffkatastropheEs gibt Hinweise darauf, dass es bereits vor dem GOE Episoden mit O2-Partialdrücken von mindestens einem 3000stel des heutigen Niveaus gegeben haben muss. So zeigen ca. 3 Mrd. Jahre alte Paläoböden und Evaporite in Südafrika starke Anzeichen für Sauerstoffverwitterung. Dies könnte ein Hinweis auf zu dieser Zeit entstehende Photosynthese betreibende Protocyanobakterien sein.[12] Weblinks
Literatur
Einzelnachweise
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