Ludwig von Tiedemann

Ludwig von Tiedemann

Ludwig Alexander Erdmann von Tiedemann (* 17. November 1841 in Russoschin (heute polnisch Rusocin) bei Danzig; † 2. März 1908 in Wannsee bei Berlin) war ein deutscher Architekt und preußischer Baubeamter. Er wirkte als Universitätsarchitekt in Halle (Saale), später beim preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Berlin und zuletzt bei der Bezirksregierung Potsdam.

Herrenhaus in Russoschin, um 1800 erbaut, Stammsitz der Familie von Tiedemann
Letzter Wohnsitz von Tiedemanns in der Tristanstraße 8 in Berlin-Nikolassee

Persönliches

Ludwig von Tiedemann wurde am 17. November 1841 als fünftes von sieben Kindern des Russoschiner Rittergutseigentümers Carl Ludwig Gustav Adolf von Tiedemann (1804–1867) und seiner Ehefrau Alexandrine Franciska Friederike geb. von Selchow (1814–1874) in Russoschin geboren. Er heiratete am 14. August 1875 in Friedrichroda Maria von Stuckrad (1852–1929), Tochter der Mathilde Marchand und des Offiziers und Strafanstaltdirektors Heinrich von Stuckrad, mit der er sechs Kinder hatte. Er starb am 2. März 1908 in Wannsee bei Berlin, heute Berlin-Wannsee.[1] Sein dortiger letzter Wohnsitz war das 1905/1906 für ihn erbaute Haus Tristanstraße 8 in der Villenkolonie Nikolassee,[2] 1943/1944 wohnte dort der Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg.[3]

Werk

Nach Abitur am Marienstiftsgymnasium in Stettin und Studium an der Berliner Bauakademie in der Zeit von 1862 bis 1870 wirkte Ludwig von Tiedemann in den 1870er und 1880er Jahren als Architekt vorwiegend in Halle. Einige von ihm in dieser Zeit für die dortige Universität errichtete Bauten wurden restauriert und dienen unverändert ihrer ursprünglichen Bestimmung, wie das 1878–1880 errichtete Gebäude der Anatomie.[4]

Das für die Universität Halle nach seinem Entwurf von 1878 bis 1880 errichtete Bibliotheksgebäude folgt dem Vorbild des Gebäudes der Bauakademie in Berlin,[5] ebenso wie das 1878 für die Reichsbank in Halle erbaute Gebäude.

In den 1890er Jahren entwarf er die heutigen alten Kliniken der Medizinischen Universität in Breslau.[6]

In den 1890er Jahren verlegte Tiedemann sein Tätigkeitsfeld in den Raum Berlin. Dort und in Potsdam errichtete er eine Reihe von Kirchen in historistischer Architektur, zumeist als Backsteinbauten in neugotischen oder neuromanischen Formen mit charakteristischen Fassadenabschnitten aus Feldsteinen oder Kalksteinen. Ähnliche Kirchenbauten nach seinen Entwürfen sind in den ehemaligen preußischen Provinzen Westpreußen und Posen erhalten, so in Zoppot, Grätz, Opalenitza, Seeheim und Kranz (Kręcko / Kr. Meseritz) sowie stark verändert in Oberstdorf (Landkreis Oberallgäu).

Weitere von ihm entworfene Kirchenbauten in Potsdam-Babelsberg (Bethlehemkirche auf dem Neuendorfer Anger, erbaut 1898/1899, 1941/1945 schwere Kriegsschäden, 1952 gesprengt[7]), Danzig-Schidlitz (Heilandskirche, erbaut 1901, 1945 schwere Kriegsschäden, später abgerissen) und Storchnest (erbaut 1900, nach 1945 ungenutzt, in den 1970er Jahren abgerissen)[8] sind nicht mehr vorhanden.

Bauten

Halle (Saale)

  • 1875–1886: Klinikbauten mit Krankenhauskapelle, Magdeburger Straße 22
  • 1877: Eigenes Wohnhaus in der August-Bebel-Straße 17 (mit Friedrich Kuhnt)[9]
  • 1878–1880: Anatomie, Große Steinstraße 52
  • 1878–1880: Bibliotheksgebäude der Universität Halle, August-Bebel-Straße 13 (heute Magazingebäude der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt)
  • 1878: Ehem. Reichsbankgebäude, An der Waisenhausmauer 12[10][11]

Breslau

  • Ende 19. Jahrhundert: Gebäude der Alten Kliniken der Medizinischen Universität

Großraum Berlin

Potsdam und Umgebung

Zoppot

  • 1899–1901: Evangelische Erlöserkirche (mit Arthur Kickton; nach 1945: katholische Garnisonskirche St. Georg)

Grätz

Seeheim

  • 1896–1897: Evangelische Kirche (seit 1935: katholische Kirche St. Teresa)

Kranz (Kr. Meseritz)

  • 1880: Evangelische Kirche Kranz (nach 1945: katholische Kirche „Von der Verklärung des Herrn“)

Opalenitza

Oberstdorf

  • 1905–1906: Evangelische Christuskirche (1955/56 grundlegend umgebaut und erweitert)[22]

Schriften

  • Das landwirtschaftliche Bauwesen. Handbuch zum Entwerfen, Construiren, Veranschlagen und Ausführen landwirthschaftlicher Gebäude für Bautechniker und Landwirthe. Hofstetter, Halle (Saale) 1882.
  • Die Universitätsbibliothek in Halle a. d. S. In: Zeitschrift für Bauwesen. Nr. 7, 1885, Sp. 331–344 (zlb.de).

Literatur

  • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Alter Adel und Briefadel. 1930, Justus Perthes, Gotha 1929 (Stammreihe).
  • Anton Bettelheim (Hrsg.): Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 1908, XIII. Band, Druck und Verlag Georg Reimer, Berlin 1909, S. 94. Totenliste 1908
  • Lothar Krüger: Ludwig v. Tiedemann †. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. Nr. 21, 1908, S. 155–156 (zlb.de).
Commons: Ludwig von Tiedemann – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Alter Adel und Briefadel. 1922, 16. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1921, S. 896.
  2. Wannsee-Dreieck – das Wagnerviertel: Tristanstraße (Memento vom 9. Mai 2017 im Internet Archive) schroederniko.de
  3. Wohnhaus Graf Schenk von Stauffenberg. berliner-stadtplan.com.
  4. medizin.uni-halle.de (PDF)
  5. ib.hu-berlin.de (PDF; 3,1 MB)
  6. wroclaw.pl
  7. neuendorfer-kirche-potsdam.de
  8. osieczna.pl
  9. ferienwohnungen-halle.de
  10. Zeitschrift für Bauwesen, Jahrgang XLI, 1891, Heft VII bis IX, Buchdruckerei des Waisenhauses, Halle a. S. 1891, S. 305.
  11. Werner Freitag, Katrin Minner: Geschichte der Stadt Halle. Halle im 19. und 20. Jahrhundert, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2006, S. 158.
  12. Dorfkirche Schildow
  13. Evangelische Kirchen Liebenthal
  14. kirche-bohnsdorf.de
  15. kirchenbau-dokumentation.de
  16. evkirchepotsdam.de
  17. Andreas Kitschke: Die Kirchen der Potsdamer Kulturlandschaft, Lukas Verlag, Berlin 2017, S. 239. ISBN 978-3-86732-248-5.
  18. deutsche-digitale-bibliothek.de
  19. oberlinhaus.de
  20. pnn.de Kirche Uetz/
  21. Swjozefopalenica/ Historia 2.
  22. oberstdorf-evangelisch.de