Liebling Kreuzberg ist eine Fernsehserie der ARD, die in fünf Staffeln mit insgesamt 58 Folgen erstmals von 1986 bis 1998 gesendet wurde.
Die Drehbücher der Staffeln eins bis drei und fünf stammen von Jurek Becker, der seinem Freund Manfred Krug die Rolle des eigenwilligen Berliner Anwalts Robert Liebling auf den Leib schrieb. Die der vierten Staffel wurden von Ulrich Plenzdorf verfasst. Regie führten Heinz Schirk (erste Staffel), Werner Masten (zweite bis vierte Staffel) und Vera Loebner (fünfte Staffel). Die Serie wurde vom SFB, NDR und WDR produziert. Die Musik der ersten Staffel stammt von Hans-Martin Majewski, in den späteren Staffeln von Klaus Doldinger.
Die namensgebende Hauptfigur Robert Liebling (* 12. Juni 1939) ist ein Rechtsanwalt und Notar, der seine Kanzlei im Berliner Bezirk Kreuzberg hat. Er trägt in den ersten vier Staffeln einen Dreitagebart, einen Anglerhut, fährt Motorrad (zuerst eine Honda, dann eine BMW) und Cabrios, in der vierten Staffel einen Mercedes-Benz Baureihe 124, in der fünften Staffel dann einen Mercedes-Benz W111, raucht Zigarren und konsumiert in großen Mengen Götterspeise, die ihm seine Sekretärinnen Paula (Corinna Genest) und Senta (Anja Franke) stets bereithalten müssen. Mitunter hat Liebling mehrere Freundinnen gleichzeitig, was nicht selten zu Schwierigkeiten führt. Während er selbst solche Dinge ziemlich locker nimmt, reagiert er mit Eifersucht, wenn eine seiner Liebschaften in die Nähe der Untreue rückt.
Liebling nimmt prinzipiell nur Fälle an, die ihn interessieren. In der ersten Folge der ersten Staffel erklärt er, dass er ein von seinem Vater ererbtes Immobiliengeschäft verkauft hat und nun in seiner Eigenschaft als Notar alle daraus entstehenden Kaufverträge beurkundet. Dies sichert ihm eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit, so dass er es sich leisten kann, Arbeit möglichst zu umgehen. Viel lieber geht er tagsüber an der Spree spazieren oder schläft in seinem Büro. Von der dennoch anfallenden Arbeit delegiert Liebling möglichst viel an seine Sozii. In den ersten drei Staffeln ist dies Michael Kausch in der Rolle des aus Sindelfingen stammenden Dr. Giselmund Arnold, der zuvor zwei Jahre in Stuttgart gearbeitet hat, in der fünften Staffel Stefan Reck als Dr. Bruno Pelzer. Sie sind idealistischer, gleichzeitig aber auch konventioneller und insofern als Antagonisten des pragmatischen, aber eigenwilligen Liebling angelegt. Nicht zuletzt aus diesem Gegensatz resultiert ein Großteil des Dialogwitzes der Serie. Der Widerspruch ist indes häufig nur ein scheinbarer, weil Liebling auch selbst idealistische Züge hat. In der vierten Staffel wird Liebling selbst Partner in der Kanzlei von Isolde „Issi“ Isenthal, die von Jenny Gröllmann verkörpert wird. Zwischen ihr und Liebling kommt es häufiger zu Gesprächen über das unterschiedliche Rechtsverständnis der beiden deutschen Staaten und Probleme der Nachwendezeit.
Die einzelnen Episoden behandeln meist kleinere Rechtsstreitigkeiten, die den Laien häufig mit unerwarteten Rechtstatbeständen konfrontieren. Im parallelen Handlungsstrang sind Lieblings Freundinnen ein tragendes Thema. In den frühen Folgen wechseln die Beziehungen meist rasch, während in späteren Episoden die Spannung durch den beruflichen oder privaten Hintergrund der Frauen entsteht. In der ersten Staffel sind die Liebschaften Dodo (gespielt von Almut Eggert) und Anna Linder (Claudia Amm). Außerdem geht es um die Beziehung zur Exfrau Erika (Brigitte Grothum), deren neuer Freund ein Buchhändler aus Rottweil ist, sowie zur Tochter Sarah (Roswitha Schreiner). In der zweiten Staffel hat Liebling ein Verhältnis mit Lilly (Karin Eickelbaum), in der zweiten und dritten mit der Staatsanwältin Rosemarie Monk (gespielt von Diana Körner). In der vierten Staffel ist Lena Lewandowsky (Isa Jank) Lieblings Freundin, in der fünften Staffel lange Zeit die verheiratete Lola Kornhaus (Monika Woytowicz) und zum Schluss Miriam Breslauer (Johanna Liebeneiner). Eine weitere wichtige Rolle in der privaten Rahmenhandlung spielt seine chaotische und chronisch geldknappe Tochter Sarah, die in der letzten Staffel – zunächst im Geheimen – die Freundin von Lieblings Sozius Dr. Bruno Pelzer wird. Der Drehbuch-Autor Jurek Becker hat einen Cameo-Auftritt als Ex-Mann von Rosemarie Monk. Auch die familiären Hintergründe von Lieblings Sozii werden genauer beleuchtet: So werden in den ersten drei Staffeln die Eheprobleme von Giselmund Arnold thematisiert und in der vierten Staffel die Wehrdienstverweigerung von Isenthals Sohn Axel. Günter Schubert und Jörg Gudzuhn spielten in Staffel vier zwei ehemalige Flüchtlinge aus der DDR, die ihren Cadillac nach einem Unfall auszulösen versuchen und nach Kanada wollen. Um das Geld zusammenzubekommen, helfen sie in der Kanzlei als Hausmeister aus. Als Running Gag der fünften Staffel bellt Liebling mehrfach den Setter einer Nachbarin an, woraufhin diese jedes Mal bemerkt: „Was es doch für dämliche Menschen gibt.“
Seit Mitte der 1980er Jahre wurden vermehrt Vorabendserien produziert, die in West-Berlin spielten, darunter auch Praxis Bülowbogen. Die Stadt war durch die Berlin-Förderung als Fernsehproduktionsort als Drehort attraktiv, außerdem bot sie ein besonderes soziales Biotop aus verschiedensten Milieus, das es in Westdeutschland nicht gab. Die seit 1984 einsetzende Konkurrenz durch RTL und Sat.1 brachte die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten dazu, in der fiktionalen Unterhaltung stärker auf lokale und regionale Themen einzugehen, um so die Zuschauerbindung zu erhöhen.[1] Die Handlung der Folgen basiert unter anderem auf realen Fällen des mit Jurek Becker befreundeten früheren RAF-Anwalts Nicolas Becker.[2] Jurek Becker setzte nach der ersten Staffel den Wechsel des Regisseurs zu Werner Masten durch, da ihm die erste Staffel von Regisseur Heinz Schirk „zu lieblich, zu schön“ erschien. Gerade diese Staffel hatte aber in der Erstausstrahlung Einschaltquoten von bis zu 47 % erzielt.[3] Schirk verabschiedete sich in der letzten von ihm verantworteten Szene in Folge 6 mit einem wortlosen Cameo-Auftritt als Handwerker.[4] Manfred Krug und Michael Kausch hatten zuvor bereits zusammen in der Episode „Das Sylvesterbaby“ der Fernsehserie Geschichten aus der Heimat gespielt.
Zeitgeschichtliche Aspekte
Liebling Kreuzberg wurde als Zeitdokument der geteilten und später wiedervereinigten Stadt Berlin gesehen. In den Staffeln eins bis drei (1985–1989) wird die Berliner Mauer zwar nicht direkt thematisiert; sie ist jedoch häufig im Bildhintergrund präsent. In der Folge Der Beschützer klopft Liebling an die Mauer und sagt zu Arnold: „Deutsche Wertarbeit“. Im Hintergrund ist die Kirche St. Michael zu sehen. In der Folge Der Retter steigt Arnold auf die Aussichtsplattform an der Luckauer Straße Ecke Waldemarstraße. Zudem wird von Zeit zu Zeit der Viermächtestatus in Berlin erwähnt, so z. B. in Bezug auf Strafen bei illegalem Waffenbesitz.
Drehorte
In den Staffeln 1 bis 3 ist die Adresse von Lieblings Kanzlei Planufer 9452.49569444444413.418888888889 am Landwehrkanal. In der vierten Staffel (1994), deren Drehbücher von Ulrich Plenzdorf geschrieben wurden, wird der Schauplatz der Handlung in den Berliner Osten, insbesondere in die Stadtteile Berlin-Mitte (Filmkanzlei am Monbijouplatz 1252.52269444444413.399861111111; das Haus ist mittlerweile saniert) und Prenzlauer Berg verlegt, womit sich auch die Sujets der Rechtsfälle verändern. In der fünften Staffel (1997, Filmkanzlei Bevernstraße 452.501513.442083333333, Ecke Köpenicker Straße) tritt die Stadt als Thema zunehmend in den Hintergrund.
Auszeichnungen
Jurek Becker erhielt für die Episode Taschenpfändung 1989 den DAV-Pressepreis Fernsehen des Deutschen Anwaltvereins.[5][6] Heinz Schirk, Jurek Becker und Manfred Krug erhielten 1987 für die Episode Der Beschützer den Adolf-Grimme-Preis mit Gold und 1988 für die gesamte Serie den Adolf-Grimme-Preis mit Silber. 1995 bekam Ulrich Plenzdorf den Adolf-Grimme-Preis mit Bronze für die vierte Staffel.
Darüber hinaus wurde die Serie 1998 mit dem Telestar und 1990 mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Überdies wurde die Filmmusik in der Begründung des Adolf-Grimme-Preises 2005 für Klaus Doldinger explizit gewürdigt.[7]
Staffeln, Episoden und Sendezeiten
Die ersten drei Staffeln wurden montags, die vierte und fünfte dienstags, jeweils um 20:15 Uhr im ersten Programm der ARD erstmals ausgestrahlt. Seitdem wurde die Serie mehrfach in den Dritten Programmen und auf arte wiederholt.
Vorspanntitel, Staffel 1 (1986)
Vorspanntitel, Staffel 2–3 (1988–1990)
Vorspanntitel, Staffel 4 (1994)
Vorspanntitel, Staffel 5 (1998)
1. Staffel (Erstausstrahlung 17. Februar – 24. März 1986)
Liebling: Ehrengerichtsverfahren gegen Verteidiger, veranlasst von Staatsanwalt[10] Arnold: ALG-Sperre gegen Moslem wegen Verweigerung von Schlachthofarbeit beide: unzulässige Forderung eines Vermieters für Vertragsabschluss
Liebling: Körperverletzung nach Zechprellerei; Belästigung einer Kellnerin (Ria) durch eingeschriebene Briefe Arnold: Kassiber eines Häftlings; privat: Rückkehr von Frau und Kind nach Stuttgart
Liebling: Entschädigung für Schwarzbau (2); Körperverletzung nach sexuellem Übergriff auf Freundin; privat: Millionärin Nora Arnold: Geldfälschung und Strafklageverbrauch (Gumpert 2)
4. Staffel (Erstausstrahlung 4. Januar – 5. April 1994)
Folge
Titel
Themen
Gastauftritt
1
Einmal Anwalt – immer Anwalt
Liebling: Berufung gegen DDR-Urteil wegen Mordes; privat: Spielerin Lena Isenthal/Liebling: wechselseitige sexuelle Übergriffe in der Ehe (1)
2
Berlin ist ein Dorf
Liebling: Gemälde als Honorar; Unfallflucht eines afrikanischen Taxifahrers Isenthal: Nachbarschaftsstreit beide: wechselseitige sexuelle Übergriffe in der Ehe (2)
Liebling: Räuberische Erpressung einer Prostituierten durch einen Vietnamesen (2); privat: Enkel Robert Isenthal: Erpressung und Pfandkehr (2); Fahnenflucht von Sohn Axel (1)
Liebling: Unfallflucht durch Lena und Schuldunfähigkeit; Vertrag mit Lena; Ria: Betrug Isenthal: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte durch Kameramann
Liebling: Erschleichen von Wohnungszutritt durch Antiquitätenhändler; privat: Abschied von Friseurin Anja Pelzer: väterliche Strafanzeige gegen Freund des homosexuellen Sohnes
K wie Krug, K wie Kreuzbergs Liebling, Gespräch mit Manfred Krug, RIAS 1987
Bücher
Aufgrund der Drehbücher erschienen zu den Staffeln eins bis drei von Alexander Rentsch bei Droemer Knaur drei begleitende Bände in Romanform. Drei Bände zur vierten Staffel sind von Ulrich Plenzdorf unter dem Titel Liebling, Prenzlauer Berg im Aufbau-Verlag erschienen. Zur fünften Staffel liegen neun episodenweise begleitende Bände von Horst Friedrichs und Jurek Becker aus dem Ullstein-Verlag vor.
Literatur
Jens Jessen: „Genauigkeit und Seele“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. März 1990, S. 34.
Nicolas Becker: „Anwalts Liebling. Jurek Becker und die Justiz“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. März 1997, S. 33.
Martin W. Huff: „Das Bild der Fernsehanwälte“, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 36 (2003), S. 475. JSTOR:23428382
Knut Hickethier: „Die gemütliche Durchhalte-Gemeinschaft. West-Berlin in Serien des deutschen Fernsehens“, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 11 (2014), S. 337–348, Online
↑Knut Hickethier: „Die gemütliche Durchhalte-Gemeinschaft. West-Berlin in Serien des deutschen Fernsehens“, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 11 (2014), S. 337–348; S. 345.
↑Sander L. Gilman: Jurek Becker: die Biographie. Ullstein, 2002, ISBN 3-550-07559-6, S.232f. (google.de [abgerufen am 29. Mai 2021]).
↑Der Titel bezieht sich auf ein von Isenthal gekochtes Mittagessen, was sich nur aus dem Drehbuch erschließt; siehe Ulrich Plenzdorf: Liebling, Prenzlauer Berg. Ein Anwalt kommt selten allein, ISBN 3-7466-1422-8, S. 37 f.