LamangDas Lamang, Selbstbezeichnung gwàɗ làmàŋ, ist eine von etwa 50000 Personen in der Region um die Stadt Gwoza (auf Lamang gwòzò) im Nordosten Nigerias gesprochene Sprache. Sie gehört zum Biu-Mandara-Zweig innerhalb der Tschadischen Sprachen. Die Sprecher verwenden in der Regel das Hausa als Zweitsprache. Làmàŋ bedeutet eigentlich nur „unsere(-màŋ) Leute(là)“. Eine eng verwandte, in der angrenzenden Region des Kamerun gesprochene Sprache, die manchmal als ein Dialekt des Lamang angesehen wird, ist das Hdi (Xədi). LautsystemKonsonantenDas Lamang unterscheidet folgende Konsonantenphoneme:
Dazu kommen l, r, w und y. Vor e und i können die Sibilanten palatalisiert werden, so dass z. B. s und ts wie š bzw. č klingen. Dies wird im Folgenden nicht speziell notiert. VokaleMan kann sechs Vokale unterscheiden: a, e, i, o, u, ə. Gelegentlich, besonders in gewissen grammatischen Formen, können Vokale als Langvokale vorkommen (nie ə). Der Status von ə ist labil: Dieser Vokal kann oft je nach Sprechgeschwindigkeit stehen oder ausfallen, wodurch dann Konsonantengruppen entstehen:
Außerdem kommt ə nie am Wortende vor. Im Satzzusammenhang werden wortauslautende Vokale, besonders -a, häufig zu ə reduziert oder ganz abgestoßen. Auch das unpersönliche Subjektssuffix -lo „man“ wird im Satzinnern häufig zu -l. Dieses Phänomen ist bisher nicht präzise dokumentiert. TonWie alle anderen tschadischen Sprachen ist auch das Lamang eine Tonsprache. Es werden zwei Register unterschieden: Hochton (á), Tiefton (à) sowie gelegentlich ein Fallton (â). Der Ton ist allerdings in relativ weitem Umfang vorhersagbar. Im Prinzip gilt der Hochton als Default. Bestimmte Konsonanten, sogenannte „depressor consonants“, haben die Eigenschaft, den Ton aller rechts von ihnen stehenden Silben innerhalb desselben Wortes zum Tiefton abzusenken. Als depressor consonants fungieren alle stimmhaften (aber nicht glottalisierten) Plosive und Frikative. Man kann diesen Zusammenhang gut an folgenden Substantiven ablesen:
Diese Tendenz gilt besonders für Nomina. Sie ist weniger wirksam bei Verben, deren Ton mehr von der grammatischen Form als von der Natur der Konsonanten bestimmt wird, sowie auch bei Fremdwörtern, die ihren originalsprachlichen Tonverlauf beibehalten können. Auch auf Pronomina und grammatische Elemente trifft die hier angegebene Regel nicht zu. Minimalpaare von Wörtern, die sich nur durch den Ton unterscheiden, kann man im Verbalsystem finden (Beispiele unten im Abschnitt „Einfache versus abgeleitete Verben“). AkzentUnabhängig vom Ton gibt es einen Akzent (genauer: Satzakzent). Dabei wird tendenziell die vorletzte Silbe einer Äußerung hervorgehoben; dies betrifft auch isoliert gesprochene Wörter. Durch die Hervorhebung kann der Vokal verlängert und ggf. ein Tiefton angehoben werden. Beispielsweise kann ein Wort wie dùwà „Märchen“ in Isolation oder am Satzende wie dúúwà klingen. Diese Auswirkungen des Akzents werden im Folgenden ignoriert, vielmehr werden die Wörter gemäß ihrer im Kontext erforderlichen Aussprache umschrieben. Personal- und PossessivpronominaWie viele andere tschadische Sprachen unterscheidet das Lamang drei verschiedene Formen, die unserem „wir“ entsprechen, hat dafür aber keinen Genusunterschied entsprechend dem „er“ vs. „sie“ des Deutschen.
Bemerkungen:
SubstantivDas Lamang besitzt kein grammatisches Geschlecht. Substantive können eine Pluralform bilden. Diese wird seltener gebraucht als im Deutschen und ist unnötig, wenn schon aus einem anderen Wort im Satz hervorgeht, dass eine Mehrheit gemeint ist. Der Plural hat normalerweise eine Endung -xá. Vor dieser fällt ein auslautender Vokal des Substantivs oft ab. Beispiele:
Folgende vier Substantive haben unregelmäßige Pluralformen:
PossessionEs steht immer die Reihenfolge Possessum – Possessor. Der Possessor kann ein Substantiv sein (das dann keine besondere Markierung erhält) oder aber ein Possessivsuffix. An das Possessum werden zwei a-Suffixe angehängt, was sich in einem gelängt gesprochenen a äußert. Der Ton dieses langen a gleicht sich vor Possessivsuffix dem Ton dieses Suffixes an, vor Substantiv ist er jedoch in der Regel umgekehrt als der Ton der ersten Silbe desselben. Beispiele:
Ist das Possessum ein mit der Endung -xá gebildeter Plural, so tritt das erste a-Suffix zwischen Stamm und Pluralendung, und das zweite a-Suffix folgt auf die Pluralendung und verschmilzt mit ihr wiederum zu einem langen a:
Die Wörter dàdà „Vater“ und mámá „Mutter“ zeigen als Possessum Besonderheiten. Im Singular haben sie vor Possessivsuffix einen verkürzten Stamm:
Im Plural fügen sie kein -a- vor der Pluralendung ein:
AdjektivDas Adjektiv folgt seinem Substantiv. Dieses trägt dann dieselbe -aa-Erweiterung wie vor einem Possessor:
DemonstrativpronomenMan verwendet die Suffixe -na „dieser“ oder -ya „jener“, deren Ton von der vorhergehenden Silbe übernommen wird. Abhängig vom jeweiligen Substantiv kann der auslautende Vokal desselben zu ə werden oder ganz abfallen:
VerbGrundsätzlichesDie Formenbildung des Verbs basiert auf zwei Stammformen: dem Aoriststamm und dem Verbalnomen. Der Aoriststamm ist kürzer und kann als Wurzel des Verbs angesehen werden, aber das Verbalnomen dient als Zitierform. In der Formenbildung besteht eine fundamentale Unterscheidung zwischen einfachen und abgeleiteten Verben. Abgeleitete Verben sind aus einfachen Verben plus einem oder zwei (nicht mehr) Derivationssuffixen zusammengesetzt. Pluralstämme (dazu siehe unten) einfacher Verben gelten ebenfalls als einfach. Verben haben keinen lexikalischen Ton. Vielmehr wird der Ton einer Verbalform komplett durch seine grammatische Form und bei abgeleiteten Verben zusätzlich durch das Ableitungssuffix bestimmt. Einfache versus abgeleitete VerbenZur Bildung abgeleiteter Verben stehen zahlreiche Suffixe zur Verfügung, die hier nicht im Detail besprochen werden. Die Suffixe sind jeweils mit einem charakteristischen Tonverlauf assoziiert. In gewissem Maße entsprechen die abgeleiteten Verben den deutschen Verben mit Präfixen („durchschneiden“ von „schneiden“ etc.). Als Beispiel einige Ableitungen von sá „trinken“ (hier im Verbalnomen zitiert):
Und einige Ableitungen von drá „brennen“:
Verben der BewegungZu dieser Gruppe zählen die Verben lá „gehen“ und sá „kommen“. Diese werden meist – im Verbalnomen obligatorisch – mit einem von vier Suffixen erweitert, die in sehr spezieller Weise die Bewegungsrichtung angeben. Das System ist davon geprägt, dass das Sprachgebiet der Lamang sich am Westhang des Mandara-Gebirges befindet. Am Beispiel von lá „gehen“ entstehen so folgende vier Varianten, hier zitiert im Verbalnomen:
Aoriststamm versus VerbalnomenBei einfachen Verben endet der Aoriststamm immer auf -á. Vor dieser hochtonigen Endung ist der Aoriststamm meist tieftonig, jedoch sind auch durchgehend hochtonige Aoriststämme dokumentiert. Im Verbalnomen wird die Endung meist zu -ò, seltener zu -à oder -ùkù. Ein -a- des Stammes wird vor -ò zu -o- umgefärbt. Das Verbalnomen ist durchgehend tieftonig. Beispiele:
Das Verbalnomen abgeleiteter Verben hat grundsätzlich eine Endung -ta. Der Tonverlauf der abgeleiteten Verben wird weitgehend vom jeweiligen Ableitungssuffix bestimmt. Beispiele:
PluralstammJedes Verb kann einen Pluralstamm bilden, der vor allem die Pluralität des Objekts oder (bei intransitiven Verben) des Subjekts, zuweilen aber auch andere Nuancen wie eine intensivierte Handlung bezeichnet. Den Pluralstamm bildet man entweder durch Einfügen von -a- nach dem ersten Konsonanten oder, falls die Stammgestalt des Verbs dies nicht zulässt, durch Reduplikation des letzten Konsonanten. Beispiele (Formen hier im Aoriststamm ohne Tonbezeichnung angegeben):
AoristAuf der Basis der Stammformen des Aoriststammes und des Verbalnomens bildet das Lamang zahlreiche Tempusformen. Das formal einfachste Tempus ist der Aorist, der nicht auf eine bestimmte Zeitlage festgelegt ist. Er wird relativ selten verwendet. Der Aorist besteht aus dem Aoriststamm plus einem folgenden Subjekt, das nominal oder pronominal sein kann (siehe oben im Abschnitt „Personal- und Possessivpronomina“). In der 3.sg. steht das Suffix -ɗe.
PerfektDas Perfekt wird durch Verdopplung des Aoriststammes gebildet. Der erste Stamm zeigt den normalen Tonverlauf des Aorists, also einen Hochton auf dem auslautenden -á, der zweite Stamm bleibt auf diesem Hochton, sofern er nicht mit einem „depressor consonant“ beginnt. Auf den so gebildeten Perfektstamm folgt das Subjekt. In der 3.sg. erscheint kein Suffix. Beispiele:
Bei bestimmten Verben wird der erste der beiden Stämme lautlich gekürzt:
Abgeleitete Verben zeigen ihr Derivationssuffix nur nach dem ersten der beiden Stämme:
SubjunktivDer Subjunktiv zeichnet sich durch ein Präfix a- aus. Die 3.sg. hat das Suffix -ɗe. Die Form ist (bei einfachen Verben) komplett hochtonig. Die 2.sg. wird selten gebraucht, da in dieser Funktion meist der Imperativ eintritt:
Abgeleitete Verben fügen ihr Derivationssuffix nicht dem Verbalstamm, sondern dem a-Präfix an:
ImperativFür den Imperativ des Singulars gibt es zwei Bildeweisen, die sich bedeutungsmäßig offenbar leicht unterscheiden (hier nicht näher erläutert): Entweder steht der Stamm des Subjunktivs, also ein Präfix á vor dem hochtonigen Aoriststamm:
Oder (nur von nicht-abgeleiteten Verben) es steht der reine Aoriststamm mit Tiefton:
Vor dem Verbalstamm kann eines der Elemente -wà- (2.pl.), -mà- („ich + du“) oder -màwá- („ich + ihr“) eingefügt werden. Die Unterscheidung zwischen den beiden Imperativvarianten scheint dann zu verschwimmen. Folgende Formen sind dokumentiert:
An unregelmäßigen Imperativen ist zu vermerken:
ImperfektAus der Kombination des Verbalnomens mit folgendem Subjekt bildet man ein Imperfekt. Dieses steht allgemein für eine nicht-abgeschlossene Handlung ohne genaue Festlegung auf eine Zeitstufe. Die Subjektssuffixe verdrängen den auslautenden Vokal des Verbalnomens. Die 3.sg. steht ohne Suffix. Das Imperfekt kann nur von nicht-abgeleiteten Verben gebildet werden:
DurativDer Durativ hat die gleiche Form wie das Imperfekt, ist aber hochtonig. Wie das Imperfekt kann er nur von nicht-abgeleiteten Verben gebildet werden:
ProgressivDer Progressiv wird wie das Imperfekt gebildet mit einem zusätzlichen Präfix ŋ́ (das auch „in“ bedeutet)[1]. Im Gegensatz zum Imperfekt kann der Progressiv auch von abgeleiteten Verben gebildet werden.
NarrativDer Narrativ hat das Bildungsmuster gú + Subjekt + Verbalnomen. Das pronominale Subjekt der 3.sg. wird nicht bezeichnet:
gú zɗàl ŋ́ márákw ɮə̀gààtá FuturEin Futur kann man durch die Kombination des Präfixes dá- mit mehreren Tempora ausdrücken, am häufigsten dem Imperfekt:
dá allein kann man mit „gehen werden“ übersetzen: dá ŋ gàv-ì PräpositionenDas Lamang verfügt über einige Präpositionen, z. B.:
Sie können mit Pronominalsuffixen verbunden werden, die formal den Subjektssuffixen gleichen:
Es ist aber auch möglich, Präpositionen mit den selbständigen Pronomina zu kombinieren:
Häufig werden zusätzlich Körperteilnomina hinzugesetzt, wodurch weitere Ausdrucksmöglichkeiten entstehen, z. B.:
SyntaxWortstellungDie Grundwortstellung des Lamang ist Verb-Subjekt-Objekt. Damit unterscheidet sich das Lamang von den meisten anderen tschadischen Sprachen, die die Stellung Subjekt-Verb-Objekt bevorzugen. Da aber einige andere alte afroasiatische Sprachen ebenfalls verbinitial sind (z. B. Ägyptisch, Klassisches Arabisch, Biblisches Hebräisch), könnte es sich bei dieser Eigenschaft des Lamang um ein altertümliches Merkmal handeln: dzàvə́ŋdzà lə́ŋɗíyákə́ ŋ́ xóγò ŋ́ bàláá-yákwà Allerdings kann im Prinzip jedes Satzglied zur besonderen Hervorhebung vor das Verb verschoben werden. Nominales ObjektGrundsätzlich wird das direkte und das indirekte Objekt (sei es nominal oder pronominal) auf die gleiche Weise ausgedrückt. Das nominale Objekt wird oft, aber nicht immer, durch die Präposition t(ə) eingeleitet: mànáá-ɗ t xə̀gà xə̀náá-y tə́ lγə̀ŋ psá-l t úɓá Pronominales ObjektDas pronominale Objekt wird durch Elemente im Verb ausgedrückt, die oben im Abschnitt „Personal- und Possessivpronomina“ aufgeführt sind. Diese Elemente stehen an derselben Stelle, an denen auch die Verbableitungssuffixe erscheinen, also:
Was die relative Abfolge von pronominalem Objekt und Ableitungssuffixen angeht, so stehen einige Ableitungssuffixe vor, andere (und zwar die meisten) hinter dem pronominalen Objekt. Beispiele:
mànà-ná-mán-ì tə̀ nànà NichtverbalsatzBei nichtverbalem Prädikat ist im Lamang keine Kopula notwendig. Im Prinzip gilt auch hier die Reihenfolge Prädikat-Subjekt: má xgàà-ɗ mákwàà-γà ŋ́ xúɗáá lùwà ɗè ùnd rxà málà ábdù NegationDie Negation erfolgt im Prinzip durch die Partikel wó „nicht“ am Satzende:
In manchen Tempora gibt es Besonderheiten. Zum Beispiel muss im negierten Imperfekt eine Umschreibung mit dem Hilfsverb xà (eigentlich „existieren“) verwendet werden:
Auch bei adverbiellem Prädikat steht xà: xà dá ndà nèɗ wó Den Subjunktiv und den Imperativ kann man nicht mit wó negieren. Vielmehr gibt es stattdessen ein eigenes Tempus, den negativen Subjunktiv. Er hat das Suffix -tá:
Im negativen Subjunktiv ist es aber viel üblicher, abgeleitete Verben zu verwenden, also in diesem Fall etwa:
Von Bewegungsverben muss im negativen Subjunktiv eine der abgeleiteten Varianten stehen:
(Es gibt kein einfaches „komm nicht!“.) FrageIn Wortfragen steht am Satzanfang das Fragewort und am Satzende die Partikel nè: né món-kà nè wé kwàrà-ɗə́-ptà nè In Satzfragen steht am Satzende die Partikel rè: á-mt-í rê dzàŋ-ká rè WortschatzEinige Elemente aus dem Grundwortschatz (Verben sind im Aoriststamm zitiert):
Literatur
Ein Wörterbuch des Lamang existiert bisher nicht. Anmerkungen |