Karphi (griechischΚαρφίKarfi, ‚Nagel‘) ist die Bezeichnung einer spätminoischen Höhensiedlung am Westrand des bis zu 1559 Meter hohen Selena-Gebirges (Όρος Σελένα Oros Selena) auf der griechischen Insel Kreta. Die über 250 × 450 Meter große Ausgrabungsstätte auf einer Höhe von etwa 1110 Metern ist nach dem Gipfel des Berges Karfi benannt, an dem sie unmittelbar an einem Südosthang liegt.[1] Die Siedlungsreste befinden sich nordwestlich der Nisimos-Hochebene[2] (Οροπέδιο Νήσιμου Oropedio Nisimou), ungefähr 7,5 Kilometer südlich des Stadtzentrums von Malia an der Nordküste Kretas und 2,5 Kilometer nordwestlich von Tzermiado.[3]
Die schwer erkennbaren Siedlungsreste von Karphi sind mit niederer Vegetation zugewachsen und der Erosion ausgesetzt, nachdem im 20. Jahrhundert ihre Freilegung durch Archäologen erfolgte, unter anderem 1937 bis 1939 durch John Pendlebury. Dabei nimmt man an, dass nur etwa ein Drittel der ursprünglichen Bebauungsfläche ausgegraben wurde.[4] In mittelminoischer Zeit (2000 bis 1550 v. Chr.) befand sich hier wahrscheinlich ein Gipfelheiligtum.[5]
Die Entstehung der Siedlung mit einstöckigen Häusern, gepflasterten Straßen und einem Schrein mit Altar wird in die spätminoische Periode SM III C datiert, der Zeit des „Seevölkersturms“. Nahe dem Ort, in dem wohl zeitweise etwa 3500 Bewohner lebten, wurden zwei Friedhöfe mit Tholosgräbern gefunden, 17 kleine Gräber rund um die Vitzelovrysis-Quelle und 4 in der Nähe der Astividero-Quelle.
Die Menschen lebten von der Jagd, ihren Herdentieren und dem Olivenanbau unterhalb der Siedlung. Richard Wyatt Hutchinson bezeichnet die ganzjährig bewohnte Siedlung in den Bergen als Zufluchtsort, der wohl nur aus Gründen der Verteidigung gewählt wurde, da die Lebensbedingungen dort wegen des Wetters offensichtlich härter waren als in den Niederungen oder an der Küste Kretas.[4]
Die Siedlung bestand bis in die nachminoische Zeit. Sie wurde nach etwa zwei Jahrhunderten um 950 bis 900 v. Chr. aufgegeben.[4][6] In der Siedlung von Karphi gefundene Keramik ist im Raum 11 des Archäologischen Museums von Iraklio ausgestellt.[7]
Ausgrabungsstätte und Fundstück
Ostseite des Karfi
Siedlungsreste
Mauern im Westviertel
Fundstück
Literatur
H. W. Pendlebury, John D. S. Pendlebury, Mercy B. Money-Coutts: Excavations in the plain of Lasithi. III. Karphi: A city of refuge in the early iron age in Crete. Excavated by students of the British School of Archaeology at Athens, 1937–1939. In: The Annual of the British School at Athens. Nr.38 (1937/1938), S.57–145.
Mercy B. Seiradaki: Pottery from Karphi. In: The Annual of the British School at Athens. Nr.55, 1960, S.1–37.
Krzysztof Nowicki: The history and setting of the town at Karphi. In: Studi Micenei ed Egeo-Anatolici (SMEA). Nr.26, 1987, S.235–256.
B. Rutkowski: The temple at Karphi. In: Studi Micenei ed Egeo-Anatolici (SMEA). Nr.26, 1987, S.257–279.
J. Wilson Myers, Eleanor Emlen Myers, Gerald Cadogan (Hrsg.): The areal atlas of ancient Crete. University of California Press, 1992, ISBN 978-0-520-07382-1, 15 Karphi, S.116–119 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Krzysztof Nowicki: Economy of Refugees: Life in the Cretan Mountains at the Turn of the Bronze and Iron Ages. In: Angelos Chaniotis (Hrsg.): From Minoan Farmers to Roman Traders. Sidelights on the Economy of Ancient Crete. Franz Steiner, Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07621-2, S.145–171 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Leslie Preston Day: Ritual Activity at Karphi : A Reappraisal. In: A. L. D’Agata, A. van de Moortel (Hrsg.): Archaeologies of Cult: Essays on Ritual and Cult in Crete in Honor of Geraldine C. Gesell. Princeton 2009, S.137–151, JSTOR:27759937 (englisch, Hesperia. Supplement 42).
Nancy L. Klein, Kevin T. Glowacki: From Kavousi Vronda to Dreros: Architecture and Display in Cretan Cult Buildings 1200-700 B.C. In: A. L. D’Agata, A. van de Moortel (Hrsg.): Archaeologies of Cult: Essays on Ritual and Cult in Crete in Honor of Geraldine C. Gesell. Princeton 2009, S.153–167, zu Karphi S. 158/159 (englisch, tamu.academia.edu [abgerufen am 27. Dezember 2011] Hesperia. Supplement 42).
Einzelnachweise
↑Esther Widmann: Ain’t no mountain high enough: Man and the environment in the uplands of Crete from the Neolithic to the end of the Roman period. Universität Heidelberg, 2014, Lasithi Plain, S.250–253 (englisch, Digitalisat [PDF; 43,1MB; abgerufen am 27. Dezember 2016]).
↑Eberhard Fohrer: Kreta. 18. Auflage. Michael Müller Verlag, Erlangen 2009, ISBN 978-3-89953-453-5, S.317.
↑Karfi. In: crete.tournet.gr. Abgerufen am 26. Dezember 2011.
↑ abcKarphi. In: digiserve.com. 7. Juli 2008, abgerufen am 26. Dezember 2011 (englisch).
↑S. Soetens, J. Driessen; A. Sarris, S. Topouzi: The Minoan peak sanctuary landscape through a GIS approach. In: François Djindjian, Paola Moscati (Hrsg.): XIV Congress of the International Union of Prehistoric and Protohistoric Sciences (Liege - Belgium - September 2001). Commission IV. Data Management and Mathematical Methods in Archaeology. Proceedings of Symposia 1.3, 1.5, 1.8, 1.10 (= Archeologia e Calcolatori. Nr.13). All’Insegna del Giglio, Firenze 2002, ISBN 88-7814-215-8, S.161–170 (Preprint [PDF; 1,1MB; abgerufen am 26. Dezember 2011]).
↑Karphi (Site). Perseus Digital Library, abgerufen am 27. Dezember 2011 (englisch).
↑Archäologisches Museum von Heraklion. Raum 11: Subminoische und frühgeometrische Zeit (1100–800 v. Chr.). In: crete.tournet.gr. Abgerufen am 26. Dezember 2011.
Weblinks
Commons: Karphi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Karfi. In: Digital Crete: Archaeological Atlas of Crete. Foundation for Research and Technology-Hellas (FORTH), Institute for Mediterranean Studies; abgerufen am 25. Dezember 2018 (englisch).
Karphi. (PDF) Lage und Rekonstruktion. Universität Heidelberg, abgerufen am 4. Januar 2015.