Keimzelle der Fliegertruppe war die 1912 geschaffene Militärfliegerstation Oberschleißheim (heute Flugplatz Schleißheim), wo bis Ende 1913 das 1. Königlich Bayerische Kraftfahrer- und Fliegerbataillon entstand, aus dem bei Kriegsausbruch die restliche Fliegertruppe hervorging. Daneben war in der pfälzischenFestung Germersheim bis zur Mobilmachung eine Festungsfliegerabteilung stationiert, diese wurde später in die Fliegertruppe integriert.
Am 1. April 1912 wurde daraus in der Militärfliegerstation Oberschleißheim eine Fliegerkompanie gebildet. Die Kompanie bestand aus vier Offizieren, acht Unteroffizieren und 50 Mann. Am 1. Oktober 1913 wurde die Einheit zum 1. Königlich Bayerischen Kraftfahrer- und Fliegerbataillon mit Fliegerkompanie und Fliegerschule erweitert.[3] Die ersten Standardmaschinen der neu gebildeten Luftstreitkräfte wurden die von Gustav Otto gelieferten zweisitzigen Otto-Doppeldecker.[4][5]
Dem Mobilmachungsplan für das Deutsche Heer von 1913[9] entsprechend wurde das Bataillon bei Mobilisierung am 1. August 1914 aufgelöst und die Einheiten auf andere Armeeverbände aufgeteilt.[3]
Aus den an der Fliegerstation Oberschleißheim stationierten Truppen entstanden drei Feld-Fliegerabteilungen (1b, 2b und 3b) mit je sechs Flugzeugen, die auf das I., II. bzw. III. Königlich Bayerische Armee-Korps aufgeteilt und zusammen mit dem Rest des Bayerischen Heeres an die westdeutsche Grenze verlegt wurden, in der Folge wurde die Bayerische Fliegertruppe nicht mehr geschlossen eingesetzt.[7] Zudem entstand an der Fliegerstation Oberschleißheim die Flieger-Ersatzabteilung 1 b (b = bayerisch, Abkürzung: FEA I), deren Aufgabe die Ausbildung neuen Personals war.
Die in der pfälzischenFestung Germersheim stationierte Festungsfliegerabteilung wurde ebenfalls mobilisiert und kurz nach Kriegsbeginn zur Feld-Fliegerabteilung 4b umbenannt.
Bis zum Jahresende wurden zwei weitere Feld-Fliegerabteilungen aufgestellt und an die Front versetzt. In den folgenden Jahren stießen immer neue Einheiten an die Front (siehe Tabelle rechts), bis Kriegsende erreichte die Anzahl der eingesetzten Verbände 41 mit einer Stärke von insgesamt 348 Flugzeugen.[7]
Daneben wurden die Verbände zunehmend spezialisiert: Die Feld-Fliegerabteilungen des Jahres 1914 waren hauptsächlich für die Luftaufklärung konzipiert, aber sonst darauf ausgelegt, sämtliche ihnen zugewiesenen Rollen zu erfüllen. Im Verlauf des Krieges bildeten sich immer weitere andere Formen Gliederungsformen, die anderen Anforderungsprofilen Rechnung trugen, sodass die Einheiten bis 1918 ausdifferenzierter wurden: Neue Fliegerabteilungen zum Einschießen der Artillerie wurden aufgestellt, Kampf- bzw. Schutzstaffeln sollten die eigenen Beobachtungsflugzeuge schützen bzw. Gegner am Boden angreifen. Es gab dann auch bereits eigene Jagdstaffeln für den Luftkampf sowie Bomberstaffeln.[7]
Bau weiterer Fliegerstationen und -horste in Bayern
Während des Krieges wurden auf bayerischem Gebiet mehrere neue Militärflugplätze für das Ersatzheer geschaffen, hierfür bestand ein eigenes Fliegerbaubattaillon. Diese Heeresflugplätze wurden zunächst als Fliegerstation, später als Fliegerhorst bezeichnet.[10]
Unter dem Kommando der Flieger-Ersatzabteilung 1 b wurden an diesen Standorten verschiedene Militärschulen geschaffen, im März 1917 wurde die Flieger-Ersatzabteilung 2b in Fürth ausgegliedert. Die folgende Tabelle stellt die Entwicklung der Standorte im Königreich Bayern dar:
Standorte der Bayerischen Fliegertruppe im Rahmen des Ersatzheeres[10]
Daneben wurde 1917 in Grafenwöhr ein Flugplatz samt Artillerie-Flieger-Kommando aufgestellt und beabsichtigt, eine Königlich Bayerische Artillerie-Fliegerschule aufzustellen.[3]
Zudem bestand der bayerische Etappen-Flugzeugpark 6 b (später: Armee-Flugpark) bei der Armeeabteilung C.
Einsatz in den Alpen
Die Feld-Fliegerabteilung 9 b wurde nach dem Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 mit dem Deutschen Alpenkorps zur Unterstützung Österreich-Ungarns nach Tirol verlegt, aber schon im August 1915 an die Westfront abzogen. Die italienische Kriegserklärung an das Deutsche Reich erfolgte erst im 28. August 1916.[11]
Einsatz an der Ostfront
Ab Juni 1916 lag die bayerische Feldfliegerabteilung 4 b unter Hauptmann Georg Haberl (1882–1952)[12] zusammen mit der Feldfliegerabteilung 62 bei Kowel (Ukraine), um unter anderem die 11. Königlich Bayerische Infanteriedivision bei der Abwehr der Brussilow-Offensive in Wolhynien zu unterstützen. Sie wurde der Heeresgruppe Linsingen unterstellt. Im Juni 1916 verfügte die Feldfliegerabteilung 4 b über eine AGO C.I, mehrere LVG C.I und C.II und einige Roland C.II „Walfisch“ -Flugzeuge.[13] Im August 1916 fand ein Fernflug der Feldfliegerabteilung 4 b von Kowel nach Kaunas/Kowno (Litauen) statt. Am 3. November 1916 besuchte König Ludwig III. (1845–1921) die bayerische Feldfliegerabteilung in Kowel. Nach dem Waffenstillstand im Osten wurde die bayerische Feldfliegerabteilung am 26./27. Dezember 1917 in die Champagne verlegt.
Westfront
Ab 1915/16 waren an der Westfront insgesamt neun bayerische Feld-Fliegerabteilungen (1 b bis 9 b) im Einsatz. Die Bezeichnungen wurden 1916/17 in Fliegerabteilung 45 b bis 48 b und Fliegerabteilung (Artillerie) 292 b bis 296 b verändert, und aus den bayerischen Artillerie-Fliegerabteilungen 101 b bis 103 b wurden die Fliegerabteilungen (Artillerie) 286 b bis 288 b gebildet.
1916 wurden die Jagdstaffeln 16 b, 23 b, 32 b, 34 b, 35 b sowie die Kampfstaffeln 31 b bis 36 b und 1917 die Jagdstaffeln 76 b bis 80 b gebildet. 1917 wurden außerdem die Fliegerabteilung 304 b, die Fliegerabteilungen (Artillerie) 288 b und 290 b und die Fliegerabteilung (Luftbild) 289 b neu aufgestellt.
An der Westfront operierten 1917/18 die bayerischen Fliegerabteilungen 45 b, 47 b und 48 b, die Fliegerabteilungen (Luftbild) 46 b und 289 b sowie die Fliegerabteilungen (Artillerie) 286 b bis 288 b, 290 b und 292 b bis 296 b sowie Jagd- und Kampfstaffeln. Außerdem waren zwei bayerische Kampfeinsitzerstaffeln, Ballonzüge (aufgestellt im Winter 1916/17) und Feldluftschiffer-Abteilungen (1 b bis 10 b und 56 b) im Einsatz. Die Kampfstaffeln und die ursprünglich Germersheimer Fliegerabteilung 47 b (ehemals 4 b) wurden 1918 in Schutzstaffel, wenig später in Schlachtstaffel 22 b bis 27 b und 31 b umbenannt.
Am 20. Juli 1917 wurde in Oberschleißheim eine neue bayerische Fliegerabteilung 304 b aufgestellt. Diese wurde am 25. August 1917 mit 277 bayerischen Soldaten und ca. 300 Tonnen Material auf den Kriegsschauplatz Palästina verlegt und dem deutschen Asien-Korps der osmanisch-türkischen Heeresgruppe Yıldırım zugeteilt (als Teil des Expeditionskorps Pascha II). Leiter der Abteilung war Hauptmann Franz Josef Walz (1885–1945). Die Einsätze gegen Briten und Araber dienten vor allem der Luftaufklärung, aber auch der Abwehr gegnerischer Flugzeuge – besonders zum Schutz der Hedschasbahn – und der Bombardierung von militärischen Zielen. Es handelt sich um das bestdokumentierte Unternehmen der bayerischen Fliegertruppe im Ersten Weltkrieg.[14]
Auf dem Weg nach Palästina verbrannten fünf Flugzeuge der Abteilung am 6. September 1917 bei einem Sabotageakt im Bahnhof Haydarpaşa in Konstantinopel. Die Einheit traf im Oktober 1917 in Be’er Scheva (Beerscheba) ein und wurde am 25. Oktober im Dorf Iraq al-Manshiyya (etwa 30 km nordöstlich von Gaza auf dem Gebiet des heutigen Kirjat Gat) stationiert. Nachdem die Briten am 31. Oktober 1917 Beerscheba erobert und Anfang November in der Dritten Schlacht um Gaza gesiegt hatten, mussten die sechs flugtauglichen Maschinen Iraq al-Manshiyya am 9. November Richtung Norden verlassen, das Material wurde in Ochsenkarren abtransportiert. Die Einheit operierte zunächst vom Wadi Serrar (Nachal Soreq) aus, bevor sie Ende 1917 in Merchavya bei Afula (el-Fule) in der Nähe von Nazareth war. Um ihre dienstfreie Zeit in Haifa verbringen zu können, bauten sich die Soldaten als Transportmittel den so genannten phönizischen Bäderexpress.
Auf dem Rückzug befand sich die Abteilung Mitte September 1918 in Aleppo. Nach dem Waffenstillstand zwischen den osmanisch-deutschen Streitkräften und der britischen Armee am 31. Oktober 1918 kehrte der Rest der Truppe im Januar 1919 nach Deutschland zurück.[15]
Kriegsende, Auflösung der bayerischen Fliegertruppe
Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hatte die Bayerische Fliegertruppe 933 Tote und Vermisste zu beklagen, wovon rd. ein Drittel in der Heimat zu Tode kam, zu einem großen Teil bei Abstürzen.[1][6][7]
Am 8. Mai 1920 wurde die bayerische Fliegertruppe infolge des Versailler Vertrages offiziell aufgelöst.[1]
Die Bayerische Fliegertruppe setzte verschiedene Flugzeuge ein, die im Laufe des Ersten Weltkriegs aber recht rasch veralteten und durch neue Modelle ersetzt wurden. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die verwendeten Typen.[5]
Im Ersten Weltkrieg von der Bayerischen Fliegertruppe eingesetzte Flugzeugtypen[5][16]
1916 wurde Paul Klee (1879–1940) zur Flieger-Ersatzabteilung nach Oberschleißheim versetzt und als Anstreicher für Flugzeuge beschäftigt. 1917 kam er als Schreiber an die Fliegerschule in Gersthofen. Man hat kunstgeschichtlich untersucht, wie sich Eindrücke aus der Fliegerei in Thematik und farblicher Gestaltung von Klees Bildern niederschlagen.[20]
Andreas Bönte, Die vergessene Mission. Eine bayerische Fliegerstaffel im Ersten Weltkrieg, TV-Dokumentation von 2005, Ausstrahlung im TV-Sender Phoenix am 18. März 2005, 20. und 21. Januar 2006 und im BR-Fernsehen am 12. und 14. September 2005
Andreas Bönte, Die vergessene Mission, Hörfunkfeature von 2005, Ausstrahlung im Bayern2Radio am 10. September 2005
↑ abHarald Potempa: Die Königlich-Bayerische Fliegertruppe, 1914–1918 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Nr.727). P. Lang, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-631-30508-7.
↑Preußisches Kriegsministerium (Hrsg.): Mobilmachungsplan für das Deutsche Heer (Mob. Pl.) (= Etatmäßige Druckvorschriften D.V.E. Nr.219). Berlin 9. Oktober 1913 (Bundesarchiv, BArch PH 2/2356[1]).
↑Reinhard Kastner: Bayerische Flieger im Hochgebirge. Die bayerische Feld-Flieger-Abteilung 9 im Alpenkrieg. Gröbenzell 1998.
↑1928 als Polizei-Major Chef der Landespolizeiabteilung Ansbach, zuletzt Oberstleutnant der Landespolizei; Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Offizierspersonalakten 41361).
↑ abHarald Potempa: Die Königlich-Bayerische Fliegertruppe, 1914–1918 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Band 727). Peter Lang, Frankfurt a. M. u. a. 1997, ISBN 3-631-30508-7 (Dissertation, LMU München 1994/95), S. 14.
↑Paul Klee: Paul Klee in Schleissheim : und ich flog. Bruckmann, München 1997, ISBN 3-7654-3069-2.
↑Hedwig Sensen, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt Lilienthal-Oberth, Vortragsveranstaltung Jahre Flugplatz Schleißheim 2012 Bonn: Die Königlich-Bayerische Fliegertruppe 1912 - 1920 Textbeiträge einer Vortragsveranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt - Lilienthal-Oberth e. V. "100 Jahre Flugplatz Schleißheim", 16. Juni 2012. Bonn 2013, ISBN 978-3-932182-78-5.