Justizanstalt SteinDie Justizanstalt Stein ist die zweitgrößte Justizanstalt Österreichs und gleichzeitig die größte als Strafvollzugsanstalt – also als nicht einem Landesgericht angeschlossenes Gefängnis für den Vollzug längerer Haftstrafen – betriebene Hafteinrichtung der österreichischen Justiz. Sie befindet sich in Stein, einem Stadtteil von Krems im Bundesland Niederösterreich. Konzeption und OrganisationIn Stein werden ausschließlich männliche Strafgefangene mit einer Haftzeit von über 18 Monaten bis lebenslang untergebracht. Gemeinsam mit den drei Außenstellen Mautern, Oberfucha, der Abteilung „Gelockerter Vollzug Krems an der Donau“ sowie der geschlossenen Abteilung des Krankenhauses Krems kann die Justizanstalt Stein 805 Häftlinge aufnehmen. Auf diese Planhaftplätze kamen am Stichtag 30. August 2007 807 Gefangene, womit die Anstalt eine Auslastung von 100,25 % erreichte.[1] Davon besaßen zum 1. Juni 2007 326 Gefangene (41,32 % des Gesamtbelags) nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.[2] 1999 wurde eine Substitutionsabteilung mit 43 Betten eingerichtet – wobei 2000 schon 56 und 2006 schon 108 Insassen Substitutionsmittel erhielten, sodass diese auch in anderen Bereichen der Justizanstalt untergebracht werden mussten.[3] Seit 27. März 2007 gibt es auch in der Justizanstalt Stein einen im Volksmund als „Kuschelzelle“ bezeichneten Langzeitbesucherraum. Der Hochsicherheitstrakt, für den die Justizanstalt bekannt ist, befindet sich im Erdgeschoss des Westtrakts, auf „West E“. Die speziell gesicherten Hafträume auf West E liegen etwas unter Straßenniveau und beherbergen einige der gefährlichsten Strafgefangenen Österreichs.[4] Maßnahmenvollzug in SteinZusätzlich zum Vollzug von Freiheitsstrafen können in der Justizanstalt Stein auch Untergebrachte des Maßnahmenvollzugs, nämlich zurechnungsfähige, geistig abnorme Rechtsbrecher (§ 21 Abs. 2 StGB) untergebracht werden. Bei diesen handelt es sich meistens um Menschen, die in den Maßnahmenabteilungen anderer Justizanstalten aufgrund ihrer Straflänge oder wegen ihrer problematischen Persönlichkeiten nicht inhaftiert werden können. Konzipiert ist die Maßnahmenanhaltung in der Justizanstalt Stein deshalb in erster Linie zur Anhaltung von als besonderes gefährlich eingestuften Untergebrachten oder Insassen, die wenig motiviert scheinen für die sozialtherapeutische Behandlung. In letzter Zeit ist dieses Konzept aber wegen der stark zunehmenden Einweisungen, teils schon wegen geringfügiger Delikte, nicht mehr maßgebend. Diese Klassifizierung wird in der Regel durch die Begutachtungsstelle für den Maßnahmenvollzug in der Justizanstalt Wien-Mittersteig vorgenommen.[5] Die anstaltseigene sozialtherapeutische Maßnahmenabteilung kann zwar maximal mit 44 Personen belegt werden, auf Grund massiver Überbelegung und daraus resultierender nicht adäquater Betreuungsstrukturen, die auch zu weit über dem österreichischen Durchschnitt liegenden Anhaltezeiten in der JA Stein führen, werden die Maßnahmenuntergebrachten im „Normalfall“ auch in anderen Abteilungen untergebracht (Per Stichtag 11. Juli 2009 befanden sich in Stein 101 Personen im Maßnahmenvollzug.[4]), was jedoch rechtlich problematisch ist, und derzeit von einer vom Justizminister eingesetzten Expertenkommission zusammen mit vielen anderen Unregelmäßigkeiten bei dieser Vollzugsform, im Rahmen einer angekündigten Strafrechtsreform, evaluiert wird. Im Jahr 2014 kam es in der Justizanstalt Stein im Maßnahmenvollzug zu einigen Vorfällen, die auch in der österreichischen Presse längere Zeit für Schlagzeilen sorgte, und zur Suspendierung einiger Beamten führten. So wurde etwa ein Mann so lange in seinem Haftraum unversorgt und ohne jede Betreuung sich selbst überlassen, bis seine Beine anfingen zu verwesen. Davon in Kenntnis gesetzt ordnete Justizminister Brandstetter eine genaue Überprüfung des Maßnahmenvollzuges an.[6] AußenstellenDie Justizanstalt verfügt über drei Außenstellen zur Durchführung von gelockertem Strafvollzug. In der Außenstelle Oberfucha, die sich in der Marktgemeinde Furth bei Göttweig befindet, werden Häftlinge, die eine lange Haftstrafe zu verbüßen hatten, durch spezielles Training auf ihre bedingte Haftentlassung vorbereitet. Eine weitere Außenstelle mit einem Freigängerhaus befindet sich in der Stadt Mautern an der Donau. Zusätzlich besteht die Abteilung „Gelockerter Vollzug Krems an der Donau“.[7] DepartmentsystemNeben den drei Außenstellen der Justizanstalt, die jeweils organisatorisch eigenständig arbeiten, existiert auch innerhalb des Gefängnisses eine organisatorische Unterteilung. Je nach Haftart und besonderen Auffälligkeiten der Häftlinge werden diese in einem von zehn so genannten Departments untergebracht, die jeweils unter der Leitung eines Departmentleiters stehen. Hierbei zeigt sich der Vorteil des Departmentsystems dahingehend, dass Gefangene mit ähnlichen Voraussetzungen miteinander untergebracht sind und von den anderen Insassen im Regelvollzug weitestgehend ferngehalten werden. Momentan existieren die folgenden Departments:[9]
GeschichteDie etwa 58.000 m² umfassende Anlage der heutigen Justizanstalt wurde 1850 als ehemaliges Redemptoristinnenkloster vom Staat gekauft und in eine als K.K. Österreichisches Zellengefängnis in Stein an der Donau bezeichnete Haftanstalt umgewandelt. Dazu musste ein Zubau durchgeführt werden. Dieser war ursprünglich für 800 Häftlinge geplant, wurde aber bald auf 350 reduziert. Während des Zweiten Weltkrieges unterhielt die Anstalt ein Arbeitslager im Theimwald. Massaker von SteinIm April 1945, als der Einmarsch der Roten Armee bereits nahe bevorstand, erwirkte Anstaltsleiter Franz Kodré die Genehmigung, zumindest die als weniger schwer belastet eingestuften Häftlinge in die Freiheit zu entlassen. Nachdem er diese Erlaubnis besonders großzügig auslegte und am 7. April damit begann, alle Häftlinge zu entlassen, meldeten einige der Gefängniswärter sein Vorgehen bei der Kremser NSDAP-Leitung. Diese stoppte daraufhin die Entlassung auf brutalste Weise, indem sie alle noch verbliebenen Häftlinge, den Anstaltsleiter und einige seiner Mitarbeiter auf der Stelle erschießen ließ. Aber auch die bereits entlassenen Häftlinge wurden gejagt und am selben oder am darauf folgenden Tag ermordet. Als Opferzahlen, die sich nicht genau feststellen ließen, werden 229 getötete Häftlinge in Stein und 61 in Hadersdorf angegeben, als Gesamtzahl wird auch 386 genannt.[11][12] Der Dokumentarfilm Kremser Hasenjagd befasst sich mit diesem Endphaseverbrechen.[13] Besondere EreignisseAm Donnerstag, dem 4. November 1971 ereignete sich in der Justizanstalt Stein einer der spektakulärsten Gefängnisausbrüche in der österreichischen Justizgeschichte. Die drei Straftäter Alfred Nejedly, Walter Schubirsch und Adolf Schandl überwältigten zwei Wachbeamte mit selbstgebastelten Messern und entwendeten deren Dienstwaffen. Anschließend nahmen sie einen Untersuchungsrichter, eine Schriftführerin sowie den Polizeichef von Krems als Geiseln und forderten Geld sowie freies Geleit. Nachdem Justizminister Christian Broda die Anstaltsleitung ermächtigt hatte, die Gefängnistore zu öffnen, begann eine spektakuläre Flucht. Die Täter nahmen innerhalb der nächsten zwei Tage mehrfach Geiseln und verwendeten mehrere Fluchtfahrzeuge, während sie ständig mit der Wiener Polizeispitze verhandelten. Schließlich gelang es ihnen, die Polizei abzuhängen, wobei Schandl aus dem Wagen sprang und alleine weiter flüchtete, während Schubirsch und Nejedly die Geiseln freiließen und sich mit drei neuen Geiseln in der Wohnung eines Bekannten verschanzten. Am Samstag umstellte die Polizei das Gebäude und nahm die Verhandlungen auf. Aus vorangegangenen Gesprächen mit den Geiseln schloss die Polizei auf das Versteck der Ausbrecher. Am späten Nachmittag gab Nejedly schließlich auf, während Schubirsch mit den beiden Schusswaffen in der Wohnung blieb und verkündete, sich nur dem Polizeipräsidenten zu ergeben. Erst als Polizeipräsident Josef Holaubek erschien, sich mit „I bin's, der Präsident!“ zu erkennen gab und mit dem Täter sprach, gab dieser auf. Adolf Schandl konnte erst zwei Wochen später verhaftet werden. Im Juli 2001 gab es fünf Todesfälle, welche in Zusammenhang mit dem verbotenen Gebrauch von Gurtenbetten und einer zu stark beheizten Zelle, angeblich auch Saunazelle genannt, standen. Der psychisch kranke Häftling Ernst Karl wurde ohne Beobachtung eine Nacht lang auf ein Gurtenbett geschnallt. Dort verstarb er an einem Darmverschluss. Der damals zuständige Justizminister Dieter Böhmdorfer hatte allen Beteiligten per internem Erlass verboten, über den Vorfall zu sprechen.[14] Sowohl der Einsatz von Gurtenbetten als auch die Einzelinhaftierung von psychisch erkrankten Häftlingen ist per Gesetz verboten. Im August 2004 verstarb der 37-jährige Nigerianer Edwin Ndupu nach offiziellen Angaben an einer Fettembolie nach selbstzugefügten Verletzungen ohne Fremdverschulden. Nach Angaben der Justizwache hatte er zuvor getobt und mit einem Besteckmesser andere Häftlinge bedroht, woraufhin er beruhigt werden musste. Da der Häftling HIV-positiv war und Beamte mit dessen Blut in Berührung gekommen waren, bekamen diese eine Entschädigung von je 2000 Euro. Die Umstände des Todes des Häftlings haben zu Zweifeln an der Glaubhaftigkeit des offiziellen Gutachtens geführt. Durch Medien als auch Politiker wird ein möglicher Tränengas-Einsatz in geschlossenen Räumen nicht ausgeschlossen. Eine Klärung des Sachverhaltes durch eine objektive externe Untersuchungskommission wurde abgelehnt. Im Oktober 2004 wurde eine Demonstration wegen des im August verstorbenen Häftlings vom Magistrat der Stadt Krems an der Donau untersagt. Trotz des Verbotes kam es zu einer friedlichen Kundgebung. Am 16. November 2007 gelang einem wegen versuchten Mordes verurteilten, geistig abnormen Rechtsbrecher die Flucht. Der Mann hatte aus einer Abstellkammer ein Seil entwendet, war auf ein Vordach gelangt, kletterte auf die rund zehn Meter hohe Außenmauer und seilte sich von dort ab. Da ein Justizwachebeamter die Flucht beobachtet und sofort Alarm ausgelöst hatte, konnte der Geflohene nach rund 25 Minuten wieder verhaftet werden.[15] Trivia
WeblinksCommons: Justizanstalt Stein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
Koordinaten: 48° 24′ 21″ N, 15° 35′ 14″ O |