Wiesner studierte in Wien und Jena, wo er 1860 zum Dr. phil. promoviert wurde. 1861 wurde er Privatdozent, 1868 außerordentlicher Professor am Polytechnischen Institut Wien.
1870 wurde er ordentlicher Professor an der Forstakademie Mariabrunn. Er war von 1873 bis 1909 ordentlicher Professor für Anatomie und Physiologie der Pflanzen an der Universität Wien und hatte gleichzeitig bis 1880 ein Lehramt am Polytechnischen Institut Wien inne.
1883 unternahm er eine Reise nach Java (Buitenzorg). Weitere Reisen führten nach Lappland, Spitzbergen, in das Yellowstone-Gebiet, nach Indien und Ägypten. 1898/99 war er Rektor der Universität Wien.
Wiesner forschte auf den Gebieten der Pflanzenphysiologie (Licht- und Vegetationsprozesse, Chlorophyll, Wachstum und Bewegung), Pflanzenanatomie (Organisation der Zellwand) und über pflanzliche Rohstoffe.
Im Jahr 1953 wurde in Wien-Donaustadt (22. Bezirk) die Wiesnergasse nach ihm benannt.
Im Arkadenhof der Wiener Universität – der Ruhmeshalle der Universität – steht seit 1891 eine Büste von Wiesner. Im Rahmen von „Säuberungen“ durch die Nationalsozialisten Anfang November 1938 wurden zehn Skulpturen jüdischer oder vermeintlich jüdischer Professoren im Arkadenhof im Zusammenhang der „Langemarck-Feier“ umgestürzt oder mit Farbe beschmiert. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte der kommissarische Rektor Fritz Knoll eine Überprüfung der Arkadenhof-Plastiken veranlasst; auf seine Weisung hin wurden fünfzehn Monumente entfernt und in ein Depot gelagert, darunter diejenige von Julius Wiesner.[7] Nach Kriegsende wurden im Jahr 1947 alle beschädigten und entfernten Denkmäler wieder im Arkadenhof aufgestellt.
Werke
Die Gesetze der Riefentheilung an den Pflanzenaxen (1860)
Einleitung in die Technische Mikroskopie (1867)
Die technisch verwendeten Gummiarten, Harze und Balsame: ein Beitrag zur wissenschaftlichen Begründung der technischen Waarenkunde (1869)
Untersuchungen über den Einfluß, welchen Zufuhr und Entziehung von Wasser auf die Lebensthätigkeit der Hefezellen äußern (1869)
Die Rohstoffe des Pflanzenreiches (1873)
Die Entstehung des Chlorophylls in der Pflanze: eine physiologische Untersuchung (1877)
Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche (1878–80)
Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. Eine kritische Studie über das gleichnamige Werk von Charles Darwin nebst neuen Untersuchungen (1881) doi:10.5962/bhl.title.41435
Elemente der wissenschaftlichen Botanik Band 1: Anatomie und Physiologie der Pflanzen (1881)
Elemente der wissenschaftlichen Botanik Band 2: Organographie und Systematik der Pflanzen (1884)
Elemente der wissenschaftlichen Botanik Band 3: Biologie der Pflanzen. Mit einem Anhange: Die historische Entwicklung der Botanik (1889)
Studien über das Welken von Blüthen und Laubsprossen (1883)
Untersuchungen über die Wachsthumsbewegungen der Wurzeln. Darwinische und geotropische Wurzelkrümmungen (1884)
Untersuchungen über die Organisation der vegetabilischen Zellhaut (1886)
Die mikroskopische Untersuchung des Papiers mit besonderer Berücksichtigung der ältesten orientalischen und europäischen Papiere (1887)
Studien über den Einfluss der Schwerkraft auf die Richtung der Pflanzenorgane (1902)
Die Entwicklung der Pflanzenphysiologie unter dem Einflusse anderer Wissenschaften (1904)
Philosophie der Botanik (1905)
Jan Ingen-Housz. Sein Leben und sein Wirken als Naturforscher und Arzt. Unter Mitwirk. v. Th. Escherich, E. Mach, R. v. Töply und R. Wegscheider (1905) doi:10.5962/bhl.title.21032
Elemente der wissenschaftlichen Botanik. 5., verb. und verm. Aufl., A. Hölder, Wien 1906 doi:10.5962/bhl.title.46424
Der Lichtgenuß der Pflanzen. photometrische und physiologische Untersuchungen mit besonderer Rücksichtnahme auf Lebensweise, geographische Verbreitung und Kultur der Pflanzen (1907) doi:10.5962/bhl.title.13042
Natur, Geist, Technik. Ausgewählte Reden, Vortrage und Essays (1910)
Erschaffung, Entstehung, Entwicklung und über die Grenzen der Berechtigung des Entwicklungsgedankens (1916)
Christa Riedl-Dorn, Wiesner, Julius Ritter v. Pflanzenphysiologe, Pflanzenanatom. In: Neue Deutsche Biographie (NDB) Bd. XXVIII (Bayer. Akad. der Wissenschaft München; Berlin 2024) S. 107–108.
↑Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 259.