John Shea wuchs als ältester von drei Söhnen einer Arbeiterfamilie im Osten von Massachusetts auf. Sein Biologielehrer ermunterte ihn, ein College zu besuchen, nachdem er sich bereits auf der Highschool die Technik der Feuerstein-Bearbeitung beigebracht hatte. An der Boston University studierte er daraufhin Archäologie und Anthropologie und erwarb 1982 den Bachelorgrad. Danach wechselte Shea an die Harvard University, wo er 1991 den Magistergrad im Fachgebiet Anthropologie erwarb und im gleichen Jahr auch den Doktorgrad mit einer Dissertation über The Behavioral Significance of Levantine Mousterian Industrial Variability.[1] Während seiner Studienzeit vertiefte er seine Kenntnisse im Herstellen von Steinwerkzeugen und wurde so zu einem Experten für experimentelle Archäologie.
Seit 2010 ist er Full Professor an der Stony Brook University. Ferner gehört er zum Forschungsteam des Turkana Basin Institute in Kenia.[2]
Forschung
John Shea analysierte unter anderem in standardisierten Versuchsanordnungen steinerne Speerspitzen im Stil der Levalloistechnik, um deren optimale Form zu rekonstruieren.[3] Bereits 1987/88 hatte er in Experimenten nachgewiesen, dass es möglich ist, anhand von Gebrauchsspuren und Abbruchstellen zu rekonstruieren, ob Projektilspitzen im Paläolithikum als Jagdwaffen genutzt wurden.[4][5]
Seit dem Jahr 2000 erforscht John Shea im Tal des Flusses Omo im Süden Äthiopiens die Hinterlassenschaften einer Population früher anatomisch moderner Menschen (Homo sapiens), deren Fossilien erstmals 1969 wissenschaftlich beschrieben worden waren.[6] Diese als Omo 1 und Omo 2 bekannten Fundstücke waren zunächst auf ein Alter von rund 130.000 Jahren datiert worden; im Rahmen des von Shea mitgestalteten Forschungsprojekts wurde jedoch ein Alter von 190.000 bis 200.000 Jahren ermittelt,[7] was sie als die ältesten bislang bekannten Funde von Homo sapiens ausweist. Aus dem Vergleich der in den Fundschichten von Omo 1 und 2 entdeckten Steinwerkzeuge mit wesentlich jüngeren Werkzeugfunden leitete Shea ab, dass „die ersten H. sapiens schon vor ungefähr 200.000 Jahren ein Erkenntnisvermögen hatten, das unserem heutigen vollständig gleichwertig war.“[8] Damit widersprach er der seit langem von anderen Paläoanthropologen vertretenen Hypothese, dass es im Verlauf des Mittelpaläolithikums einen allmählichen Prozess der Modernisierung gegeben habe.[9]
Literatur (Auswahl)
Bücher
Stone Tools in Human Evolution: Behavioral Differences among Technological Primates, Cambridge University Press, 2017. ISBN 978-1-107-55493-1
Stone Tools in the Paleolithic and Neolithic of the Near East: A Guide, Cambridge University Press, New York 2013. ISBN 978-1-107-00698-0
mit Ghufran Sabri Ahmad: Reconstructing Late Pleistocene Human Behavior in the Jordan Valley: The Middle Paleolithic Stone Tool Assemblage from Ar Rasfa. Archaeopress (British Archaeological Reports International Series, S2042), Oxford (UK) 2009. ISBN 978-1-4073-0618-6
mit Daniel E. Lieberman (Hrsg.): Transitions in Prehistory: Essays in Honor of Ofer Bar-Yosef, David Brown/Oxbow, Oakville (CT), 2009. ISBN 978-1-84217-340-4
Artikel in Fachzeitschriften
Lithic Modes A-I: A New Framework for Describing Global-Scale Variation in Stone Tool Technology Illustrated with Evidence from the East Mediterranean Levant, in: Journal of Archaeological Method and Theory 20,1 (2013) 151–186. doi:10.1007/s10816-012-9128-5
Homo sapiens Is as Homo sapiens Was. Behavioral Variability versus „Behavioral Modernity“ in Paleolithic Archaeology, in: Current Anthropology 52,1 (2011) 1–35. doi:10.1086/658067, Volltext
The Middle Stone Age Archaeology of the Lower Omo Valley Kibish Formation: Excavations, Lithic Assemblages, and Inferred Patterns of early Homo sapiens Behavior, in: Journal of Human Evolution 55 (2008) 448–485. doi:10.1016/j.jhevol.2008.05.014
Stone Tools and the Evolution of Human Behavior. Videomitschnitt eines Vortrags aus dem Jahr 2011. Quelle: Howard Hughes Medical Institute, 3. Vorlesung aus der Reihe Holiday Lectures: Bones, Stones, and Genes – The Origin of Modern Humans.
↑John Shea et al.: Experimental Tests of Middle Palaeolithic Spear Points Usinga Calibrated Crossbow. In: Journal of Archaeological Science. Band 28, 2001, S. 807–816, doi:10.1006/jasc.2000.0590.
↑John J. Shea: On Accuracy and Relevance in Lithic Use-Wear Analysis. In: Lithic Technology. Band 16, 1987, S. 44–50.
↑John J. Shea: Spear Points from the Middle Paleolithic of the Levant. In: Journal of Field Archaeology. Band 15, Nr. 4, 1988, S. 441–450.
↑Michael Herbert Day: Early Homo sapiens Remains from the Omo River Region of South-west Ethiopia: Omo Human Skeletal Remains. In: Nature. Band 222, 1969, S. 1135–1138, doi:10.1038/2221135a0.
↑John J. Shea: Homo sapiens Is as Homo sapiens Was. Behavioral Variability versus „Behavioral Modernity“ in Paleolithic Archaeology. In: Current Anthropology. Band 52, Nr. 1, 2011, S. 1–35, doi:10.1086/658067, Volltext.