Er studierte Theologie bei den Jesuiten in Innsbruck und Prag, erhielt 1750 die Priesterweihe, 1751 das Amt eines Frühmessers in Dalaas und 1758 die Pfarrei in Klösterle am Arlberg. Die meisten Krankheiten dem Einfluss von bösen Geistern zuschreibend, verlegte er sich hier auf Teufelsbeschwörungen durch Segensprechungen und Gebete und machte zu dem Zweck mit Erlaubnis des Bischofs von Konstanz selbst Reisen bis Konstanz, wo sich dieser jedoch von Gaßners Scharlatanereien überzeugte und ihn nach seiner Pfarrei zurückwies. Gaßner hatte 1774 Unterschlupf bei Honorius Roth von Schreckenstein in der Fürstabtei Kempten/Allgäu gefunden und verfasste dort zur Zeit des letzten Hexenprozesses in Deutschland gegen Anna Maria Schwegelin seine programmatische Schrift „Nützlicher Unterricht wider den Teufel zu streiten“.[1] 1774 wurde er jedoch vom Bischof Anton Ignaz von Fugger-Glött von Regensburg nach Ellwangen und später nach Regensburg berufen und hatte dort einen unbeschreiblichen Zulauf aus Böhmen, Österreich, Bayern, Schwaben, Franken, ja selbst aus den niederrheinischen Provinzen.
Die Heilung sowohl der „Umsessenen“, d. h. durch Krankheit Geplagten, als der „Besessenen“, also der im Übrigen Gesunden, vollzog er mittels des Exorzismus, bis Kaiser Joseph II. 1777 eingriff und Gaßner befahl, Regensburg zu verlassen. Der Bischof, der ihn zu seinem Hofkaplan mit dem Titel eines geistlichen Rats ernannt hatte, wies ihm zur Entschädigung die Pfarrei Pondorf an, wo Johann Joseph Gaßner seinen Lebensabend als Dekan[2] verbrachte und unbeachtet starb.
Rezeption
Die über ihn erschienenen Schriften bilden den Inhalt der Zauberbibliothek (Augsburg 1776). Seine Kuren wurden durch Eschenmeyer in Kiesers Zeitschrift für tierischen Magnetismus verteidigt. Auch Johann Caspar Lavater hatte sie der größten Aufmerksamkeit wert gefunden. Jedenfalls verfuhr Gaßner uneigennützig und glaubte wohl selbst an seine Kuren.
Peter Lenk setzte Johann Joseph Gaßner mit einer Figur seiner Magischen Säule in Meersburg ein Denkmal. Gaßner hatte im Sommer 1774 Wunderheilungen in Meersburg vorgenommen und dabei angeblich z. B. einen lahmen Kaplan zum Laufen gebracht. Die Plastik zeigt Gaßner im Vierfüßerstand auf einem Podest, umgeben von gaffenden Bürgern, wie er die bösen Geister – kleine Teufelsgestalten – in Form von Darmwinden austreibt. Die Figur neben Gaßner, die mit erhobenem Kruzifix zum Himmel aufblickt, stellt den in Meersburg residierenden Bischof Franz Konrad von Rodt dar, der sich, ebenso wie Franz Anton Mesmer, wenig erbaut von dem Spektakel zeigte.
Literatur
Karl Baier: Mesmer versus Gaßner. Eine Kontroverse der 1770er Jahre und ihre Interpretationen. In: Maren Sziede, Helmut Zander (Hrsg.): Von der Dämonologie zum Unbewussten. Die Transformation der Anthropologie um 1800. De Gruyter, Berlin 2015, ISBN 3-11-037981-3, S. 47–84.
Bericht des bischöflichen Generalvicars von Deuring zu Constanz an den Cardinal Torrigiani zu Rom vom 11. Dezember 1775 über die Wundercuren des Priesters Joseph Gaßner. In: Franz Franz: Memorabilien aus dem erzbischöflichen Archiv. Freiburger Diözesan-Archiv, Bd. 8, 1874, S. 375 ff. (Digitalisat).
Ehrenrettung des S.T. wohlehrwürdigen Herrn Johann Joseph Gaßners und seiner in Teutschland soviel Aufsehens machenden Teufelsbeschwörungen und geistlichen Kuren zu Ellwangen: wider die unverschämte Lästerungen eines ehrlosen Zeitungsschreibers und seiner Helfershelfer. 1775. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.
Thomas Freller: Der Exorzist, sein Jäger und die Schatten der Aufklärung : Johann Joseph Gaßner und Ferdinand Sterzinger. Königshausen und Neumann, Würzburg 2022, ISBN 978-3-8260-7632-9.
Thomas Freller: Herzog Ludwig Eugen von Württemberg und der Exorzist Johann Joseph Gaßner – ein Beitrag zur württembergischen Kirchen- und Geistesgeschichte am Ende des Ancien Régime. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte. Bd. 82 (2023), S. 207–246.
Thomas Freller: Der Exorzistenstreit – Die Wallersteiner und Ellwanger Hofräte Joseph von Schaden und Joseph von Sartori. Eine Episode schwäbischer Geistes- und Kirchengeschichte am Ende des Ancien Régime. In: Verein für Augsburger Bistumsgeschichte 57 (2023), S. 205–274
Josef Hanauer: Der Exorzist Johann Joseph Gassner (1727–1779). Eine Monographie. Diss. Würzburg 1950.
Johann Joseph Gaßners Antwort auf die Anmerkungen, welche in dem Münchnerischen Intelligenzblate vom 12. November wider seine Gründe und Weise zu exorciren, wie auch von der deutschen Chronik und andern Zeitungsschreibern gemacht worden. 3. Aufl. Wolff, Augsburg 1775, Digitalisierte Ausgabe.
H. C. Erik Midelfort: Exorcism and Enlightenment: Johann Joseph Gassner and the demons of eighteenth century Germany. Yale University Press, New Haven/London 2005, ISBN 0-300-10669-6.
Manfred Tschaikner: "Ein Faustschlag ins Antlitz des Zeitgeistes" – Der Konflikt des Exorzisten Johann Josef Gassner mit Franz Ludwig Fortunat von Sternbach von 1772 bis 1774 und Gassners Nachwirkung in Vorarlberg. In: Bludenzer Geschichtsblätter 147 (2024), S. 4–50 zenodo.
↑Behringer, Wolfgang: : Der "Bayerische Hexenkrieg". Die Debatte am Ende der Hexenprozesse in Deutschland (in: Das Ende der Hexenverfolgung. Stuttgart 1995, S. 287–313). S.310.
↑Werner E. Gerabek: Gaßner, Johann Joseph. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 460.