Hradschiner Platz
Der Hradschiner Platz (tschechisch: Hradčanské náměstí) ist das Zentrum des Prager Stadtteils Hradschin (Hradčany). Im Osten grenzt er direkt an das Hauptportal der Prager Burg und bildet den Hauptzugang zur Burg. Der Platz ist umgeben von prunkvollen Renaissance- und Barockpalästen. Auf der Südseite mündet die Straße Ke Hradu (Zur Burg) auf die Burgrampe (hradní rampa). Die Aussichtsplattform dort bietet dem Besucher einen herrlichen Blick über die ganze Stadt. Über den Hradschiner Platz führt der ehemalige Krönungsweg böhmischer Könige. GeschichteHradschin wurde im Jahr 1320 als dritte Prager Stadt vom Burggrafen Hynek Berka von Dubá gegründet. Während die anderen Prager Städte (Altstadt und Kleinseite) von Anfang an Königstädte waren, war der Hradschin eine Untertanenstadt des Burggrafen. Sie umfasste zunächst nur das Bergplateau westlich der Burg – das Areal des heutigen Hradschiner Platzes. Das Städtchen bot dem böhmischen König viele Möglichkeiten von Dienstleistungen sowie Unterbringung für sein Personal. Später siedelten sich hier auch reichere Bürger und Angehörige des geistlichen Standes an. Erste Blütezeit erlebte Hradschin unter Kaiser Karl IV., der die Stadt beträchtlich erweiterte und eine Wehrmauer errichtete. Im Jahr 1541 brach auf der Kleinseite direkt unter der Prager Burg ein verheerendes Feuer aus (Stadtbrand in Prag 1541). Der Brand erfasste auch den Hradschin, zerstörte die meisten Gebäude und richtete beträchtliche Schäden auch auf der Burg an. Nach dem Brand wurde der Hradschiner Platz neu gestaltet. Die bürgerlichen Häuser wurden abgetragen und an ihrer Stelle errichtete der reiche Adel und die Domherren ihre Residenzen. Die einflussreichsten böhmischen Adelsfamilien siedelten sich in der Nähe des Herrschersitzes an. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte entstanden zahlreiche neue Paläste und kirchliche Bauten, wodurch sich der Hradschin zum Residenzviertel der Aristokratie, des Klerus und der hohen Beamtenschaft wandelte. Im Jahr 1547 wurden auf dem Hradschiner Platz Anführer des misslungenen Aufstandes gegen den Habsburger Ferdinand I. hingerichtet. Erzherzogin Maria Theresia ließ in ihrer Eigenschaft als Königin von Böhmen im 18. Jahrhundert den Burgvorplatz umgestalten. Sie ließ den Graben zwischen der Burg und dem Hradschiner Platz zuschütten, die Häuser vor der Burg abtragen und den Ehrenhof (Erster Burghof) errichten. Der Ehrenhof ist nur durch ein massives Gitter mit einem reich geschmückten Eingangsportal vom Hradschiner Platz getrennt und bildet mit ihm eine architektonische Einheit. Der Hradschin ist heute zusammen mit der Burg in Bezug auf historische Baudenkmäler der besterhaltene Prager Stadtteil. Über den Hradschiner Platz fahren Staatsgäste zum Sitz des Präsidenten, er ist auch der Hauptzugang für Besucher des Burgareals. Vor dem Eingangsportal des Ehrenhofes findet stündlich eine zeremonielle Wachablösung der Burgwache statt. Im März 2009 hielt der amerikanische Präsident Barack Obama während seines Staatsbesuches eine Rede am Hradschiner Platz. Bedeutende GebäudeErzbischöfliches PalaisDas prunkvolle Erzbischöfliche Palais (Arcibiskupský palác), Sitz der Prager Erzbischöfe, dominiert die Nordseite des Hradschiner Platzes. Das Palais gehört zu den bedeutendsten Bauten des Spätbarocks in Prag. Es wurde im 16. Jahrhundert für den ersten nachhussitischen Prager Erzbischof Anton Brus von Müglitz gebaut. Die heutige Rokokofassade mit Plastiken von Ignaz Platzer stammt von einem Umbau im 18. Jahrhundert. Das dreistöckige Gebäude enthält prunkvoll ausgestattete Repräsentationsräume und eine private Kapelle, die Johannes dem Täufer geweiht ist.[1] Palais SternbergAn das Erzbischöfliche Palais schließt sich das hochbarocke Palais Sternberg (Šternberský palác) an, die ehemalige Adelsresidenz der Herren von Sternberg aus dem 17. Jahrhundert. Das Gebäude ist vom Platz zurückgesetzt, vom Erzbischöflichen Palais verdeckt und erstreckt sich nach Norden bis zum Hirschgraben (Jelení příkop). Es ist durch einen schmalen Gang am linken Flügel des Erzbischöflichen Palais zugänglich. Seine vier Gebäudeflügel umschließen einen kleinen Garten. Als wahrscheinlicher Architekt gilt Giovanni Battista Alliprandi und als Baumeister Christoph Dientzenhofer. Im 19. Jahrhundert wurden hier Sammlungen des Vaterländischen Museums in Böhmen, Vorläufer des heutigen Prager Nationalmuseums aufbewahrt. Im 20. Jahrhundert nutzte es zuerst die Tschechoslowakische Armee, später die Regierungstruppe des Protektorats und nach dem Krieg die Burgwache. 1947 wurde es für die Bedürfnisse der Prager Nationalgalerie umgestaltet. Es beherbergt heute eine umfangreiche Sammlung italienischer, holländischer und deutscher Maler des 14. bis 18. Jahrhunderts, unter anderen Bilder von Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä. und Peter Paul Rubens.[2] Palais MartinitzDas Palais Martinitz (Martinický palác) an der nordwestlichen Ecke des Hradschiner Platzes gehört zu Prags schönsten Palästen der Spätrenaissance. Beachtenswert sind die reichen Sgraffito-Verzierungen mit biblischen und mythologischen Motiven an der Gebäudefront und im Innenhof. Das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert wurde mehrmals umgebaut. Im 20. Jahrhundert wurde es umfangreich restauriert. Mit Hilfe genauer alter Zeichnungen war es möglich, einige der prunkvollen Innenräume mit wertvollen Wandmalereien im ursprünglichen Renaissancestil wiederherzustellen. Im 16. Jahrhundert gehörte das Gebäude dem böhmischen Adligen und königlichen Statthalter Jaroslav Borsita von Martinic, einem der Opfer des Zweiten Prager Fenstersturzes. Kurios ist die Raumaufteilung im Inneren – sie gleicht im Maßstab 1:2 der Raumaufteilung im Königspalast der Burg. Das Haus wird für besondere gesellschaftliche Anlässe vermietet, es ist nicht öffentlich zugänglich. Palais ToskanaDas Palais Toskana (Toskánský palác) verdankt seinen Namen der toskanischen Herzogin Anna Maria Franziska, die es im Jahr 1718 von den früheren Besitzern, den Fürsten von Thun und Hohenstein, erworben hatte. Das mächtige dreistöckige Gebäude im Stil des Frühbarocks bildet die Westseite des Hradschiner Platzes. Es wurde nach Plänen des französischen Architekten Jean Baptiste Mathey gebaut. Die reich gestaltete breite Gebäudefront hat zwei Säulenportale mit Balkonen, über den Balkontüren weisen Wappen der toskanischen Herzöge auf die ehemaligen Besitzer hin. Die Gebäudeattika ist verziert mit Barockstatuen der Sieben freien Künste von Johann Brokoff.[3] Das Haus wurde im Jahr 1998 saniert und wird heute vom tschechischen Außenministerium benützt. St.-Benedikt-Kirche und Kloster der KarmelitinnenDie St.-Benedikt-Kirche (kostel svatého Benedikta) steht zusammen mit dem Kloster der Karmelitinnen (klášter bosých karmelitek) an der südwestlichen Ecke des Hradschiner Platzes. Die St.-Benedikt-Kirche, zuerst erwähnt im Jahr 1353, war ursprünglich Pfarrkirche der Stadt Hradschin. Ihre heutige barocke Gestalt erhielt sie nach einem Umbau im 17. Jahrhundert. Im Jahr 1626 übernahmen sie die Barnabiten und errichteten daneben ein Kloster, das sie bis Ende des 18. Jahrhunderts nutzten. Im Jahr 1792 hat Kaiser Leopold II. beide Gebäude dem Frauenorden der Karmelitinnen übergeben. Im Jahr 1950 wurde das Kloster im Zuge der kommunistischen Repressalien gegen katholische Orden geräumt und als Luxushotel für hohe kommunistische Funktionäre umgebaut. Nach einer umfangreichen Sanierung in den Jahren 1985 bis 1992 wurde es wieder dem Orden zurückgegeben. In der St.-Benedikt-Kirche finden regelmäßig Gottesdienste statt. Palais SchwarzenbergDas Palais Schwarzenberg (Schwarzenberský palác) zählt zu Prags schönsten Renaissancepalästen. Es dominiert zusammen mit dem benachbarten Palais Salm die Südseite des Hradschiner Platzes. Das Palais wurde nach dem großen Stadtbrand von 1541 für die böhmische Adelsfamilie Lobkowitz gebaut. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wechselte es mehrmals den Besitzer. Reiche Adelsfamilien richteten sich hier in der Nähe des Königspalastes einen repräsentativen Sitz. Im 18. Jahrhundert kam das Palais in Besitz des fränkisch-böhmischen Adelsgeschlechts der Schwarzenberger, die einige Jahre später auch das benachbarte Palais Salm erwarben. Auffallend ist die Sgraffito-Fassade aus dem 17. Jahrhundert, die ein regelmäßiges Natursteinmauerwerk aus sog. Diamantquadern vortäuscht. Das Palais diente nach der kommunistischen Machtergreifung als militärhistorisches Museum. Nach einer grundlegenden Sanierung gehört es heute der Prager Nationalgalerie und beherbergt die Ausstellung „Die alten Meister“ mit Gemälden und Plastiken aus dem 16. bis 18. Jahrhundert.[4][5] Palais SalmDas dreiflügelige klassizistische Gebäude des Palais Salm (Salmovský palác) wurde Anfang des 19. Jahrhunderts für den Prager Erzbischof Wilhelm Florentin von Salm-Salm gebaut. Einige Jahre nach der Fertigstellung erwarb es die Familie Schwarzenberg und vereinigte es mit ihrem benachbarten Palais. Das Haus hat nach französischem Vorbild einen kleinen Vorhof (Ehrenhof), der vom Hradschiner Platz durch ein massives Gitter mit einem Gittertor getrennt ist. Heute gehört es zusammen mit dem Palais Schwarzenberg der Prager Nationalgalerie und beherbergt eine Ausstellung mitteleuropäischer Kunst des 19. Jahrhunderts. Unter anderem sind hier Gemälde von Caspar David Friedrich und Carl Spitzweg zu sehen.[6] Skulpturen
Zugangswege
Literatur
WeblinksCommons: Hradčanské náměstí – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
Koordinaten: 50° 5′ 23″ N, 14° 23′ 51″ O |