Heinrich Christian Meyer (* 4. Juni1797 in Nesse im Kreis Lehe; † 26. Juli1848 in Hamburg), genannt Stockmeyer, war der Sohn eines Handwerkers und gilt als Hamburgs erster Großindustrieller.
Als Sohn eines zugewanderten Tischlers, der in Hamburg eine Werkstatt für Spazierstöcke betrieb, bot Meyer bereits als achtjähriges Kind Spazierstöcke auf der Straße an. Daher wurde er von den amüsierten Passanten „Stockmeyer“ genannt.
Nach der Gründung seiner eigenen Werkstatt im Jahr 1816 gelang es ihm, innerhalb von nur zwei Jahrzehnten aus einem kleinen Betrieb eine für damalige Verhältnisse große und moderne Fabrik aufzubauen: die Firma H. C. Meyer jr. In dieser wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt eine Dampfmaschine industriell eingesetzt. Für seine Arbeiter richtete er 1828 eine Fabrikkrankenkasse ein.
Meyer war nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, sondern bemühte sich auch, die wirtschaftliche Struktur Hamburgs nachhaltig zu verbessern. Gemeinsam mit anderen Kaufleuten setzte er sich für die Erschließung des Grasbrooks und des Hammerbrooks ein– zwei große brachliegende Gebiete außerhalb der damaligen Stadtbefestigung. Meyer war Gründungsdirektor der Hamburg-Bergedorfer Eisenbahngesellschaft und trug wesentlich zur Modernisierung der Wasserversorgung der Stadt bei. Ein Denkmal am Mittelkanal in Hammerbrook erinnert an seine Verdienste um das Hammerbrook-Projekt (ursprünglich 1854 errichtet, seit 1985 am heutigen Standort).
Aufgrund seiner zahlreichen, kaum zu überblickenden Aktivitäten wurde ihm der Vorwurf gemacht, er sei einer der größten Spekulanten seiner Zeit gewesen. Dabei habe er stets „patriotische“ Gründe für sein Handeln vorgeschoben, während ihm in Wahrheit nur der eigene Vorteil wichtig gewesen sei. Diese Anschuldigungen trafen ihn schwer, doch unternahm „Stockmeyer“ nie den Versuch, sie zu entkräften.
Meyer war mit Agathe Margarethe Beusch verheiratet, die 1833 verstarb, und hatte elf Kinder. Unter diesen befand sich Heinrich Adolph, der neben seiner Tätigkeit als Unternehmer einem wissenschaftlichen Hobby als Meeresforscher nachging. Für seine Forschungen wurde ihm von der Universität Kiel der akademische Grad eines Dr. phil. h. c. verliehen. Heinrich Adolph Meyer unterhielt an der Ostsee ein gastliches Haus, in dem namhafte Wissenschaftler, Musiker und Schriftsteller verkehrten, darunter Theodor Fontane, der über dieses Haus „Forsteck“ sogar ein Gedicht verfasste.
Meyers zweitälteste Tochter Bertha gehörte einem Kreis von Frauen in Hamburg an, die eine „Hochschule für das weibliche Geschlecht“ ins Leben riefen. In zweiter Ehe heiratete sie Johannes Ronge, den Gründer des Deutschkatholizismus. Ihm folgte sie für viele Jahre ins Londoner Exil und gründete dort einen Kindergarten nach Fröbelschen Prinzipien.
Eine weitere Tochter, Amalie, heiratete den Kaufmann Heinrich Westendarp, der später die Firma ihres Bruders Heinrich Adolph Meyer übernahm.
Meyers jüngste Tochter, Agathe Margarethe, heiratete 1852 in London Carl Schurz, den späteren preußischen General im amerikanischen Sezessionskrieg. Noch im selben Jahr zog sie mit ihm in die Vereinigten Staaten von Nordamerika. In Watertown gründete sie den ersten amerikanischen Kindergarten.
Heinrich Christian Meyer starb 1848 im Alter von 51 Jahren in Hamburg.
Andenken
Freunde des Verstorbenen stifteten Meyer bereits 1854 ein Denkmal, das zunächst vor dem damaligen Klostertor in der Nähe des Berliner Bahnhofes stand, später mehrfach versetzt wurde und seit 1985 am Südufer des Mittelkanals in Hammerbrook steht.[1] Ebenfalls 1854 wurde die „Meyerstraße“ auf dem damaligen Grasbrook[2] (heute: Stockmeyerstraße im Stadtteil Hafencity) nach ihm benannt. Seit 1890 erinnert zudem die „Meyerstraße“ im Stadtteil Heimfeld an ihn, wo Meyer umfangreichen Grundbesitz hatte.[3]
Literatur
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Eliza L. Follen: The Pedler of Dust Sticks. Boston 1857.
Heinrich Adolph Meyer: Erinnerungen an Heinrich Christian Meyer: Für die Familie gesammelt von seinem Sohne. Hamburg 1887.
Heinrich Adolph Meyer: Erinnerungen an Dr. H. A. Meyer.Nach seinen eigenen Aufzeichnungen. Selbstverlag, Hamburg 1890.
Percy Ernst Schramm: Hamburg, Deutschland und die Welt.Leistung und Grenzen hanseatischen Bürgertums in der Zeit zwischen Napoleon I. und Bismarck. Callwey, München 1943.
Gustav H. Leo: William Lindley. Ein Pionier der technischen Hygiene. Hamburg 1969 (Manuskript 1936).
Dieter Rednak: Die Geschichte der Firma H. C. Meyer jr.Wirtschaftliche und soziale Entwicklung einer Firma im Zeitraum von 1880 bis 1980. Universität Hamburg, Hamburg 1980 (Universität Hamburg, Diplomarbeit).
Dieter Rednak: Betriebliche Sozialpolitik im 19. und 20. Jahrhundert am Beispiel der Hamburger Firma H. C. Meyer jr. In: Arno Herzig u. a. (Hrsg.): Arbeiter in Hamburg: Unterschichten, Arbeiter und Arbeiterbewegung seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Verlag Erziehung und Wissenschaft, Hamburg 1983, ISBN 3-8103-0807-2, S. 299–308.
Dieter Rednak: Meyer, Abendroth und Ruperti – Direktoren der „Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn-Gesellschaft“ und Initiatoren der Modernisierung Hamburgs im 19. Jahrhundert. In: Kultur & Geschichtskontor (Hrsg.) Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn von 1842. Ergebnisse-Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-87916-019-8, S. 45–55.
Dieter Rednak: Heinrich Christian Meyer (1797–1848): genannt "Stockmeyer": Vom Handwerker zum Großindustriellen, eine biedermeierliche Karriere. Lit-Verlag, Münster 1992 (Sozial- und Wirtschaftsgeschichte; 3), (Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1992), ISBN 3-89473-451-5.
Dieter Rednak: "... so arbeiteten wir ruhig und thätig": Sechs Jahrzehnte erlebte Firmengeschichte. H. C. Meyer jr.; die Aufzeichnungen des Ernst Schuppe. In: Harburger Jahrbuch, Bd. 19 (1996), S. 275–305.
Dieter Rednak: "Ihr hofft immer noch, daß sich die Gewerkschaftsführer eurer Sache annehmen." Lohnkonflikte in einem Harburger Traditionsbetrieb im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. In: Harburger Jahrbuch, Bd. 22 (2006), S. 147–157.
Arne Daniels, Stefan Schmitz: Die Geschichte des Kapitalismus. Vom Webstuhl zum World Wide Web. Heyne, München 2006, ISBN 978-3-453-62018-6.
Ortwin Pelc / Susanne Grötz (Hrsg.): Konstrukteur der modernen Stadt. William Lindley in Hamburg und Europa 1808–1900. Zugl. Ausstellungskatalog Museum für Hamburgische Geschichte 01.10.2008 – 22.02.2009. Dölling und Galitz, Hamburg 2008 (Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs; 23), ISBN 3-937904-77-8.
Sandra Schürmann: Stockmeyerstraße. H. C. Meyer und seine Erben. In: Kim Sebastian Todzi. und Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung. Wallstein, Göttingen 2021 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der kolonialen Globalisierung; 1), ISBN 978-3-8353-5018-2, S. 99–112.
↑Volker Plagemann: „Vaterstand, Vaterland, schütz dich Gott mit starker Hand“. Denkmäler in Hamburg, Christians Verlag Hamburg 1986, ISBN 3-7672-0967-5, S. 45 f.