Das erste als karolingisch zu bezeichnende Werk ist das Godescalc-Evangelistar, das zwischen 781 und 783 im Auftrag Karls des Großen entstand. Bis dahin hatten sich die merowingische und die insulare Buchmalerei bruchlos fortgesetzt. Ausgangspunkt der karolingischen Buchmalerei war die sogenannte „Hofschule Karls des Großen“ an der Aachener Königspfalz, der die Manuskripte der sogenannten „Ada-Gruppe“ zugeordnet werden. Gleichzeitig und wahrscheinlich am gleichen Ort existierte die sogenannte „Palastschule“, deren Künstler wohl aus Byzanz oder dem byzantinisch geprägten Italien stammten. Die Codices dieser Schule werden nach ihrer Leithandschrift auch Gruppe des „Wiener Krönungsevangeliars“ genannt. Nach dem Tod Karls des Großen verlagerte sich das Zentrum der Buchmalerei nach Reims, Tours und Metz. Dominierte zu Zeiten Karls die Hofschule, so wurden in den späteren Zentren der Buchkunst stärker die Werke der Palastschule rezipiert. Die Blütezeit der karolingischen Buchmalerei endete im späten 9. Jahrhundert. In spätkarolingischer Zeit entwickelte sich eine „franko-sächsische Schule“, die wieder verstärkt Formen der älteren insularen Buchmalerei aufnahm, bevor mit der ottonischen Buchmalerei ab Ende des 10. Jahrhunderts eine neue Epoche einsetzte.
Evangelistar; sechs ganzseitige Miniaturen, ornamentaler Schmuck, Initialen und Zierseiten; geschrieben mit goldener und silberner Tinte auf purpurgefärbtem Pergament
lateinische Versbearbeitung der Phainomena des Aratos durch Claudius Caesar Germanicus mit Ergänzungen aus der Bearbeitung des Avienus; 35 ganzseitige Miniaturen (vier Bilder fehlen)
Bibel; 24 (ursprünglich 25) Titelminiaturen, vier Kanontafeln, 35 Zierseiten, 91 Initialen; geschrieben mit goldener und silberner Tinte auf purpurgefärbtem Pergament
Hans Holländer: Die Entstehung Europas. In: Belser Stilgeschichte. Studienausgabe, Band 2, herausgegeben von Christoph Wetzel, Belser, Stuttgart 1993, S. 153–384 [zur Buchmalerei S. 241–255].
Peter van den Brink, Sarvenaz Ayooghi (Hrsg.): Karl der Große – Charlemagne. Karls Kunst. Katalog der Sonderausstellung Karls Kunst vom 20. Juni bis 21. September 2014 im Centre Charlemagne, Aachen. Sandstein, Dresden 2014, ISBN 978-3-95498-093-2 (zur Buchmalerei passim).
↑Harald Wolter-von dem Knesebeck: Evangeliar Karls des Großen. In: Peter van den Brink, Sarvenaz Ayooghi (Hrsg.): Karl der Große – Charlemagne. Karls Kunst. Dresden 2014, S. 236–237 (m. Lit.).