Grethe (eigentlich Margarete) Jürgens war die Tochter des Lehrers Georg Gerhard Jürgens (* 1868) und seiner Ehefrau Ludvina Anna Jürgens, geb. Eckert (* 1874). Die katholische Familie zog 1900 von Holzhausen nach Wilhelmshaven, wo der Vater an einer Konfessionsschule unterrichtete. In Wilhelmshaven wurden ihre beiden Brüder Johannes (* 1902) und Heinrich (* 1904) geboren.[1]
Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse, die in Deutschland durch die Inflation entstanden waren, musste Jürgens 1922 ihr Studium abbrechen und eine Tätigkeit als Reklamezeichnerin beim Unternehmen Hackethal Draht- und Kabelwerke AG beginnen. Den Arbeitsvertrag kündigte sie 1928, um eine Arbeit beim Wirtschaftsmagazin Der Manufakturist zu übernehmen, die sie nach sechs Monaten wieder verlor. Die prekäre Lage zwang Jürgens, sich in einem ehemaligen Hundezwinger in der Feldstraße (Calenberger Neustadt) einzumieten. 1929 zog sie in die Liststadt an der Podbielskistraße 288, wo sie Wohnsitz und Atelier bis zu ihrem Tode hatte.[5]
Von 1931 bis 1932 übernahm Jürgens die Redaktion der neugegründeten Zeitschrift Der Wachsbogen. Insgesamt erschienen zwölf Nummern der im Matrizendruck hergestellten Zeitschrift, die sich an die Vertreter der Neue Sachlichkeit richtete. Zu den Mitwirkenden gehörten Gerta Overbeck, Erich Wegner, Ernst Thoms sowie der Schriftsteller Gustav Schenk, mit dem Jürgens befreundet, auch verlobt war, und von dem sie 1931 ein Porträt anfertigte.[6]
1953 beteiligte Grethe Jürgens sich in der DDR mit dem Ölgemälde Ruhender Erntearbeiter (90 × 113 cm) an der Dritten Deutschen Kunstausstellung in Dresden.[7] 2005 widmete ihr Das Verborgene Museum in Berlin eine Ausstellung.
Den Nachlass von Jürgens hatte ihr Bruder Johannes Jürgens verwaltet. Das Spätwerk übergab er im Jahr 1984 dem Sprengel Museum in Hannover. Eine weitere Erbin war die Nichte Heide Jürgens-Hitz, Tochter des Bruders Heinrich Jürgens.[8]
Grethe Jürgens wurde auf dem Stadtfriedhof Lahe in Hannover beigesetzt. Ihr Grab wird als Ehrengrab von der Stadt Hannover gepflegt.[9]
Mitgliedschaft
Seit 1929: Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e. V. (GEDOK).
Jahrzehnte war sie Mitglied im Kunstverein Hannover und gehörte dessen Beirat an.
Nach Grethe Jürgens ist seit 1982 in Hannover eine Straße benannt, die gegenüber ihrer ehemaligen Wohnung von der Podbielskistraße nach Norden abgeht.[10]
Ausgewählte zeichnerische Werke
Krankes Mädchen, 1926
Schneiderpuppen, 1927
Frisierpuppen, 1927
Karl Eggert, 1927
Selbstbildnis, 1928
Arbeitsamt, 1929
Bildnis Gerta Overbeck, 1929
Bildnis des Malers Erich Wegner, 1929
Arbeitslose, 1929
Liebespaar, 1930
Blumenmädchen, 1931
Bildnis Schenk, 1931
Dame mit Hut (Selbstbildnis), 1932
Stoffhändler, 1932
Holzsammler, 1934
Ruhende Erntearbeiter, 1937
Buchgestaltung
G. J.: Das wunderliche Bilderbuch. Druck u. Verlag Offsetdruckerei, 9 n.n. Bl., Gleiwitz 1921
G. J.: Das Atelier. Die Heimbücherei John Jahr, Berlin 1943[11]
Karl Georg von Stackelberg: An mir vorbei. Von dem Mann mit dem spitzen Hut; von Stunden, Menschen und Strassen. Aquarelle Grethe Jürgens. Die Heimbücherei, Berlin 1942
Gustav Schenk: Das wunderbare Leben. Einbandentwurf, Textzeichnungen G. J.- Die Heimbücherei John Jahr, Berlin 1942/1943
Das leidenschaftliche Spiel. Schachbriefe an eine Freundin. Sponholtz, Hannover 1936. Mit 8 mehrfarbigen Bildtafeln von G. J. (wieder Verlag Schünemann, Bremen 1940)
Wenzels Naturalienkabinett oder Wenzelvaters und Wenzelsohnes Entdeckungen, Gegenstände der Natur betreffend. Nach alten Dokumenten und Erinnerungen an Wenzel-Ausprüche [sic!] neu zusammengestellt Bilder Grethe Jürgens. Sponholtz, Hannover 1947
Die Wermutinsel. Eine Dichtung vom Kleinleben einer Hallig. Wessobrunner Verlag, Berlin 1940. Mit 20 farbigen Offset-Tafeln nach Originalen von G. J.
Aronn oder das tropische Feuer. Mit 12 Zeichnungen, davon 4 Farbtafelnvon G. J.- Adolf Sponholtz
Frucht und Same. Sponholtz 1947. Umschlag von G. J.
Hans Wolfgang Behm: Hochzeit der Blumen. Das Liebesleben der Pflanzen im Naturbild der Landschaft.Adolf Sponholtz, Hannover 1950. Mit zwei Vierfarbentafeln von G. J.
Herbert Grünhagen: Die zwölf Herren. Mit Zeichnungen von G. J.- Karl Rauch, Dessau 1941[12]
Literatur (Auswahl)
Harald Seiler: Grethe Jürgens. Reihe: Niedersächsische Künstler der Gegenwart, 14, Musterschmidt, Göttingen 1976
Hildegard Reinhardt: Grethe Jürgens und Gerta Overbeck. Bilder der zwanziger Jahre. Bonner Kunstverein 1982.
Ludwig Zerull (Red., Layout), Günter Barz, Michael Herling (Fotos): Hannoversche Maler der Neuen Sachlichkeit, Begleitschrift zur (Wander-)Ausstellung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung mit Bildern aus den Sammlungen der Stadtsparkasse Hannover, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und des Sprengel Museum Hannover, Hrsg.: Niedersächsische Sparkassenstiftung, Eigenverlag, Hannover: Th. Schäfer Druckerei, 1991, S. 14f.
Hiltrud Schroeder (Hrsg.): Sophie & Co. Bedeutende Frauen Hannovers. Biographische Portraits. Fackelträger, Hannover 1991, ISBN 3-7716-1521-6, S. 186–199
Heike Scholz: Am Rande des Blickfeldes. Grethe Jürgens – eine Künstlerin der zwanziger Jahre in Hannover. Dissertation an der Philipps-Universität Marburg 1999. (PDF; 15 MB)
Marsha Meskimmon: Grethe Jürgens, Gerta Overbeck und die „Frauenkultur“ in der Weimarer Republik. In: Christian Fuhrmeister (Hrsg.): Der stärkste Ausdruck unserer Tage. Neue Sachlichkeit in Hannover. 9. Dezember 2001 – 10. März 2002. Ausstellungskatalog Museum, Hildesheim u. a. 2001, S. 53–56.
Henrike Schulte: Grethe Jürgens – ein Selbstbildnis von 1922. In: Uwe Fleckner (Hrsg.): Das wahre Gesicht unserer Zeit – Bilder vom Menschen in der Neuen Sachlichkeit. Ausstellungskatalog, Kunsthalle zu Kiel 2004, S. 114–116, ISBN 3-937208-07-0
Karin Orchard: Grethe Jürgens. „Damals ... machte ich Lebensentdeckungen – heute mache ich Bildentdeckungen“. In: Stefanie Patruno (Hrsg.): So viel Anfang! KünstlerInnen der Moderne und ihr Werk nach 1945. Wienand, Köln 2023, ISBN 978-3-86832-761-8, S. 91–106.
↑Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.): Bedeutende Frauen in Hannover Eine Hilfe für künftige Benennungen nach weiblichen Persönlichkeiten. Hannover, 2013. S. 64
↑Jürgens stellt in Text und Farbbildern ihr Atelier vor, Sütterlin-Schrift