Gebrauchsanweisung für Potsdam und BrandenburgGebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg ist ein Buch der 1974 in Potsdam geborenen Schriftstellerin Antje Rávic Strubel, die unter anderem mit dem Marburger Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Das Werk erschien 2012 in der Buchreihe Gebrauchsanweisung für … des Piper Verlags, in der Schriftsteller wie Paul Watzlawick, Iris Alanyalı, Jakob Hein oder der Kabarettist Bruno Jonas versuchen, ihre Eindrücke von Städten, Ländern und Regionen in literarischer Form wiederzugeben.[1] In dieser Reihe hatte Strubel 2008 bereits eine Gebrauchsanweisung für Schweden veröffentlicht. Ironisch distanziert und oft lakonisch beschreibt die in Ludwigsfelde aufgewachsene Strubel ihre Heimat, der sie angeblich gleichgültig gegenübersteht – gleich im ersten Satz des Vorworts warnt sie den Leser: Machen Sie sich keine Illusionen. Ich bin kein Fan von Brandenburg. – Ich wurde hier geboren. Ich lebe hier. Das ist alles. Trotz der Warnung las eine Rezensentin das Buch als Liebeserklärung an Brandenburg, das Strubel als eine Überdosis Dorf bezeichnet. Während vor allem die Lokalmedien, aber auch überregionale Zeitungen wie Die Welt oder die Zeitschrift Emma das Buch überschwänglich lobten, empfand ein Kritiker den flapsigen Stil als aufgesetzte schmeichelnde Selbstironie und den Inhalt dieser offensichtlich bürgerliche[n] Auftragsarbeit als eher oberflächlich. InhaltAufbau, Glossar und KlappentextDas Buch von Antje Rávic Strubel ist kein traditioneller Reiseführer; wer sich gezielt über Regionen oder Landstriche Brandenburgs informieren will, wird hier eher nicht fündig. Es gibt kein Orts- oder Personenregister und auch das Inhaltsverzeichnis gliedert sich nicht nach Städten, Dörfern oder Landschaften, sondern überwiegend nach inhaltlichen Themenkreisen. Dazu zählen Kapitel wie Preußen und Märker, Wege und Wasser, Gärtner und Schweiger, Bebauter Raum oder Leeres Land. In derartigen Themenkapiteln versucht Strubel mit Schilderungen ihrer Erlebnisse neben vielen Detailinformationen, die Mentalität der gemeinhin als schweigsam und verschlossen charakterisierten Märker zu entschlüsseln, über die außer Theodor Fontane kaum einer geschrieben habe (Strubel: es gibt kein Psychogramm des Landes[2]). Kapitel wie Der ewige Vorposten, Ohne Sorge oder Lausitzer Karnickelland verweisen hingegen bereits mit den Überschriften auf eine gezieltere, „pflichtgemäße“ Beschäftigung mit bekannten Brandenburger Sehenswürdigkeiten/Landschaften, hier also mit Potsdam, Sanssouci und der Lausitz. Den Abschluss des Buches bildet das Glossar Brandenburgisch-Deutsch, in dem beispielsweise zu lesen ist, dass Jenaupe! ein mit Nachdruck gesagtes genau bedeutet. Über den Ritter Kahlbutz teilt das „Glossar“ das mit, was in jedem Lexikon zu lesen ist – gewendet im laut Rezensenten (siehe unten) locker-witzigen Duktus Strubels: Berühmte, gut erhaltene Leiche. Es handelt sich um einen Edelmann aus dem 17. Jahrhundert, der einen Schäfer erschlagen haben soll, nachdem dieser ihm die Vergewaltigung seiner Frau nicht gestattet hatte. […]. Strubels Spaß im Text und im Glossar – von einigen Rezensenten besonders hervorgehoben – am schroffen konsum-brandenburgischen hammwanich erinnert an Dieter Moors drei Jahre zuvor erschienene Geschichten aus der arschlochfreien Zone, die dieses Thema schon im Haupttitel Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht aufgreifen. Frau Widdel schleudert Moor nach seinem Zuzug aus der Schweiz gleich beim ersten Gehversuch im Dorfladen das hammwanich entgegen und verzieht ihre Mimik angesichts des Moorschen Verdrusses noch mehrfach in das Widdel'sche[] ‚Hammwanich-Gesicht‘.[3] Die Verlagsbeschreibung, die weitgehend dem Klappentext entspricht, fasst Strubels Buch wie folgt zusammen:
– Piper Verlag: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg (weitgehend identisch mit dem Klappentext)[4] Verborgene Schönheiten Brandenburgs und FontaneDie Reiseunlust, die den Brandenburgern gerne nachgesagt werde, liegt nach Strubels Vermutung nicht an ihrer angeblich schwerfälligen, unbeweglichen Mentalität. Man weiß einfach, dass sich, bleibt man geduldig zu Hause, verborgene Schönheiten auftun. (S. 140) Das hatte Fontane bereits im August 1858 ähnlich formuliert, als ihm der Anblick eines alten schottischen Schlosses auf einer Insel im Loch Leven ein wehmütiges Bild vom Schloss Rheinsberg mit der Empfindung hervorrief, die Rheinsberg-Tour in der Heimat sei nicht minder schön als die schottische gewesen. Je nun, so viel hat Mark Brandenburg auch. Geh' hin und zeig' es. Der aus Liebe und Anhänglichkeit an die Heimat geboren[e] Entschluss, die Kostbarkeiten der Landschaft und Kultur in Zukunft zu Hause statt im Ausland zu suchen, ließ Fontane zwischen 1859 und 1889 dreißig Jahre lang die Mark Brandenburg durchwandern und mündeten in den fünfbändigen Wanderungen durch die Mark Brandenburg.[5] Die Bezüge zu Fontane sind in Strubels Buch vielfältig. So lässt sie uns beispielsweise wissen, dass die Fontane-Maräne ausschließlich im Stechlinsee vorkommt, dem seit Fontanes Roman Der Stechlin berühmtesten See Brandenburgs. Zu den verborgenen Schönheiten, die sich Strubel auf ihren Brandenburg-Touren auftaten, zählen Salzwasserstellen und Dünen. Mitten im Binnenland tut dieser kärgliche Landstrich so, als liege er am Meer. Aus zweihundertfünfzig Millionen Jahre alten Zechsteinformationen dringe Salzwasser ungehindert nach oben und lasse Sumpf-Knabenkraut (Orchis palustris) und Strand-Dreizack (Triglochin maritima) gedeihen (S. 140). Detaillierte Kenntnisse Strubels über das Land und seine Geschichte zeigen sich an vielen Stellen. So weist sie zum Havelland, das voller Obst hänge, und zu den Erdbeerhöfen bei Werder auf das große, den Erdbeeren gewidmete[] Buch des weitgehend unbekannten Hofgärtners Theodor Nietner hin (S. 136). Stil und das Sabinchen von TreuenbrietzenBei ihrem Blick auf Treuenbrietzen – einer Kleinstadt, die sich den Beinamen Sabinchenstadt gegeben hat und die der Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“ des Landes Brandenburg angehört – fasst Strubel die gesamte Moritat des Sabinchens in ihrem laut Klappentext heiterkritischen Stil in zwei prägnanten Halbsätzen zusammen:
– Seite 130f. In ihrem Roman Tupolew 134 von 2004, in dem sie auf drei Zeitebenen die Entführung einer Tupolew 134 nach Tempelhof durch DDR-Bürger im Jahr 1978 erzählte, beschrieb Strubel in ähnlich lakonischem Stil ihre Heimatstadt Ludwigsfelde als Glashaus, aus dem es kein Entkommen gibt.[6] Sporadisch eingebunden in eine Romanhandlung, wirken die Wendungen Strubels zu ihrer Heimat wie Farbtupfer. In der Gebrauchsanweisung wird der heiterkritische Stil auf 249 Seiten ausgebreitet. Snobismus und Brandenburg ist ein Widerspruch in sich, erfährt der Leser. In Einsteins Caputh, an der Schwielowsee-Promenade, wisse man, dass man nie an den Charme eines eleganten britischen Badeortes (Sommer) oder schweizerischen Luftkurorts (Winter) heranreichen werde. Das halte aber niemanden davon ab, mit keckem Hut und Einstecktuch mit Elementen dieses Charmes zu spielen (S. 140). RezeptionDie lokalen Brandenburger Medien und auch Zeitungen wie Die Welt oder die Zeitschrift Emma lobten das Buch Strubels einhellig. Die Emma, für die Strubel gelegentlich schrieb, erklärte in einer Kurzvorstellung des Buches: Strubels literarischer Reiseführer über Brandenburg ist eine wunderbare, ironische Liebeserklärung an das 'Hamwanich'-Land zwischen Prenzlau und Finsterwalde, Rathenow und Frankfurt an der Oder.[7] Die Märkische Allgemeine widmete der Gebrauchsanweisung im Abstand von zwei Wochen gleich zwei Rezensionen. Zu Strubels Eingangswarnung, sie sei kein Fan von Brandenburg, stellt Sandra Diekhoff in ihrer Besprechung resümierend fest: Das klingt irgendwie dann doch nach einem Fan von Brandenburg. Diekhoff schrieb ferner unter anderem:
– Sandra Diekhoff: Eingetaucht. Antje Rávic Strubel hat über Menschen und Geschichten aus der Mark geschrieben. In: Märkische Allgemeine, März 2012.[8] In der gleichen Zeitung urteilte Angelika Stürmer:
– Angelika Stürmer: Rinnjehaun! Antje Rávic Strubel macht mit Brandenburg bekannt. In: Märkische Allgemeine, März 2012.[9] In der Berliner Zeitung stellte Jens Blankennagel für die Buchreihe fest: Die Bücher sind kenntnisreich, literarisch anspruchsvoll, aber vor allem auch locker und witzig geschrieben. Zudem hob er die zugeneigte Poesie Strubels hervor, mit der sie das Land der abgehärteten Seelen charakterisiert und gab einige Mitteilungen Strubels wieder:
– Jens Blankennagel: „Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg“. Die Verführerin. In: Berliner Zeitung, April 2012.[10] Tilman Krause, Literaturkritiker und leitender Literaturredakteur der Tageszeitung Die Welt, rief seinen Lesern gleich in der Überschrift zu: Vergesst Fontanes „Wanderungen“. Jetzt führt Antje Rávic Strubel durch die Mark Brandenburg. Strubel könne herrlich respektlos sein und seelenvoll schwelgen. Zudem schlüsselte er Strubels Ironisierung eines unserer Nationalzitate, des Diktums „Preußen hat sich großgehungert“, auf:
– Tilman Krause: Vergesst Fontanes „Wanderungen“. Jetzt führt Antje Rávic Strubel durch die Mark Brandenburg. In: Die Welt, Juli 2012.[11] André Hansen sah den Text Strubels in seinem Blog kritischer. Er bemängelte die aufgesetzte schmeichelnde Selbstironie und den gewollt flapsigen, sicher verkaufssteigernden Stil dieser offensichtlich bürgerliche[n] Auftragsarbeit, deren Ortsbeschreibungen denn auch oberflächlich wirkten. Viel spannender fand er die Figur der Freundin vom Dorf aus dem herrlichen Buch 'Vom Dorf' von derselben Autorin, die ungerührt in ihrem schlecht gepolsterten Trabi über das Kopfsteinpflaster des Havellands gebrettert sei und sich ansonsten an eine völlig private Höchstgeschwindigkeit gehalten habe. Denn was ein richtiger Havelländer sei, drängele, wenn einer auf der B 5 mit 110 dahinschleicht. In der Gebrauchsanweisung bliebe davon wenigstens noch das Befremden gegenüber den Automobilbesitzern mit „B“: Der Berliner oder: die Bulette, wie die älteren Brandenburger ihre hauptstädtischen Nachbarn (sic!) liebevoll titulierten, fahre nur bei gutem Wetter aufs Land. Welche Gefahr von diesen ahnungslosen Sonntagsfahrern ausgehe, sobald es zu regnen beginnt, zeigten die Schilder, die man extra für sie erfunden hat. Sie verdeutlichten, was passiert, wenn ein Auto mit einem Baum kollidiert. (S. 102.) Mit Ja, natürlich kommentiert Hansen diese Zeilen Strubels und schreibt ferner:
– André Hansen: Ausflug nach Brandenburg oder Potsdam. Zu: Antje Rávic Strubel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg. In: Blog „Haarestage“, Mai 2012.[12] WeblinksEinzelnachweise
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