Die rechtliche Basis des Verfahrens bildeten die „Rules of Military Gouverment Courts“ ausgehend von den Erlässen des Military Government.[2]
Inhalt der Anklageschrift war die „Verletzung der Kriegsgebräuche und -gesetze“ die während des Zeitraums vom 1. Januar 1942 bis zum 8. Mai 1945 in Flossenbürg und den Außenlagern an nicht-deutschen Zivilisten und Kriegsgefangenen verübt worden waren. Verbrechen von deutschen Tätern an deutschen Opfern blieben lange ungesühnt und wurden in der Regel erst später vor deutschen Gerichten verhandelt. Die Angeklagten wurden zudem beschuldigt, im Rahmen eines gemeinsamen Vorgehens (Common Design) an Misshandlungen und Tötungen nicht-deutscher Zivilisten und Kriegsgefangener rechtswidrig und vorsätzlich teilgenommen zu haben.[3]
Der Prozess wurde am 12. Juni 1946 vor dem Militärgericht eröffnet. Die Anklagevertretung unter dem Hauptankläger William D. Denson bestand aus mehreren amerikanischen Offizieren und stützte sich auf die Untersuchungsergebnisse amerikanischer Ermittler, die im Rahmen des War Crimes Program Verbrechen im Zusammenhang mit dem KZ Flossenbürg dokumentiert hatten. Den Angeklagten wurden Rechtsbeistände gestellt. Da die Gerichtssprache Englisch war, mussten Dolmetscher auf Englisch und Deutsch zwischen dem Gericht und den Angeklagten übersetzen. Nach Verlesung der Anklageschrift plädieren die Angeklagten sämtlich auf „nicht schuldig“.[4]
Gegen einen Beschuldigten wurde die Anklage zurückgezogen. Bei sechs weiteren Beschuldigten wurde am 17. Dezember 1946 auf die Fortführung des Strafverfahrens verzichtet (unter ihnen der Namensgeber des Prozesses Friedrich Becker); von denen mussten sich jedoch vier, darunter der LagerarztHeinrich Schmitz, in den folgenden Nebenprozessen verantworten. Den verbleibenden 45 überwiegend deutschen Angeklagten wurde mehrheitlich die Vernachlässigung sowie Misshandlung und Tötung von Häftlingen, insbesondere auf den Todesmärschen, vorgeworfen. Unter den Angeklagten befanden sich überwiegend Angehörige der SS und Waffen-SS. Zudem waren über 15 Funktionshäftlinge beziehungsweise ehemalige Insassen beschuldigt. Diese mehrheitlich „kriminellen“ Kapos füllten in Flossenbürg wichtige Funktionen innerhalb des Lagers aus, die in anderen Konzentrationslagern mit sogenannten „politischen“ Funktionshäftlingen besetzt waren.[5]
Am 22. Januar 1947 wurden durch den Vorsitzenden des Militärgerichts die Urteile verkündet. Neben 15 Todesurteilen wurden elf lebenslange und 14 zeitliche Haftstrafen verhängt. Fünf der Angeklagten wurden freigesprochen. Nach Überprüfungsverfahren wurden drei Todesurteile auf lebenslange Haftstrafen reduziert und die anderen Urteile bestätigt. Die Verurteilten wurden in das Kriegsverbrechergefängnis Landsberg überführt. Die Todesurteile wurden am 3. und 15. Oktober 1947 durch den Strang in Landsberg vollstreckt.[6]
Arbeitsdienstführer und stellvertretender Lagerleiter des Nebenlagers Plattling
15 Jahre Haftstrafe
Peter Bongartz
Funktionshäftling
Oberkapo im Nebenlager Hersbruck
15 Jahre Haftstrafe
Walter Paul Adolf Neye
Funktionshäftling
Blockältester
15 Jahre Haftstrafe
Hans Johann Lipinski
Funktionshäftling
Kapo
10 Jahre Haftstrafe
Gustav Matzke
Funktionshäftling
Kapo Messerschmitt-Fabrik
10 Jahre Haftstrafe
Karl Gräber
SS-Oberscharführer
Wachmannschaft
10 Jahre Haftstrafe
Franz Berger
SS-Sturmbannführer
Kommandant des Wachbataillons
3,5 Jahre Haftstrafe
Joseph Becker
SS-Rang unbekannt
Wachmannschaft Außenlager Wolkenburg
1 Jahr Haftstrafe
Karl Buttner
Häftling
Blockältester
Freispruch
Karl Friedrich Alois Gieselmann
Häftling
unbekannt
Freispruch
Georg Hoinisch
Häftling
unbekannt
Freispruch
Theodor Retzlaff
Häftling
unbekannt
Freispruch
Peter Herz
unbekannt
unbekannt
Freispruch
Nebenprozesse
Auf dem Flossenbürg-Hauptverfahren basierten weitere 18 Nebenprozesse, in denen sich 42 Beschuldigte, darunter mindestens elf Funktionshäftlinge, wegen Kriegsverbrechen im KZ Flossenbürg und dessen Nebenlagern verantworten mussten. Diese Nebenprozesse, in denen gegen einen bis zu sieben Beschuldigte verhandelt wurde, fanden von Juni 1947 bis Dezember 1947 ebenfalls im Internierungslager Dachau statt. Neben 24 Haftstrafen, darunter acht lebenslängliche, und sieben Freisprüchen wurden elf Todesurteile ausgesprochen, von denen sechs vollstreckt wurden.[7]
Literatur
Robert Sigel: Im Interesse der Gerechtigkeit. Die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse 1945–1948. Campus, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-593-34641-9.
Ute Stiepani: Die Dachauer Prozesse und ihre Bedeutung im Rahmen der alliierten Strafverfolgung von NS-Verbrechen. In: Gerd R. Ueberschär: Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943–1952. Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-13589-3.
Review and Recommendations of the Deputy Judge Advocate for War Crimes: United States of America v. Friedrich Becker et al. – Case 000-50-46 Originaldokument Flossenbürg-Hauptprozess 21. Mai 1947 (englisch, PDF-Datei; 9,71 MB)
↑Vgl. Robert Sigel: Im Interesse der Gerechtigkeit. Die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse 1945–1948. Frankfurt am Main 1992, S. 107f. Flossenbürg -Hauptprozess: Review and Recommendations of the Deputy Judge Advocate for War Crimes: United States of America v. Friedrich Becker et al. – Case 000-50-46, 21. Mai 1947.
↑Vgl. Robert Sigel: Im Interesse der Gerechtigkeit. Die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse 1945–1948. Frankfurt am Main 1992, S. 36.
↑Vgl. Flossenbürg -Hauptprozess: Review and Recommendations of the Deputy Judge Advocate for War Crimes: United States of America v. Friedrich Becker et al. – Case 000-50-46, 21. Mai 1947.
↑Vgl. Flossenbürg -Hauptprozess: Review and Recommendations of the Deputy Judge Advocate for War Crimes: United States of America v. Friedrich Becker et al. – Case 000-50-46, 21. Mai 1947, S. 2f.
↑Vgl. Robert Sigel: Im Interesse der Gerechtigkeit. Die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse 1945–1948. Frankfurt am Main 1992, S. 108.
↑Vgl. Flossenbürg-Hauptprozess und Nebenprozesse Robert Sigel: Im Interesse der Gerechtigkeit. Die Dachauer Kriegsverbrecherprozesse 1945–1948. Frankfurt am Main 1992, S. 109.