Geschonneck war Sohn des Flickschusters und Nachtwächters Otto Geschonneck und seiner Ehefrau Gertrud. 1908 übersiedelte die Familie nach Berlin in die Ackerstraße in der Rosenthaler Vorstadt. Geschonneck verdiente nach dem Schulabschluss seinen Lebensunterhalt als Gelegenheitsarbeiter, Bürobote und Hausdiener. 1920 schloss sich Geschonneck der Arbeitersportbewegung Fichte an und wurde Leiter des Arbeiter-Athletenbundes. 1929 trat er der KPD bei und spielte in kommunistischen Laienspiel-, Agitprop- und Kabarettgruppen; außerdem nahm er Sprechunterricht und trat im „Roten Kabinett“ auf. 1931 hatte er in Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? seine erste kleine Filmrolle, weiter trat er als Komparse bei Erwin Piscator an der „Jungen Volksbühne“ auf.
Verfolgung und Internierung ab 1933
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierte Geschonneck 1933 über Polen und die Tschechoslowakei in die Sowjetunion. Dort schloss er sich verschiedenen jüdischen Theatergruppen an, arbeitete er an dem von Maxim Vallentin geleiteten Deutschen Wandertheater[1] und stand auch Modell für Fotomontagen John Heartfields. Im Jahr 1938 musste er auf Geheiß des NKWD die Sowjetunion wieder verlassen. Am 31. März 1939 wurde Geschonneck in Prag verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert. Danach folgte die Internierung in den KonzentrationslagernSachsenhausen, Dachau und Neuengamme. Im KZ Dachau beteiligte er sich an der Organisation des Widerstandes, wozu auch der Ausbau kultureller Aktivitäten wie etwa Theateraufführungen gehörte. Am 3. Mai 1945 überlebte Geschonneck den Untergang des in der Lübecker Bucht von britischen Flugzeugen versenkten KZ-Schiffes Cap Arcona, auf das er bei der Evakuierung des KZ Neuengamme mit 4000 Häftlingen verlegt worden war.
Viele Rollen wurden dem Schauspieler teilweise auf den „Leib geschrieben“, so beispielsweise auch die Hauptfigur des Karl Achilles, der sich in dem 1975 gedrehten Film Bankett für Achilles an seinem letzten Arbeitstag im Chemiekombinat Bitterfeld an 30 Jahre Arbeit erinnert. Nicht zuletzt Erwin Geschonneck war es zu verdanken, dass die meisten dieser Filme überhaupt gedreht oder aufgeführt wurden. Als langjähriger Genosse und Antifaschist – und zudem beliebter Schauspieler – genoss er eine Art Narrenfreiheit. Er nutzte diese Stellung, um immer wieder den Finger auf die Wunden zu legen. Nach außen – mit sechs Nationalpreisen hochdekoriert – unantastbar, blieb Geschonneck oft unbequem und wurde – wie er selbst in seiner Biografie schreibt[2]– aus gutem Grund nie in Parteifunktionen gewählt.
Herausragend war 1963 seine Darstellung des Lagerältesten Walter Krämer in Frank Beyers Romanverfilmung Nackt unter Wölfen, in die seine eigene Erfahrung als KZ-Insasse eingeflossen ist. Im selben Jahr spielte er eine seiner populärsten Rollen, den Karbid-Kalle in der am Kriegsende angesiedelten und auf wahren Begebenheiten basierenden Komödie Karbid und Sauerampfer. Schließlich besetzte Beyer ihn 1974 als Friseur Kowalski in der Verfilmung des Jurek Becker Romans Jakob der Lügner: Die Handlung spielt Ende 1944 in einem polnischen jüdischen Ghetto und schildert das Leben des Juden Jakob Heym in den letzten Wochen vor der Räumung des Ghettos. Dieser Film wurde als einziger DEFA-Film für den Oscar nominiert.
In einer Kritikerumfrage wurde Geschonneck 1992 zum besten Schauspieler der ehemaligen DDR gewählt. 1993 erhielt Geschonneck den deutschen Filmpreis für sein Gesamtschaffen. Am 28. Dezember 2004 wurde Geschonneck zum Ehrenmitglied der neu gegründeten Deutschen Filmakademie ernannt.
Geschonneck war seit 1929 Mitglied der KPD und wurde 1949 (?) Mitglied der SED. Ab 1967 war er Vizepräsident des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden, ab 1969 ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Geschonneck war bis 2007 Mitglied der PDS und nach deren Fusion mit der WASG bis zu seinem Tod in der neu konstituierten Partei Die Linke. Er bekannte sich auch nach dem Ende der DDR noch ausdrücklich zum Kommunismus, für den er sein Leben lang gekämpft hat.
Geschonneck lebte mit seiner vierten Frau Heike bis zu seinem Tode am Alexanderplatz in Berlin. Er hinterließ zwei Söhne, den deutschen Regisseur Matti Geschonneck sowie den Computer-Forensik-Spezialisten und Buchautor Alexander Geschonneck, und eine Tochter aus der Ehe mit der Schauspielerin Doris Weikow, die Journalistin Fina Geschonneck.
1951: Bertolt Brecht: Die Mutter (Gutsmetzger Wassili Jefimowitsch) – Regie: Bertolt Brecht, Manfred Wekwerth (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin)
1952: Heinrich von Kleist: Der zerbrochne Krug (Dorfrichter Adam) – Regie: Therese Giehse (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin)
1952: Bertolt Brecht: Die Gewehre der Frau Carrar (Pedro) – Regie: Egon Monk (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin – Kammerspiele)
1952: Anna Seghers: Der Prozess der Jeanne d’Arc zu Rouen 1431 (Bischof Cauchon) – Regie: Benno Besson, Bertolt Brecht (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin – Kammerspiele)
1953: Erwin Strittmatter: Katzgraben (Großbauer Grossmann) – Regie: Bertolt Brecht (Berliner Ensemble im Deutschen Theater Berlin)
1954: Molière: Don Juan (Don Juan) – Regie: Benno Besson (Berliner Ensemble)
1954: Bertolt Brecht: Der kaukasische Kreidekreis (Gouverneur Georgi Abaschwili) – Regie: Bertolt Brecht (Berliner Ensemble)
1943: Rudolf Kalmar junior: Die Blutnacht auf dem Schreckenstein oder Ritter Adolars Brautfahrt und ihr grausiges Ende oder Die wahre Liebe ist das nicht (Auch Rolle als Adolar) (Konzentrationslager Dachau)
Meine unruhigen Jahre. Dietz-Verlag, Berlin 1984 (mit Günter Agde) – Taschenbuchausgabe: Aufbau-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-7466-0161-4
Interview
Thomas Heise: Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie. Ein Gespräch mit dem Schauspieler Erwin Geschonneck. Ch. Links Verlag, Berlin 2016, Audio-CD, ISBN 978-3-86153-915-5.
Wolfgang Carlé: Erwin Geschonneck. Henschelverlag, Berlin (DDR) 1960
Thomas Heise: Widerstand und Anpassung – Überlebensstrategie. Erinnerungen eines Mannes an das Lager Dachau. Radio-Feature. Prod.: Rundfunk der DDR, 1987. (Gespräch mit Erwin Geschonneck)
Frank Hörnigk: Erwin Geschonneck. Eine deutsche Biografie. Theater der Zeit, Berlin 2006, ISBN 978-3-934344-83-9 (Das Originaltonfeature von Th. Heise liegt dem Buch als CD bei.)
Kay Weniger: ‘Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …’. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S. 191 f.
↑Mischket Liebermann: Aus dem Ghetto in die Welt. Verlag der Nation Berlin, 1977, S. 143.
↑Geschonneck, Erwin.: Meine unruhigen Jahre : [mit einem kompletten Rollenverzeichnis von 1946–1982]. 1. Auflage. Aufbau-Taschenbuch-Verl, Berlin 1993, ISBN 3-7466-0161-4.
↑Heiner Müller sargt seine Stücke ein und versteinert Brecht. „Duell Traktor Fatzer“ im Berliner Ensemble. Die Geschichte einer Provokation: Das Todeskapitel. In: Die Zeit. 8. Oktober 1993, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 31. Dezember 2017]).