Enschede
Enschede [niedersächsisch Eanske) in der Provinz Overijssel ist eine Großstadt im Osten der Niederlande mit 161.741 Einwohnern (Stand 1. Januar 2024). Insbesondere in den ländlichen Bereichen Enschedes sprechen viele Alteingesessene bis heute ihre westfälische Mundart des Niedersächsischen (Nedersaksische taal). ] ( ) (GeographieDie Stadt gehört zur Region Twente zwischen Hengelo und der Staatsgrenze zur Bundesrepublik Deutschland. Die östliche Nachbarstadt ist Gronau in Westfalen. GeschichteMittelalter und Frühe NeuzeitEnschede entwickelte sich im Frühmittelalter aus einer niederdeutschen Siedlung an der Handelsstraße zwischen Deventer und den östlichen Nachbarorten. Der Name Enschede geht wahrscheinlich auf das Niederdeutsche „An de Schede“, auf Hochdeutsch „an der Scheide“, zurück und deutete damit nach gängiger Theorie auf das angrenzende Moorgebiet, dem Amtsvenn hin. Im Jahre 1325 erhielt Enschede offiziell die Stadtrechte durch Utrechter Bischof Jan van Dienst verliehen. Mit der Loslösung der niederländischen Provinzen vom Heiligen Römischen Reich infolge des 1648 geschlossenen Westfälischen Friedens entstand in der Nähe dieser Stadt eine neue Grenze, die sich mitten durch das niedersächsische Sprachgebiet zog und später als niederländisch-deutsche Grenze bezeichnet wurde. 19. und frühes 20. Jahrhundert1862 wurde Enschede durch einen Großbrand nahezu völlig zerstört. Als sich kurz darauf der Engländer Thomas Ainsworth, Erfinder eines neuen Verfahrens für die Weberei, hier ansiedelte, entwickelte sich die Stadt zum bedeutendsten Standort der Textilindustrie in den Niederlanden, wovon auch die angrenzende Stadt Gronau nachhaltig profitierte. Die Region verfügte über traditionsgemäß erfahrene Fachkräfte in der Hausweberei, die für geringe Entlohnung arbeiteten. Die Rohstoffe für die Textilindustrie, unter anderem Baumwolle, wurden aus der damaligen Kolonie Niederländisch-Indien, dem heutigen Indonesien, eingeführt. Während der Blütezeit zählte Enschede 75 Textilfabriken. Zweiter WeltkriegWährend des Zweiten Weltkriegs war Enschede aufgrund seiner grenznahen Lage eine der ersten niederländischen Städte, welche von der deutschen Wehrmacht eingenommen wurde. Unter dem Eindruck einer Razzia im September 1941, bei der 105 Juden aus Twente verhaftet und in das KZ Mauthausen verbracht wurden, brachte Leendert Overduin (1900–1976), ein Prediger der Gereformeerde Kerken in Hersteld Verband, einer kleinen reformierten Kirche, eine Gruppe von etwa 50 Judenrettern zusammen.[3] Der Groep Overduin (niederländisch: Gruppe Overduin) gelang es, etwa 1000 Juden aus Twente vor ihrer Deportation und damit dem Holocaust zu bewahren, indem sie diese auf landwirtschaftlichen Betrieben der Umgebung versteckten oder weiter fortbrachten.[4] So überlebten etwa 500 der rund 1300 Juden, die 1940 in Enschede lebten, die deutsche Besatzung. Die Gedenkstätte Yad Vashem zeichnete 1973 Leendert Overduin und andere Judenretter seiner Gruppe als Gerechte unter den Völkern aus.[5] Die meisten Widerstandskämpfer Enschedes fanden kurz vor der Befreiung der Stadt den Tod, als sie von einem mutmaßlich mit der deutschen Oberhoheit sympathisierenden Spion verraten wurden, der den Besatzern einen Kellerraum als geheimen Treffpunkt des Widerstandes nannte. Die Deutschen suchten daraufhin diesen Treffpunkt auf und warfen Granaten in den Kellerraum, wodurch die meisten der Anwesenden getötet wurden.[6] Enschede wurde von der Royal Air Force bzw. von der US Air Force 61 Mal bombardiert,[7] teils weil Enschede irrtümlich für eine deutsche Stadt gehalten und unter anderem mit Münster verwechselt wurde (so beim Angriff am 22. Februar 1944 mit 40 Toten),[8] teils starben Zivilisten als „Kollateralschäden“ bei Angriffen auf militärische Ziele und Industrieanlagen (so beim Angriff am 10. Oktober 1943 mit 151 Toten),[8] der den von der Luftwaffe genutzten Flugplatz Twente hätte treffen sollen. Durch die Luftangriffe der Alliierten kamen in Enschede 356 Menschen ums Leben,[7] die Stadt trug immense Kriegsschäden davon. Enschede wurde am 1. April 1945 durch britische Truppen befreit.[9] NachkriegszeitMit der Unabhängigkeit Indonesiens 1947 und wegen der ab etwa 1965 immer größer werdenden Konkurrenz aus Südostasien verschwand die Textilindustrie schließlich aus der Region. In der alten Janninksfabrik an der Haaksbergerstraat wurde ein Textilmuseum eingerichtet, in dem die alten Zeiten nachvollzogen werden können. Aufgrund einer Gemeindereform gehören heute zu Enschede auch einige Dörfer der Umgebung, darunter Glanerbrug und Boekelo. Deren große Salzfabrik wurde 1952 ins nahe Hengelo umgesiedelt. In den 1990er Jahren gab es Überlegungen zum Zusammenschluss von Enschede mit Hengelo und Borne zu einer „Twentestad“. Ende 2001 schlossen die Gemeinderäte dieser drei Kommunen gemeinsam mit Almelo einen Kooperationsverbund unter dem Namen Netwerkstad Twente. Die Netwerkstad arbeitet wiederum mit Münster und Osnabrück im Städtedreieck MONT (Münster, Osnabrück, Netwerkstad Twente) zusammen. Am 13. Mai 2000 zerstörte die Explosion der Feuerwerkskörperfabrik S.E. Fireworks einen Großteil des Ortsteils Roombeek; 23 Menschen verloren bei der Katastrophe ihr Leben, darunter vier Feuerwehrleute. Wirtschaft und InfrastrukturVerkehrStraßenverkehrDie Stadt an der A 35/N 35, einer Abzweigung der niederländischen A 1 (BAB 30) (Autobahn Amsterdam–Hengelo–Osnabrück–Berlin) liegt etwa 65 Kilometer nordwestlich von Münster und ca. 80 km westlich von Osnabrück. Von Enschede führen der N 18 nach Doetinchem und die B 54 nach Münster. EisenbahnverkehrIm Bahnhof Enschede beginnen IC-Züge nach Amersfoort–Amsterdam/Rotterdam/Den Haag sowie Nahverkehrsleistungen mit dem Sprinter nach Almelo–Zwolle–Deventer und nach Apeldoorn. Letztere bedienen auch den westlich am Stadion Grolsch Veste/Universität Twente gelegenen Haltepunkt Enschede Kennispark. Die DB Regio (RB64) Enschede–Gronau–Münster fährt täglich im Stundentakt; durch das Münsterland verkehrt in gleichem Rhythmus auch die Westmünsterlandbahn (RB51) über Gronau, Coesfeld, Dülmen und Lünen nach Dortmund, so dass tagsüber zwischen Enschede und Gronau ein halbstündliches Zugangebot besteht. Hier liegen auch die Haltepunkte De Eschmarke und Glanerbrug. In Enschede muss in jedem Fall umgestiegen werden, durchgehende Verbindungen sind an diesem Grenzbahnhof baulich nicht (mehr) möglich. Die Strecke Ahaus–Alstätte–Enschede Süd wurde auf niederländischer Seite 1971 abgebaut. In den Zügen werden zwischen Gronau und Enschede der regionale Westfalentarif, der NRW-Tarif (Schöner Tag Ticket NRW sowie Schöne Fahrt NRW), das Quer-durchs-Land-Ticket, die Freifahrt für Schwerbehinderte, das Semesterticket NRW und das Deutschlandticket anerkannt.[10] Der Tarif der Nederlandse Spoorwegen gilt ebenso zwischen Glanerbrug und Enschede. BusverkehrDer Busverkehr in Enschede wird von einem dichten Stadtbusnetz erschlossen, das das Unternehmen Keolis Nederland betreibt. Regionalbusse fahren im dichten Taktverkehr in alle umliegenden Städte. FlugverkehrNördlich von Enschede befindet sich der kleine Flughafen Enschede Airport Twente. Ansässige UnternehmenEnschede ist Sitz der Brauerei Grolsch, des Reifenherstellers Vredestein sowie des Jazz-Label Criss Cross Jazz. In Enschede sind zudem gegenwärtig mehrere grenzüberschreitend aktive IT-Unternehmen angesiedelt (u. a. Rechenzentrum von Equinix), aber auch handwerkliche Siebdruckereien. In Enschede befindet sich ferner der Redaktionssitz der regionalen Tageszeitung De Twentsche Courant Tubantia sowie eine Spielbankfiliale des Holland Casino (Casino Enschede). Aktuell ist das Projekt New Dish Hotel Tower in Planung, welches mit einer Höhe von ca. 130 m das höchste Gebäude der Stadt werden soll. Märkte
BildungEnschede ist Standort verschiedener Hochschulen. Neben der auf Technik ausgerichteten Universität Twente sind zu nennen:
Von den etwa 44.000 Studierenden in der Stadt kommen wegen der Grenznähe viele aus dem westfälischen Münsterland, aus dem Emsland und der Grafschaft Bentheim. In Enschede befindet sich ferner ein Standort der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung. Sehenswürdigkeiten, Kultur, Erholung
Deutsch-niederländische MusikgeschichteCharakteristisch für die Musikkultur von Enschede (und Gronau) war bis 1945 (und zum Teil bis in die 1960er Jahre hinein) die deutsch-niederländische Verbindung, die sich aus der historischen Zusammenarbeit im Grenzraum und der im 19. und 20. Jahrhundert prägenden Textilindustrie ergab. Vor allem in der Umbruchszeit nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich in Gronau und Enschede eine enge und erfolgreiche deutsch-niederländische Kultur-Kooperation, die sich über Streichquartette, Salonorchester und Hotdance-Kapellen bis hin zu Sinfonieorchestern und einer Operettengesellschaft mit eigenen Uraufführungen steigerte. Das heutige Orkest van het Oosten erhielt Impulse aus dieser Musikszene; die Reisopera hatte in der 1935 gegründeten Enschedesch Opera en Operette Gezelschap einen Vorläufer. Zugleich fand der Jazz ab 1920 Anhänger. Noch heute bietet die Nachbarstadt Gronau ein kulturelles Spektrum und ist wegen der ungewöhnlich dichten Laienmusikvereinslandschaft sogar für wissenschaftliche Untersuchungen relevant. Enschede entwickelt sich mit dem Neubau seines „Muziekkwartiers“ zu der Musikstadt im Osten der Niederlande. PolitikDie Lokalpartei Burgerbelangen Enschede holte bei der Kommunalwahl im Jahr 2022 rund ein Fünftel aller Stimmen und konnte damit ihren Wahlsieg aus dem Jahr 2018 verteidigen. GemeinderatKommunalwahl am 16. März 2022[13]
Wahlbeteiligung: 45,39 %
% 30 20 10 0 20,93 10,14 9,96 8,73 8,32 7,56 5,19 4,87 4,37 19,92
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 2018
%p 6 4 2 0 −2 −4 +5,19 −0,62 +1,01 −1,78 −2,64 −3,06 −1,09 +4,87 −2,36 +0,47 Der Gemeinderat von Enschede formiert sich seit 1982 wie folgt:
a Parteien, die zwar an der Wahl teilgenommen hatten, aber keinen Ratssitz erlangen konnten, werden nicht berücksichtigt. b Bis einschließlich 1998 kandidierte Burgerbelangen Enschede unter dem Namen Enschede Nu. StädtepartnerschaftenEnschede listet folgende drei Partnerstädte auf:[14]
PersönlichkeitenSöhne und Töchter der Stadt:
Literatur
WeblinksCommons: Enschede – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Enschede – Reiseführer
Einzelnachweise
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