Ein Eisenbahnunfall (auch Eisenbahnunglück) ist ein Unfall, der in ursächlichem Zusammenhang mit dem Betrieb einer Eisenbahn und dessen typischen Gefahren steht.
Die Definition des Eisenbahnunfalls ist bei einzelnen Bahnen oder Institutionen leichten Abweichungen unterworfen.
Die deutsche Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) definiert: Ein Unfall ist ein unerwünschtes oder unbeabsichtigtes plötzliches Ereignis oder eine besondere Verkettung derartiger Ereignisse, die schädliche Folgen haben.[1]
Die Deutsche Bundesbahn unterschied zwischen „Bahnbetriebsunfall“ und „Arbeitsunfall“, wobei der Bahnbetriebsunfall definiert war als Unfall bei bewegten Eisenbahnfahrzeugen außerhalb der Ausbesserungswerke und das Zerknallen von Kesseln aller Art an bewegten oder stillstehenden Eisenbahnfahrzeugen.[3] Alle anderen Unfälle galten als „Arbeitsunfälle“.[4]
Geschichte
Unfallgeschehen
Bereits seit der Frühzeit der Eisenbahn sind Unfälle bekannt. Die älteste Aufzeichnung darüber stammt aus dem 17. Jahrhundert aus einem britischenBergwerk.[Anm. 1] Die Fahrzeuge wurden damals mit Muskelkraft auf hölzernen Schienen bewegt. Allerdings ist die Quellenlage sehr unterschiedlich. Aus der Frühzeit der Eisenbahn ist sie sehr lückenhaft. Nur in Großbritannien, wo bereits 1840 eine staatliche Eisenbahnaufsicht eingerichtet wurde, stellen deren Berichte zu Unfällen einen relativ geschlossenen Block von Quellen dar.[5]
Berühmt geworden ist die Definition des Reichsgerichts aus dem Jahre 1879 für eine Eisenbahn und einen Eisenbahnunfall:
„Ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Strecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtsmassen bzw. die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (wie Dampf, Elektrizität, tierischer, menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere, der Transportgefäße und deren Ladung usw.) bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige (je nach dem Umständen nur in bezweckter Weise nützliche, oder auch Menschenleben vernichtende und die menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist.“[6][Anm. 6]
Mit dem technischen Fortschritt kamen auch die daraus jeweils erwachsenden Unfallquellen hinzu, andere entfielen (etwa die Gefahren der Gasbeleuchtung[Anm. 7]). Im Rahmen der Elektrifizierung kam es – bis heute – zu Unfällen mit Bahnstrom.[Anm. 8] Die Zahl der tödlichen Unfälle durch Kontakte mit der Oberleitung ist auch heute recht erheblich.[Anm. 9]
Dank moderner Zugbeeinflussungssysteme hat sich das Risiko von Eisenbahnunfällen verringert. Durch die Ergänzung der Punktförmigen Zugbeeinflussung durch zusätzliche 500-Hz-Magnete ging in Deutschland und Österreich die Zahl der durch Signalmissachtung verursachten Kollisionen drastisch zurück. Ähnliche Erfolge erzielten in der Schweiz das System ZUB 121 und in Frankreich KVB.[7]
Von der indischen Eisenbahn wurde bekannt, dass dort allein 2014 mehr als 27.000 Menschen bei Eisenbahnunfällen starben. Etwa die Hälfte davon waren Personen, die aus oder von einem Zug fielen oder auf den Gleisen liefen und überfahren wurden.[8]
Psychische Auswirkungen
Die psychischen Auswirkungen schwerer Eisenbahnunfälle auf die Unfallopfer sind oft einschneidend. Historisch waren das die ersten Großunfälle der Industrialisierung, die auch eine breite Allgemeinheit betrafen. Eisenbahnunfälle waren daher einer der Ausgangspunkte für die Traumaforschung. Das Unfallopfer erlebte sich als dem Geschehen gegenüber völlig hilf- und schutzlos, ohne jede Chance einer sinnvollen Reaktion darauf, ausgeliefert. Im Gegensatz zu Naturkatastrophen war ein Eisenbahnunfall in der Regel Folge fehlerhaften menschlichen Handelns. Das Erklärungsmuster, dass das schon immer so gewesen war und dagegen nichts unternommen werden konnte, versagte hier.[9]
Psychische Schäden waren in ihren Folgen in weit geringerem Maß beherrschbar als körperliche Schäden: So befand sich Charles Dickens am 9. Juni 1865 auf der Rückreise von Paris, als der aus Folkestone kommende Zug nach London auf der Brücke über den Beult, ein Nebenfluss des Medway, entgleiste und die Brücke zum Einsturz brachte, weil auf der South Eastern Main Line im Zuge einer Baustelle Gleise entfernt worden waren, ohne die Baustelle ausreichend zu sichern. Der Schriftsteller wurde bei diesem Eisenbahnunfall von Staplehurst körperlich nicht verletzt. An der Unfallstelle leistete er zunächst anderen Reisenden Hilfe. Bei dem Unfall starben aber 10 Reisende, 40 weitere wurden verletzt. Charles Dickens war durch den Unfall psychisch traumatisiert. Er hatte seitdem große Probleme, mit dem Zug zu reisen, und versuchte, das möglichst zu vermeiden.
Andere Reisende, die lebend aus Unfällen herauskamen, waren psychisch weit stärker traumatisiert, bis hin zur Arbeitsunfähigkeit.[10] So kam es zu ersten Schadenersatzprozessen – entsprechend der dort technisch fortgeschrittenen Entwicklung zuerst in Großbritannien –, bei denen auch diesbezüglich medizinische Gutachten als Beweismittel eingesetzt wurden. Entsprechend dem damals vorherrschenden mechanistischen Weltbild musste es eine materielle Ursache für diese psychischen Schäden geben. Der britische Mediziner John Eric Erichsen entwickelte die These von der „Railway Spine“ („Eisenbahn-Rückgrat“), nach der das Nervensystem der Wirbelsäule bei den psychisch traumatisierten Opfern durch die mechanischen Kräfte des Unfallgeschehens beschädigt worden sei (ohne dass das allerdings physisch nachweisbar war). Andere Wissenschaftler gingen von einer entsprechenden Schädigung des Gehirns aus. In Deutschland, das damals der technischen Entwicklung hinterher hinkte, vertrat einige Zeit später etwa Hermann Oppenheim entsprechende Thesen. Diese mechanistische Sicht der Trauma-Entstehung war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein vorherrschend.[11]
Selbst bei Angehörigen der Opfer von Eisenbahnunfällen wurden solche Traumata beobachtet: 1850 wurde Maria Fischer, 22 Jahre alt, mit psychosomatischen Störungen in das Hospital zum heiligen Geist in Frankfurt am Main aufgenommen. Nachdem ihr Bruder und einzig lebender Verwandter bei einem Eisenbahnunfall ums Leben gekommen war, setzte bei ihr die Menstruation aus und die Beinmuskulatur war gelähmt.[12]
Querender Verkehr, insbesondere auf niveaugleichen Bahnübergängen.
Es ist aber zu berücksichtigen, dass diese Systematik in der Praxis sehr viel weniger eindeutig ist, als sie hier erscheint, und dass in der Regel mehrere Komponenten bei einem Unfall zusammenspielen.
Schon Ludwig Ritter von Stockert systematisierte Eisenbahnunfälle nach ihren Ursachen. Dieses Schema war auch später sehr verbreitet[16] und wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz heute noch durch die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstellen verwendet.[17][Anm. 18]
Eine Alternative ist es, Eisenbahnunfälle nach den aufgetretenen Schäden zu klassifizieren. Dieses System wird etwa in der Liste schwerer Unfälle im Schienenverkehr oder von der Schweizerischen Unfalluntersuchungsstelle (SUST) angewandt.
Der Eisenbahnunfall von Quintinshill in Dumfriesshire, Schottland, am 22. Mai 1915 während des Ersten Weltkrieges war eine „Massenkollision“, an der fünf Züge beteiligt waren – drei Züge stießen zusammen, zwei weitere wurden dabei beschädigt. 230 Menschen starben und weitere 246 wurden verletzt, weil die verantwortlichen Eisenbahner Sicherheitsregeln missachtet hatten oder umgingen.
Bei dem Eisenbahnunfall von Borki entgleiste am 17. Oktoberjul. / 29. Oktober1888greg. der von zwei Lokomotiven gezogene Hofzug des Zaren Alexander III. auf der Fahrt von der Krim nach St. Petersburg südlich von Charkow. 23 Reisende starben. Die Angaben zu den Verletzten schwanken zwischen 12 und 36. Die Zarenfamilie blieb unverletzt, obwohl der Speisewagen, in dem sie sich zum Unfallzeitpunkt aufhielt, stark beschädigt wurde. Die Unfallursache wurde nie aufgeklärt, die private Bahngesellschaft und Staatsbeamte versuchten jeweils dem anderen die Schuld zuzuweisen. Vermutlich war die Unfallursache eine Kombination aus einem zu schweren Zug, zu hoher Geschwindigkeit und unzureichendem Oberbau. Allerdings hielten sich hartnäckig Gerüchte, dass es sich um ein Attentat gehandelt habe. Dafür liegen allerdings keine Beweise vor. Die russische Monarchie stilisierte in ihrer Propaganda die wundersame Rettung des Zaren und seiner Familie zu einem Gottesurteil über die Legitimation der Herrschaft des Zaren über Russland.
Bei dem Eisenbahnunfall auf der Firth-of-Tay-Brücke stürzte die Firth-of-Tay-Brücke am 28. Dezember 1879 unter dem Schnellzug von Edinburgh nach Dundee zusammen. Von den 75 Menschen im Zug überlebte keiner. Der Zug befuhr während eines Orkans den Mittelteil der Brücke, als dieser nachgab und mit dem Zug in den Firth of Tay stürzte. Die Brücke war unter dem Gewicht des Zugs, der Windlast des Orkans und den unter diesen Umständen zu hohen dynamischen Kräften des Zuges zusammengebrochen. Letztendliche Ursache aber war die mangelhafte Konstruktion der Brücke.[Anm. 19]
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Immer stehen Unfälle von Personenzügen – oder zumindest solche mit „Personenschaden“ – im Vordergrund. Die Unfälle von Güterzügen dagegen nur dann, wenn entweder auch Menschen ums Leben kommen oder der Unfall eine Großkatastrophe verursacht. In der Regel handelt es sich dann um Kesselwagen mit Gefahrgut, die in den Unfall verwickelt sind. Die „kleinen“ Rangierunfälle, die – zumindest als der Einzelwagenverkehr noch einen erheblichen Anteil am Güterverkehr der Bahn stellte – zahlenmäßig überwogen und oft nur relativ geringen Sachschaden zur Folge hatten, liegen unterhalb der Schwelle öffentlicher Wahrnehmung und Berichterstattung. Unfälle der Bundesbahnen (SBB) finden in den Schweizer Medien mehr Interesse als Unfälle bei regional auftretenden Meterspurbahnen.[30]
Die Eisenbahn ist im Vergleich zum Straßenverkehr ein relativ sicheres Verkehrsmittel, doch wie in jedem technischen System lassen sich Unfälle auch hier nicht ausschließen. Die seltenen Zugunfälle erscheinen für eine Berichterstattung weit interessanter als die alltäglichen Straßenverkehrsunfälle. Oft lassen sich in der Berichterstattung Ungenauigkeiten finden, so werden beispielsweise die Begriffe Lokomotivführer/Triebfahrzeugführer einerseits und Zugführer häufig verwechselt.[31] Regelmäßig sind in der Berichterstattung auch Stereotypen zu beobachten: Züge, die in Unfälle verwickelt sind, scheinen grundsätzlich zu „rasen“, auch wenn die Geschwindigkeit eher mäßig ist. Das wird in der Fachliteratur – wenn auch offensichtlich vergeblich – kritisiert:
“In exactly the same manner that happens after a major accident today, the press was quick to take lively interest, produce large quantities of inaccurate and irrelevant comment [bezüglich des Eisenbahnunfalls von Versailles, 1842], and to express opinion.”
„In genau derselben Weise, wie das heute nach einem großen Eisenbahnunfall geschieht, war die Presse schnell dabei, in großer Menge ungenaue und unzutreffende Kommentare und Meinungen [bezüglich des Eisenbahnunfalls von Versailles, 1842] zu verbreiten.“
Was das technische Verständnis angeht, sind oft Fehler zu entdecken. So wird, wenn ein Unfall durch einen elektrischen Schlag aus dem Fahrtdraht verursacht wurde, „eine Stromstärke von 15.000 Volt“ genannt. Diese Aussage ist gleich in zweifacher Hinsicht falsch:
Volt gibt die Spannung an; Stromstärke hingegen wird in Ampere angegeben.
Die Spannung spielt bei Unfällen mit elektrischem Strom eine eher untergeordnete Rolle. In erster Linie entscheidend für die Unfallfolgen sind die Stromstärke und die Einwirkdauer, die angesichts der technischen Erfordernisse für den Bahnbetrieb beide sehr hoch sind.
Bei der Berichterstattung über Eisenbahnunfälle ist weiter darauf zu achten, in welchem zeitlichen Abstand zum Unfall berichtet wird: Unmittelbar nach einem Unfall sind insbesondere Angaben zu Ursache, Folgen und Opfern oft noch sehr ungenau. Mit je mehr Abstand zum Ereignis eine Berichterstattung erfolgt, umso genauer sind in der Regel die Angaben, aber umso seltener wird überhaupt noch berichtet. Liegt dann – oft Monate später – ein offizieller Bericht zur Unfallursache vor, finden dessen Resultate nur noch selten Eingang in die Berichterstattung.
Weiter sind in Ländern ohne freie oder mit beschränkter Berichterstattung große Eisenbahnunfälle in der Regel der Zensur unterworfen. So sind die Quellen zu Eisenbahnunfällen in Spanien während der Franco-Diktatur oft dürftig, weil selbst die offiziellen Untersuchungsberichte nach der Auswertung vernichtet und Opferzahlen nach unten „korrigiert“ wurden. Und in der Volksrepublik China sind in einem Zeitraum von 30 Jahren zwischen 1948 und 1978 scheinbar keine bedeutenden Eisenbahnunfälle geschehen.[Anm. 23]
Eisenbahnunfall als literarisches Thema
Bald nachdem sich die Eisenbahn im 19. Jahrhundert als allgemeiner, bald auch führender Verkehrsträger real und im Bewusstsein der Menschen etabliert hatte, wurde sie selbst, aber auch die mit ihr verbundenen Unfälle zum Thema der Literatur.
Seit Beginn der Filmaufzeichnungen am Ende des 19. Jahrhunderts war die Eisenbahn ein interessantes Thema für das neue Medium. Bald wurde auch der Eisenbahnunfall einbezogen. Etwa ab 1907 war dieses Thema in den USA sehr beliebt.[33] Dabei war ein spannendes Moment oft, dass der Eisenbahnunfall drohte, dann aber im letzten Moment abgewendet wurde und nicht stattfand. In den Fällen, in denen es im Film zu einem Eisenbahnunfall kam, bestand einerseits die Möglichkeit, die entsprechenden Szenen zu stellen – im Freien oder im Studio[Anm. 24] –, eine entsprechende Sequenz als Trickfilm hineinzuschneiden oder aber einen Eisenbahnunfall mit echten Fahrzeugen zu arrangieren, tatsächlich stattfinden zu lassen und das dabei abgedrehte Filmmaterial in einen Spielfilm einzubauen.[Anm. 25] Da letzteres eine sehr teure Variante war, wurden dafür alte Fahrzeuge beschafft und die bei einem solch bewusst herbeigeführten Unfall entstandenen Szenen auch in mehrere Filme hineingeschnitten. Zudem wurden die Dreharbeiten für das Publikum gegen Eintritt zugänglich gemacht, was allein oft schon einen erheblichen Teil der Kosten deckte.[34] Erstmals geschah das für den Film „The Wreck“ (USA 1914), bei dem die zentrale Szene des Frontalzusammenstoßes zweier Züge allein 10.000 Pfund Sterling (das entsprach damals 200.000 Goldmark) kostete und die Handlung des Films um diese Schlüsselszene herum gestaltet wurde.[35] Der Erfolg des Films erzeugte eine Reihe von Nachahmern. Auf Coney Island wurde von einer Filmgesellschaft ein realer Zusammenstoß vor zahlendem Publikum durchgeführt, gefilmt und später in einen Spielfilm hineingeschnitten. Weitere derartige Veranstaltungen wurden in New Jersey durchgeführt, bis keine dafür verwendbaren, ausgemusterten Maschinen mehr aufzutreiben waren.[36]
Die ältesten als Trickfilmszenen aufgenommenen Eisenbahnunfälle stammen noch aus dem 19. Jahrhundert. Die wohl älteste derartige Szene wurde 1897 von R. W. Paul aufgenommen.[37] Es folgten mehrere derartige Szenen von Georges Méliès zwischen 1898 und 1906.[37]
Eine weitere Gruppe von Filmen, die mit Eisenbahnunfällen zusammenhängen, sind Aufklärungs- und Lehrfilme, die zur Unfallverhütung hergestellt wurden. Viele größere Staats-Eisenbahnverwaltungen in Europa haben solche Filme – zum Teil in großer Zahl – hergestellt.[38] Eine Ausnahme bilden die Schweizerischen Bundesbahnen, für die die Relation zwischen Kosten der Herstellung und der Zahl der Bediensteten, denen solche Filme gezeigt werden konnten, zu ungünstig war.[39]
Spielfilme
Die nachfolgende Liste enthält eine Aufzählung (nicht vollständig) von Spielfilmen mit Eisenbahnunfall-Szenen.
Immer wieder gab es Veröffentlichungen, die Eisenbahnunfälle listeten, systematisierten und vor allem versuchten, unfallverhütend zu wirken. Ein Problem für deren Auswertung besteht darin, dass zahlreiche dieser Schriften für innerdienstliche Zwecke vorgesehen waren und deshalb bibliografisch „graue Literatur“ darstellen. Wenn es etwa heißt: „Sammlungen [von Eisenbahnbetriebsunfällen] haben schon früher [vor 1926] einzelne der vormaligen Ländereisenbahnen von Zeit zu Zeit herausgegeben“[44], so erweist es sich als außerordentlich schwierig, diese Literatur aufzufinden.
Ein weiteres Problem im deutschsprachigen Raum vor dem Zweiten Weltkrieg ist es, dass es üblich war, die Beschreibungen von Eisenbahnunfällen völlig – auch hinsichtlich der geografischen Lage der Unfallstelle – zu anonymisieren.[45] Das macht es in der Regel unmöglich, diese fachlich sehr genauen Beschreibungen einem konkreten Unfall zuzuordnen. Das wurde und wird im angelsächsischen Bereich ganz anders gehandhabt. Hier enthalten Unfallberichte nicht nur genaue Ortsangaben, sondern selbst Beteiligte und Dritte wurden (und werden) oft mit vollem Namen genannt.
Bernhard Püschel: Historische Eisenbahn-Katastrophen. EK-Verlag, Freiburg 1977, ISBN 3-88255-838-5.
Hans Joachim Ritzau: Eisenbahn-Katastrophen in Deutschland. Splitter deutscher Geschichte. Bd. 1. Landsberg-Pürgen 1979.
Hans-Joachim Ritzau, Jürgen Hörstel, Thomas Wolski: Schatten der Eisenbahngeschichte. 1997, ISBN 3-921304-36-9.
Hans-Joachim Ritzau: Schatten der Eisenbahngeschichte – Katastrophen der deutschen Bahnen. Teil 2, 1993, ISBN 3-921304-86-5.
Hans-Joachim Ritzau: Schatten der Eisenbahngeschichte – Ein Vergleich britischer, US- und deutscher Bahnen. 1987, ISBN 3-921304-69-5.
Hans-Joachim Ritzau: Von Siegelsdorf nach Aitrang. Die Eisenbahnkatastrophe als Symptom – eine verkehrsgeschichtliche Studie. Landsberg 1972.
Hans Rockelmann: Bahnbetriebsunfälle und Unfallhilfe = Eisenbahn-Lehrbücherei der Deutschen Bundesbahn 38. Josef Keller, Starnberg 1967.
Ascanio Schneider u. Armin Masé: Katastrophen auf Schienen. Eisenbahnunfälle, ihre Ursachen und Folgen. Zürich 1968. [sehr „journalistisch“, manchmal fehlerbehaftet]
Peter W. B. Semmens: Katastrophen auf Schienen. Eine weltweite Dokumentation. Transpress, Stuttgart 1996, ISBN 3-344-71030-3.
Ludwig Ritter von Stockert: Eisenbahnunfälle. Ein Beitrag zur Eisenbahnbetriebslehre. 2 Bde. Leipzig 1913.
Ludwig Stockert: Eisenbahnunfälle (Neue Folge) – Ein weiterer Beitrag zur Eisenbahnbetriebslehre. Berlin 1920.
Thomas Wunschel: Aus niederen Gründen – Sabotage und Attentate als Unfallursache. In: Martin Weltner: Bahn-Katastrophen. Folgenschwere Zugunfälle und ihre Ursachen. München 2008, ISBN 978-3-7654-7096-7, S. 132–135.
Michael Ziegert: Der Eisenbahnunfall: Verantwortung – Aufklärung – Abwicklung. In: Eisenbahn-Revue International 7 (2017), S. 366–368.
↑Zwei Jungen starben im April und Juli 1650 in Whickham, County Durham, nachdem sie von Hunten einer Grubenbahn überfahren wurden. Es handelt sich um die ältesten bekannten Eisenbahnunfälle, bei denen Menschen ums Leben kamen. (David Wragg: Signal Failure: Politics & Britain’s Railways. Stroud 2004, ISBN 978-0-7509-3293-6, S. 46).
↑Am 31. Juli 1815 explodierte in Philadelphia, County Durham, der Kessel der experimentellen Dampflokomotive Mechanical Traveller und riss 16 (nach anderer Quelle 13) umstehende Zuschauer in den Tod. Dieser Unfall ist die älteste bekannte Kesselexplosion einer Lokomotive und bis heute diejenige mit der höchsten Zahl von Toten überhaupt. Bis zum Eisenbahnunfall von Versailles 1842 war das auch der folgenreichste Eisenbahnunfall.
„Ein Reichsgericht ist eine Einrichtung, welche eine dem allgemeinen Verständnis entgegenkommen sollende, aber bisweilen durch sich nicht ganz vermeiden lassende, nicht ganz unbedeutende bzw. verhältnismäßig gewaltige Fehler im Satzbau auf der schiefen Ebene des durch verschnörkelte und ineinandergeschachtelte Perioden ungenießbar gemachten Kanzleistils herabrollende Definition, welche eine das menschliche Sprachgefühl verletzende Wirkung zu erzeugen fähig ist, liefert.“
↑Am 8. November 1900 fuhr zwischen Mühlheim am Main und Offenbach am Main ein Personenzug auf einen Schnellzug auf. Das Gas eines geplatzten Behälters der Gasbeleuchtung in einem der D-Zug-Wagen strömte aus und entzündete sich an dem Feuer der aufgefahrenen Dampflokomotive. Die beiden letzten Wagen des D-Zuges fingen Feuer und brannten aus. Zwölf Tote und vier Verletzte waren die Folge.
↑Der erste derartige Unfall ereignete sich am 22. Dezember 1901 in Liverpool, als der Elektromotor eines Triebwagens, der durch den Tunnel zu dem unterirdischen Bahnhof Liverpool-Dingle fuhr, in Brand geriet. Dabei starben sechs Menschen, zahlreiche weitere wurden verletzt.
↑In Deutschland wird darüber offenbar keine Gesamtstatistik geführt, wie eine Nachfrage bei der Bundespolizei ergab.
↑Beim teilweisen Einsturz eines Tunnels am 16. Juni 1972 bei Vierzy, Frankreich, den gerade zwei Dieseltriebwagen durchfuhren, starben 108 Menschen und 87 weitere wurden verletzt.
↑Am 3. Juni 1998 löste sich bei einer etwa Geschwindigkeit von etwa 200 km/h in der Nähe von Eschede der Radreifen eines Rades, was anschließend zum Entgleisen des Zuges führte. 101 Menschen starben, 88 weitere wurden schwer verletzt. Es war das bislang schwerste Zugunglück in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sowie aller Hochgeschwindigkeitszüge weltweit.
↑Bei dem Frontalzusammenstoß eines Güterzugs mit einem Personenzug nach Signalmissachtung auf der transkontinentalen Strecke der Canadian National Railway (CN) in Kanada am 8. Februar 1986 starben in der Nähe von Hinton, Alberta, 23 Menschen, weitere 71 Menschen wurden verletzt. Bei der Untersuchung des Unfalls wurden eine ganze Reihe von offenbar wiederholt und allgemein geübten Verstößen gegen die Sicherheitsvorschriften aufgedeckt.
↑Bei dem Frontalzusammenstoß eines Güterzugs und eines voll besetzten Personenzugs am 22. Dezember 1939 auf der Bahnstrecke Stahringen–Friedrichshafen bei Markdorf auf der Gemarkung des heute zu Friedrichshafen gehörenden Orts Lipbach starben 101 Menschen, 47 weitere wurden verletzt, nachdem ein Fahrdienstleiter einen Zug auf die Strecke gelassen hatte, ohne dass ihn zuvor sein Kollege auf dem nächsten Bahnhof angenommen hatte.
↑In der Nacht des 4. November 1875 entfernte ein Mitarbeiter der Franz-Josefs-Bahn bei Schwarzenau ein Schienenstück, um durch die „Rettung“ des Zuges eine Anerkennung zu erlangen. Wegen aufziehenden Nebels misslang es ihm aber, den Personenzug von Wien nach Eger anzuhalten. Der Zug entgleiste. 9 Menschen starben.
↑Nachdem Ratten die Isolierung eines Signalkabels angenagt hatten, kam es zu einer Fehlschaltung der Signaltechnik, worauf zwischen den Bahnhöfen Pau und Artix, auf dem Gemeindegebiet von Denguin, ein Nahverkehrszug auf einen TGV auffuhr. 39 Menschen wurden verletzt (mr: Auffahrunfall in Südfrankreich wegen Nagern im Stellwerk. In: Eisenbahn-Revue International 2014/10, S. 510.); am 1. September 1923 ereignete sich in Japan das Große Kantō-Erdbeben. Es löste u. a. im und bei dem Bahnhof Nebukawa (in Kataura, seit 1954 in Odawara eingemeindet, Präfektur Kanagawa, Japan) auf der Atami-Linie (heute Tōkaidō-Hauptlinie) einen Erdrutsch aus, der einen Zug und die Bahnhofsanlagen ins Meer riss und einen zweiten beschädigte. 112 Menschen starben und 13 weitere wurden verletzt.
Auf der Jungfraubahn ereigneten sich mehrfach Unfälle dadurch, dass Wagen durch starken Wind aus den Gleisen gekippt wurden, so am 8./9. Oktober 1907, am 1. Januar 1957 und am 10. April 1963. (Florian Inäbnit: Jungfraubahn. Leissigen 2003, ISBN 3-907579-27-5, S. 153 ff). Gleiches ereignete sich auch auf der Mecklenburg-Pommerschen Schmalspurbahn. Bei einem ersten Unfall kippten am 8. März 1893 zwei Personenwagen eines fahrenden Zuges aus dem Gleis. Im Herbst des gleichen Jahres ereilte dasselbe Schicksal Güterwagen. In der Folge wurde der Schwerpunkt der Fahrzeuge tiefer gelegt, sodass solche Unfälle nicht mehr vorkamen (Wolf-Dietger Machel: Die Mecklenburg-Pommersche Schmalspurbahn. 2. Aufl. Stuttgart 1997, ISBN 3-613-71053-6, S. 58, 127). Schon am 11. September 1880 geschah bei Summit auf der Bahnstrecke Wellington–Woodville, Neuseeland, ein Unfall aus dieser Ursache.
Weitere Unfälle, die auf starken Wind zurückzuführen waren führt Lionel Thomas Caswell Rolt: Red for Danger. Auflage: London 1978, ISBN 0-330-25555-X, S. 109 f., auf. Auch zum Eisenbahnunfall auf der Tay-Brücke hat starker Seitenwind ursächlich beigetragen.
↑Zur Systematisierung bei der Deutschen Bundesbahn siehe: Rockelmann, S. 11.
↑Theodor Fontane verewigte die Katastrophe noch im Januar 1880 in der mythisierendenBalladeDie Brück’ am Tay. (In: Ders.: Gedichte I. 2. Auflage, 1995 = Große Brandenburger Ausgabe, S. 153–155.)
↑Definitionen. In: Dokumentation, Bahnen und Schiffe, Statistiken. SUST, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 22. Juni 2013; abgerufen am 14. Dezember 2013.
↑Walter von Andrian: Erhöhte Gefahr durch Balisen statt Signum-Magnete im Gleis? In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr.1. Minirex, 2007, ISSN1022-7113, S.45.
↑Sabine Bode: Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen. 13. Auflage 2014, ISBN 978-3-608-94797-7, S. 193.
↑Beispiel anlässlich der Eisenbahnunfalls von Newark: Appelby: The Railway Accident At Newark. In: British Medical Journal, Bd. 2, v. 2. Juli 1870, S. 15.
↑Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. Frankfurt 1989, ISBN 3-596-24414-5, S. 132.
↑Theodor Clemens: Mittheilungen aus dem Hospital zum Heiligen Geist in Frankfurt a. M. Paraplegia hysterica (Eine von Genitalienreizung ausgehende Reflexneurose). In: Die Klinik 2 (1850), S. 545 f.
↑Walter von Andrian: Unfalluntersuchungsstelle in der Krise. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr.7. Minirex, 2014, ISSN1022-7113, S.332.
↑Vgl. etwa: Bloß: Eisenbahn-Betriebsunfälle, S. 86 f.
↑Fatigue of Railway Axles: A Classic Problem Revisited. In: M. Fuentes,M. Elices,A. Martín-Meizoso,J.-M. Martínez-Esnaola (Hrsg.): Fracture Mechanics: Applications and Challenges = ESIS Publication 26. Amsterdam 2000, S. 174.
↑Julien Censier: La section centrale cinematografique de la Societé Nationale des Chemins de Fer / Die Filmabteilung der Französischen Staatsbahnen (S.N.C.F.). In: Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 18–21 (19, 21); Hellmut Lütz: Die Filmarbeit der Deutschen Bundesbahn. In: Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 14 ff. (15); Mario Pellegrino: L’attivita cinematografica delle ferrovie italiane / Die Filmarbeit der italienischen Staatseisenbahnen. In: Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 25–29 (26, 28); D. Potter: The British Railways Board Films Service / The British Railways Board Films Service. In: Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 21–25 (22, 24).
↑Ernst Schenker: Der Schweizerische Bundesbahn-Filmdienst. In: Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 30.
↑ abFilm-Studio Walter Leckebusch: Im Auftrag der Deutschen Bundesbahn hergestellte Filme. In: Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 17.
↑Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 38; Film-Studio Walter Leckebusch: Im Auftrag der Deutschen Bundesbahn hergestellte Filme. In: Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 17.
↑Der Europäische Eisenbahn-Film. Sonderausgabe der deutschen Film-Korrespondenz. München, August 1966, S. 37 f.
↑Vgl. etwa: Bloß: Eisenbahn-Betriebsunfälle, S. III.