Eingriff (Grundrechte)

Eingriff in ein Grundrecht ist jedes staatliche Handeln, das ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.[1][2]

Das Bundesverfassungsgericht versteht darunter einen rechtsförmigen Vorgang, „der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt“[3] und spricht innerhalb der deutschen Grundrechtsdogmatik insoweit von einem Eingriff in den eröffneten Schutzbereich eines Grundrechts. Rechtsförmig ist ein Vorgang, wenn er in Form eines Gesetzes, Verwaltungsakts oder einer Gerichtsentscheidung erfolgt.

Nach erweitertem Begriffsverständnis fallen hierunter auch faktische Eingriffe wie Realakte darunter sowie unbeabsichtigte Nebenfolgen eines auf andere Ziele gerichteten staatlichen Handelns.[4]

Deutschland

Terminologie

Klassischer Eingriffsbegriff

Unter dem klassischen Eingriffsbegriff wird ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, „der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt“.[5] Man spricht insoweit auch von einem engen Eingriffsverständnis. Bloß mittelbar-faktische Einwirkungen werden vom Bundesverfassungsgericht allerdings im Osho-Beschluss unter dem Begriff der „Grundrechtsbeeinträchtigungen“ erfasst und auch auf ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung geprüft.[6]

Moderner (erweiterter) Eingriffsbegriff

Unter dem Grundgesetz wird der klassische Eingriffsbegriff heute allgemein als zu eng empfunden. Deshalb ist das Bundesverfassungsgericht dazu übergegangen, für einen Eingriff jedes staatliche Handeln genügen zu lassen, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, erheblich erschwert oder unmöglich macht.[7] Demnach sind grundsätzlich auch eingriffsgleiche Einwirkungen von entsprechendem Gewicht ausreichend. Finden mittelbar-faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen gezielt statt, soll es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht einmal mehr auf das Gewicht der Beeinträchtigung ankommen.

Mittelbare Eingriffe sind solche, bei denen die Beeinträchtigung nicht beim Adressaten, sondern bei einem Dritten eintritt (Beispiel: Genehmigung eines Atomkraftwerkes). Faktischen Eingriffen fehlt die Rechtsförmigkeit (Beispiel: Videoüberwachung).[8] Als Beispiel für mittelbar-faktische Einwirkungen lässt sich die staatliche Warnung vor Produkten eines Herstellers anführen. Solche hoheitliche Warnungen richten sich (gezielt) an potenzielle Käufer, führen im Ergebnis zu geringeren Verkäufen und beeinträchtigen damit mittelbar den Hersteller. Erfolgt eine solche Informationstätigkeit im Übrigen in rechtmäßiger Weise (d. h. bei Vorliegen einer staatlichen Aufgabe, Zuständigkeit und Richtigkeit und Sachlichkeit der Informationen), soll kein Grundrechtseingriff vorliegen.[9] Bezeichnet ein Bundesminister eine religiöse Gemeinschaft als „Sekte“ mit „destruktiven“ und „pseudoreligiösen“ Zielen, soll hingegen ein mittelbar-faktischer Eingriff vorliegen.[10] Einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf es dennoch nicht. Eine wirklich stringente Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit nicht zu erkennen.[11]

Kritik

Gegen den Ausdruck „Eingriff“ wird mitunter eingewandt, er impliziere einen räumlichen Schutzbereich, in den „hineingegriffen“ werde. Der Qualität der Grundrechte als subjektive Rechte werde das nicht gerecht. Stattdessen wird der Überbegriff „Einwendungen“ vorgeschlagen, der sich in „Eingriff“, soweit als unverletzlich gewährleistete Schutzgüter (Leben, Wohnung) vorliegen, und „Einschränkung“, soweit es sich um bestimmte Handlungsmöglichkeiten („Freiheiten“) handelt, aufgliedere.

Grundrechtsverzicht

Soweit auf ein Grundrecht durch Ausübungsverzicht oder Einwilligung verzichtet wurde, kommt eine Grundrechtsverletzung nicht mehr in Betracht.[12] Voraussetzungen eines Grundrechtsverzichts sind die grundsätzliche Verzichtbarkeit und eine wirksame Verzichtserklärung als Einwilligung. Unter Umständen genügt bereits ein konkludenter Ausübungsverzicht (z. B. Nichtausübung des Wahlrechts).[13][14] Die Verzichtbarkeit auf ein Grundrecht kann bei bedeutsamen, eigenständigen Gemeinwohlanliegen (z. B. Wahlgeheimnis), nach Art und Schwere der Beeinträchtigung oder wegen der Menschenwürde (Art. 1 I GG) ausgeschlossen sein.[15] Die Koalitionsfreiheit steht dagegen nicht zur Disposition einzelner. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig (Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG).

Anforderungen an die Qualität des staatlichen Handelns

Bei einer Reihe von Grundrechten ist der Gesetzgeber zur Ausgestaltung und näheren gesetzlichen Regelung berechtigt oder sogar verpflichtet (sog. Grundrechte mit Ausgestaltungs- und Regelungsvorbehalt). Eine zulässige Grundrechtsausgestaltung hat damit nicht die Qualität eines Eingriffs.[16] Diese Problematik wird insbesondere bei Art. 14 Abs. 1 GG deutlich. Inhalt und Schranken des Eigentums ergeben sich danach nicht unmittelbar aus Art. 14 GG, sondern werden überhaupt erst durch die einfachen Gesetze bestimmt. Ein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht liegt deshalb erst vor, wenn das betreffende Gesetz etwa die Wesensgehaltsgarantie aus Art. 19 Abs. 2 GG verletzen oder unverhältnismäßig sein sollte. Dazu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung.[17]

Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG fordert das Bundesverfassungsgericht für einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit eine „objektiv berufsregelnde Tendenz“ des fraglichen Gesetzes. Aus einer geringfügigen Beeinträchtigung der freien Berufsausübung, die als Belastung kaum mehr als Bagatellcharakter zukommt, folgt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt ist.[18][19]

Vereinzelte Stimmen fordern dagegen für die Allgemeine Handlungsfreiheit als Ausgleich zum weiten Schutzbereich eine Beschränkung auf den „klassischen“ Eingriffsbegriff. Nach verbreiteter Ansicht, die das Bundesverfassungsgericht nicht teilt,[20] soll dies auch für die Freizügigkeit gelten.

Besondere Relevanz hat der Streit um die erforderliche Eingriffsqualität im Hinblick auf die negative Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG erhalten. Das Bundesverfassungsgericht bejaht im Hinblick auf die Schulpflicht einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit der Schüler durch eine kopftuchtragende Lehrerin[21] oder ein an der Wand befestigtes Kreuz.[22] Andere sehen hier die Eingriffsqualität nicht erreicht, ebenso wenig, wie in die Religionsfreiheit des einzelnen etwa durch ein am Feld aufgestelltes Wegkreuz oder ein Gipfelkreuz eingegriffen werde. Nach dieser Ansicht liegt zwar möglicherweise ein Verstoß gegen die weltanschauliche Neutralität des Staates vor, nicht aber ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit – das Bundesverfassungsgericht versubjektiviere die Pflicht zur weltanschaulichen Neutralität zu einem darauf gerichteten Recht.

Rechtfertigung des Eingriffs

Ist festgestellt, dass ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts vorliegt, so ist damit das entsprechende Grundrecht noch nicht automatisch verletzt, der Eingriff nicht ohne Weiteres verfassungswidrig. Vielmehr können Grundrechtseingriffe durchaus rechtmäßig sein, sofern sie verfassungsmäßig gerechtfertigt sind.

Die Verfassung setzt aber diesen Einschränkungen selbst Schranken (die sogenannten Schranken-Schranken) wie das Verhältnismäßigkeitsprinzip, den Gesetzesvorbehalt, das Übermaßverbot, die Wesensgehaltsgarantie, das Zitiergebot und das Verbot des Einzelfallgesetzes.

Ausnahme ist die Menschenwürdegarantie (Art. 1 GG): Sie ist als „unantastbar“ geschützt, woraus in Verbindung mit Systematik und Geschichte die ganz herrschende Meinung folgert, dass ein Eingriff in die Menschenwürde nicht gerechtfertigt sein kann, also zwangsläufig eine Verletzung des Grundrechts darstellt. Die Menschenwürde ist daher abwägungsresistent und uneinschränkbar, selbst im Hinblick auf die Menschenwürde anderer. Dies spielt insbesondere eine Rolle im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der sogenannten Rettungsfolter etwa zum Schutz von Entführungsopfern: Die Menschenwürde des Entführers darf nicht zugunsten des Entführten eingeschränkt werden – selbst in dieser Situation ist Folter verfassungswidrig.[23][Anm. 1] Die Garantie der Menschenwürde unterliegt zudem der in Art. 79 Abs. 3 GG geregelten Ewigkeitsklausel.

Schweiz

Allgemeines

Art. 36 BV

1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.

2 Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.

3 Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.

4 Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.

Wenngleich die Grundrechte für das menschliche Dasein von grösster Bedeutung und ein konstitutives Element des Schweizer Rechtsstaates sind, gibt es Situationen, in denen einzelne Grundrechte eingeschränkt werden müssen; der Staat greift in diesen Fällen in die Grundrechte des Einzelnen ein. Ein Eingriff stellt nicht zwingend eine Grundrechtsverletzung dar, die illegal ist. Die Einschränkung eines Grundrechts ist terminologisch gleichbedeutend mit dem Eingriff.[24] Ob der Eingriff in Form eines Gesetzes, einer Verfügung oder eines Realaktes ergeht, ist für die Feststellung des Eingriffs unerheblich – entscheidend ist alleine die Wirkung beim Grundrechtsträger.[25]

Art. 36 BV hält die Anforderungen für einen Grundrechtseingriff fest. Diese Anforderungen müssen kumulativ erfüllt sein und gelten für alle Grundrechte, auch für jene nach Art. 118b Abs. 2 BV oder Art. 119 Abs. 2 Bst. f und g BV. Art. 36 kann jedoch nicht auf alle Grundrechte angewandt werden. Er gilt in erster Linie für Freiheitsrechte, da in aller Regel nur sie Schutzbereiche aufweisen, die eingeschränkt werden können. Soziale Grundrechte verbriefen Leistungsansprüche, die vom Gesetzgeber erbracht werden (oder es richtigerweise sollten); von Einschränkung kann in diesem Fall nicht die Rede sein. Es stellt sich eher die Frage, ob der Staat seine Verpflichtungen erfüllt. Für die rechtsstaatlichen Garantien gilt Ähnliches. Sie verlangen gesonderte Prüfungsfragen, ob eine Beschränkung rechtmässig ist.[26] Die Verfahrensgrundrechte und das Willkürverbot dulden grundsätzlich, da sie Mindeststandards darstellen, keine Einschränkung; im Einzelfall sind bei gewissen Verfahrensgrundrechten Ausnahmen denkbar.[27]

Grundlage: Der Schutzbereich eines Grundrechts

Das Rechtsgut eines Grundrechts ist der Schutzbereich oder Schutzgehalt. Es handelt sich um jene Freiheitssphäre, die Hoheitsträger nur unter bestimmten Voraussetzungen begrenzen dürfen. Bei einer Grundrechtseinschränkung wird in diesen Schutzbereich eingegriffen und der Anspruch des Grundrechtsträgers eingeschränkt. Der persönliche Schutzbereich bestimmt, wer Träger eines Grundrechts ist und daraus Ansprüche ableiten kann. Der sachliche Schutzbereich umfasst einerseits das Schutzobjekt – etwa eine Meinung (Art. 16 BV) oder die Ehe (Art. 14 BV) –, andererseits die Ansprüche, die aus einem Grundrecht abgeleitet werden können. Der Schutzbereich eines Grundrechts kann nicht abstrakt definiert; dessen Konturen werden von den Gerichten, vornehmlich durch das Bundesgericht, bestimmt.[28]

Voraussetzungen für einen Grundrechtseingriff

Gesetzliche Grundlage

Damit ein staatliches Organ in ein Grundrecht eingreifen kann, muss eine gesetzliche Grundlage existieren (Legalitätsprinzip). Die Norm muss generell-abstrakt und hinreichend bestimmt sein, damit sich der Bürger danach richten kann. Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage wird aber in der Praxis relativiert. Nimmt die Polizei einen Menschen fest – sie greift damit in seine Bewegungsfreiheit ein –, tut sie das auf Grundlage eines Realaktes. Er stützt sich aber wiederum auf eine Gesetzesbestimmung. Im konkreten Fall diente auch schon Art. 184 Abs. 3 BV als Grundlage für eine Grundrechtseinschränkung.[29]

Ob auch eine Verordnung als rechtliche Grundlage für einen Eingriff dienen kann, entscheidet sich nach der Schwere des Eingriffs. Verhaftungen, Telefonüberwachungen und andere schwerwiegende Freiheitseingriffe müssen auf Gesetzesstufe geregelt sein. Bei leichteren Eingriffen genügt nach dem Bundesgericht eine Verordnungsgrundlage, die jedoch auf einer Gesetzesdelegation beruht.[30]

Art. 36 Abs. 1 Satz 3 anerkennt aber, dass der Gesetzgeber unmöglich jede potentielle Bedrohung vorausschauend regeln kann. Die Exekutive ist bei schweren Störungen, die die öffentliche Ordnung unmittelbar bedrohen, ermächtigt, diese Gefahr auch ohne gesetzliche Grundlage zu beseitigen. Diese polizeiliche Generalklausel erlaubt «jene Massnahmen zu treffen, die zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei schweren Störungen oder zur Abwendung unmittelbar drohender schwerwiegender Gefährdungen dieser Ordnung unerlässlich sind.»[31] Die Befugnisse, die daraus abgeleitet werden können, sind wegen der Natur der Sache höchst unbestimmt. Die polizeiliche Generalklausel ist nur bei wirklichen Notfällen einzusetzen. Bei Massnahmen, die unter Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel beschlossen wurden, handelt es sich nicht um Notrecht.[32]

Öffentliches Interesse und Grundrechte Dritter

Grundrechte dürfen eingeschränkt werden, wenn der Eingriff im öffentlichen Interesse ist. Dieses Kriterium ist erfüllt, wenn die staatliche Handlung dazu dient, einer Aufgabe nachzukommen, die für die Gemeinschaft von Bedeutung ist. Zu diesen wichtigen Anliegen gehört zweifelsohne der Schutz von Polizeigütern (Leib und Leben, Eigentum). Nicht jedes öffentliche Interesse ist tauglich, jedes Grundrecht einzuschränken.[33] Das Bundesgericht schloss beispielsweise aus, dass eine Verwaltungsbehörde die Eigentumsgarantie aus wirtschaftspolitischen Gründen einschränkt, wohingegen polizeiliche Gründe zulässig seien.[34] Da der Begriff des öffentlichen Interesses weit gefasst ist, rügen Gerichte Grundrechtseinschränkungen selten wegen dieses Kriteriums. Es kommt daher kaum vor, dass eine Grundrechtsbeschränkung als verfassungswidrig angesehen wird, weil kein öffentliches Interesse festgestellt werden kann.[35]

Nur weil eine Handlung im Interesse der Mehrheit liegt, besteht noch kein öffentliches Interesse. Regina Kiener ist beispielsweise der Ansicht, dass das «‹Sicherheitsgefühl der Bevölkerung› kein Interesse [darstelle], das eine Grundrechtseinschränkung zu tragen vermag.» Das öffentliche Interesse auf der einen und das individuelle auf der anderen Seite müssen gegeneinander abgewogen werden.[36]

Neben dem öffentlichen Interesse kann der Grundrechtsschutz Dritter ein hinreichender Grund sein, die Grundrechte des Einzelnen einzuschränken. Unzulässig ist jedoch, in die Grundrechte eines mündigen und handlungsfähigen Menschen mit dem Ziel einzugreifen, ihn vor sich selbst zu schützen.[37]

Verhältnismässigkeit

Das öffentliche Interesse reicht als Grund noch nicht aus, um die Grundrechte zu verkürzen: Jedweder Grundrechtseingriff muss verhältnismässig sein. Die Verhältnismässigkeit misst sich am Verhältnis von Einschränkung und Wirkung. Sie ist nur gegeben, wenn folgende Kriterien gemeinsam erfüllt sind:[38]

  1. Eignung (Zwecktauglichkeit): Geeignet ist eine Massnahme dann, wenn sie ihren Zweck – das öffentliche Interesse oder den Grundrechtsschutz Dritter – erfüllt. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn zu deren Wirksamkeit wenig bekannt ist (so während der COVID-19-Pandemie).
  2. Erforderlichkeit (Übermass- und Untermassverbot): Ist ein Eingriff nicht erforderlich, hat er zu unterbleiben. Die Erforderlichkeit ist auch dann nicht gegeben, wenn eine mildere Massnahme, die dieselbe Wirkung hat, gewählt werden könnte.
  3. Zumutbarkeit: Steht der Zweck des Eingriffs in einem vernünftigen Verhältnis zu dessen Schwere? Insbesondere ist zu prüfen, inwiefern das öffentliche Interesse das entgegenstehende Grundrechtsinteresse des Privaten überwiegt.

Die Verhältnismässigkeit sucht der staatlichen Macht Grenzen zu setzen, indem der Staat die Verhältnismässigkeit seines Handelns nachweisen muss, wenn Grundrechte berührt sind.[39]

Wahrung des Kerngehalts

Art. 36 Abs. 4 stellt eine rote Linie dar, die bei allem öffentlichen Interesse und bei aller Verhältnismässigkeit niemals überschritten werden darf. Der Kerngehalt eines Freiheitsrechts ist unantastbar. Die Bundesverfassung anerkennt damit, dass Schutzgehalte existieren, die von vornherein und generell, d. h. losgelöst von einem konkreten Einzelfall, abwägungsfest sind. Die rechtsanwenden Behörden werden durch das Bestehen von Kerngehalten bei schwierigen Abwägungen entlastet, da bestimmte Handlungen gar nie zulässig sein können. Wenngleich die meisten Fälle rechtswidriger Eingriffe durch die Verhältnismässigkeit abgefangen werden, erlangt die Kerngehaltsgarantie dort Bedeutung, wo eine Relativierung der Rechte nicht hinnehmbar ist. Deutlich wird das vor dem historischen Hintergrund von Art. 36 Abs. 4 BV, dessen Vorbild die Wesensgehaltsgarantie des deutschen Grundgesetzes ist. Dieser Grundsatz fand Einzug in das deutsche Verfassungsrecht als Reaktion auf die Gräuel, die im Dritten Reich verübt und mit dem «Führerwillen» oder dem «gesunden Volksempfinden» gerechtfertigt wurden.[40]

Der Begriff des Kerngehalts ist nicht näher definiert. Seine Bedeutung ergibt sich im Einzelfall in der Analyse einzelner Grundrechtsbestimmungen. Der Kerngehalt ist nicht deckungsgleich mit dem Schutzbereich, der eingeschränkt werden kann. Beim Verbot der Todesstrafe, dem Folterverbot, dem Recht auf Hilfe in Notlagen und der Menschenwürde[41] fallen Schutzbereich und Kerngehalt zusammen; ihre Einschränkung ist daher in allen Fällen rechtswidrig. Kerngehalte ergeben sich auch aus dem zwingenden Völkerrecht (z. B. Sklaverei- und Folterverbot) und den notstandsfesten Rechten von EMRK (Art. 15 Abs. 2) und UNO-Pakt II (Art. 4 Abs. 1 und 2).[42]

Zum Teil wird in der Lehre die Auffassung vertreten, dass ebenfalls das Recht auf Leben und das Zensurverbot an sich einen Kerngehalt darstellen und nicht eingeschränkt werden dürfen.[43] Beides wird aber relativiert. Unter bestimmten Voraussetzungen ist den Sicherheitskräften erlaubt, einem Menschen, von dem eine akute Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgeht, das Leben zu nehmen (finaler Rettungsschuss). Dieser gravierende Eingriff ist unter Umständen verfassungsrechtlich zulässig.[44] Vorzensur, also die vorgängige Kontrolle durch Behörden, ist grundsätzlich untersagt, in gewissen Konstellationen (Vorkontrolle von Arzneimittelwerbung) jedoch erlaubt.[45]

Ob der Kerngehalt eines Grundrechts angetastet wurde, ist oft nicht leicht zu bestimmen. In der Konkretisierung grundrechtlicher Kerngehalte ist insbesondere die Menschenwürde wichtig, da sie das Fundamentale des menschlichen Daseins, jene Aspekte schützt, die nicht aufgegeben werden dürfen.[46] Art. 7 BV stellt daher die Grundlage aller Kerngehalte dar. Er kommt dann zu Anwendung, wenn ein entsprechend grundlegender Aspekt infrage gestellt, der aber nicht durch den Kerngehalt eines spezifischen Grundrechts abgedeckt wird. Die Menschenwürde fungiert als Auffangkerngehalt.[47]

Anmerkungen

  1. Während der polizeilichen Ermittlungen bezüglich der Entführung von Jakob von Metzler drohte der ehemalige stellvertretende Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner dem Entführer Magnus Gäfgen die Zufügung „erheblicher Schmerzen“ an, wenn dieser keine wahren Angaben über den Aufenthaltsort des Opfers machen würde. Im Zuge des Daschner-Prozesses stellten das Landgericht Frankfurt am Main und Oberlandesgericht Frankfurt am Main fest, dass es sich bei dem Verhalten des Polizeipräsidenten um eine Nötigungshandlung im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StGB handle, die „unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt“ zu rechtfertigen oder entschuldigen sei. Dabei wurde die Bindungswirkung innerstaatlicher Gerichte zum Art. 3 EMRK ausgeführt, wonach „niemand […] der Folter […] unterworfen werden“ darf; die Menschenrechtskonvention ist gemäß Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG zu berücksichtigen.

Literatur

  • Herbert Bethge, Beatrice Weber-Dürler: Der Grundrechtseingriff. In: Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Hrsg.): Der Grundrechtseingriff. Öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung: Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Osnabrück vom 1. bis 4. Oktober 1997 (VVDStRL). Nr. 57. De Gruyter, Berlin / Boston 1998, ISBN 978-3-11-089583-4, S. 7–157, doi:10.1515/9783110895834.7 (degruyter.com [abgerufen am 27. April 2021]).
  • Alexander Brade: Additive Grundrechtseingriffe: Ein Beitrag zur Grundrechtsdogmatik. In: Studien zum öffentlichen Recht. Nr. 26. Nomos, Baden-Baden 2020.
  • Andreas Voßkuhle, Anna-Bettina Kaiser: Grundwissen – Öffentliches Recht: Der Grundrechtseingriff. In: Juristische Schulung (JuS). 2009, S. 313.

Einzelnachweise

  1. Pieroth, Schlink: Staatsrecht II. Rdnr. 238, 240.
  2. Kingreen, Poscher: Grundrechte, Staatsrecht II. 36. Auflage. 2020, § 6, Rn. 292 ff.
  3. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 Rdnr. 68.
  4. Christoph Gröpl: Grundrechtseingriffe - Eingriffsbegriffe. (PDF) Universität des Saarlandes; abgerufen am 14. April 2021.
  5. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 Rdnr. 68 = BVerfGE 105, 279 (299 f.) - Osho.
  6. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 Rdnr. 70.
  7. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, Az. 1 BvR 670/91, Volltext. Rn. 77 ff.
  8. Andreas Voßkuhle, Anna-Bettina Kaiser: Grundwissen – Öffentliches Recht: Der Grundrechtseingriff. In: Juristische Schulung (JuS). 2009, S. 313.
  9. BVerfGE 105, 252 – Glykol.
  10. BVerfGE 105, 279 – Osho
  11. Manssen, Gerrit: Staatsrecht II Grundrechte. 14. Auflage. C.H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-70750-6, Rn. 149.
  12. BVerfGE 85, 386 (398) – Fangschaltungen; BVerfGE 106, 28 (44 f.) – Mithörvorrichtung; Sach: Grundgesetz Kommentar. 8. Auflage. 2018, Vorbemerkungen zu Abschnitt I, Rn. 52–57.
  13. Sach: Grundgesetz Kommentar. 8. Auflage. 2018, Vorbemerkungen zu Abschnitt I, Rn. 52–57.
  14. Manssen, Gerrit: Staatsrecht II Grundrechte. 14. Auflage. C.H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-70750-6, Rn. 140–142.
  15. Maunz/Dürig/Herdegen. 92. Auflage. 2020, GG Art. 1 Abs. 1 Rn. 78–79; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck. 7. Auflage. 2018, GG Art. 1 Rn. 300–302.
  16. Sebastian Graf von Kielmansegg: Die Grundrechtsprüfung. JuS 2008, S. 23 (25); Rolf Schmid: Grundrechtsdogmatik: Schutzbereichsbegrenzung bei Informationseingriffen der Bundesregierung (PDF) 2002, S. 5 f.
  17. vgl. Rolf Schmidt: Grundrechte. 4. Auflage. 2003, zu Art. 14 GG.
  18. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 - 1 BvR 226/69 Rdnr. 36 (Verpflichtung des Rechtsanwalts, vor Gericht in Robe aufzutreten).
  19. VGH Baden-Württemberg, Vorlagebeschluss vom 5. Dezember 1988 - 9 S 2730/86 Rdnr. 36.
  20. BVerfG, Urteil vom 17. März 2004, Az. 1 BvR 1266/00, Volltext, Rn. 34.
  21. BVerfGE 108, 282, 302 – Kopftuch.
  22. BVerfGE 93, 1, 18 – Kruzifix.
  23. LG Frankfurt, Urteil vom 20. Dezember 2004, Az. 5/27 KLs 7570 Js 203814/03 (4/04); OLG Frankfurt, Urteil vom 10. Oktober 2012, Az. 1 U 201/11, Volltext und Pressemitteilung.
  24. Pierre Tschannen: Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 5. Auflage. 2021, S. 137.
  25. Regina Kiener: Grundrechtsschranken. In: Oliver Diggelmann, Maya Hertig Randall, Benjamin Schindler (Hrsg.): Verfassungsrecht der Schweiz. Band 2, 2020, Rn. 24.
  26. Pierre Tschannen: Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 5. Auflage. 2021, S. 140–142.
  27. Rainer J. Schweizer/Alina Krebs: Art. 36 BV. In: Die schweizerische Bundesverfassung. St. Galler Kommentar. 4. Auflage. Band 1. Schulthess/Dike, 2023, S. 1434.
  28. Regina Kiener: Grundrechtsschranken. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 2. Schulthess, Zürich/Basel/Genf 2020, ISBN 978-3-7255-7996-9, S. 1306.
  29. Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr: Schweizerisches Bundesstaatsrecht. 10. Auflage. 2020, S. 90 f.
  30. Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr: Schweizerisches Bundesstaatsrecht. 10. Auflage. 2020, S. 91 f.
  31. Häfelin/Haller/Keller/Thurnherr: Schweizerisches Bundesstaatsrecht. 10. Auflage. 2020, S. 93.
  32. Rainer J. Schweizer, Alina Krebs: Art. 35 BV. In: Die schweizerische Bundesverfassung. St. Galler Kommentar. 4. Auflage. Band 1, 2023, S. 1451 f.
  33. Regina Kiener: Grundrechtsschranken. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 2. Schulthess, Zürich/Basel/Genf 2020, ISBN 978-3-7255-7996-9, S. 1311 f.
  34. BGE 109 Ia 33 S. 36 f.
  35. Martin Philipp Wyss: Öffentliche Interessen – Interessen der Öffentlichkeit? Das öffentliche Interesse im schweizerischen Staats- und Verwaltungsrecht. Stämpfli Verlag AG, Bern 2001, ISBN 3-7272-9989-4, S. 206.
  36. Regina Kiener: Grundrechtsschranken. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 2. Schulthess, Zürich/Basel/Genf 2020, ISBN 978-3-7255-7996-9, S. 1312 f.
  37. Giovanni Biaggini: BV Kommentar: Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (= Orell Füssli Kommentar (OFK)). Orell Füssli Verlag, Zürich 2017, ISBN 978-3-280-07320-9, S. 447.
  38. Rainer J. Schweizer, Alina Krebs: Art. 36 BV. In: Die schweizerische Bundesverfassung. St. Galler Kommentar. 4. Auflage. Band 1, 2023, S. 1458 f.
  39. Bernhard Rütsche: Verhältnismässigkeitsprinzip. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 2, 2020, S. 1057.
  40. Regina Kiener: Grundrechtsschranken. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 2. Schulthess, Zürich/Basel/Genf 2020, ISBN 978-3-7255-7996-9, S. 1314 f.
  41. Kiener/Kälin/Wyttenbach: Grundrechte. 3. Auflage. 2018, S. 131.
  42. Pierre Tschannen: Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 5. Auflage. 2021, S. 148.
  43. Pascal Mahon: Art. 36 Cst. In: Jean-François-Aubert (Hrsg.): Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse. Schulthess, 2003, S. 330 f.
  44. Giovanni Biaggini: BV Kommentar: Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (= Orell Füssli Kommentar (OFK)). 2. Auflage. Orell Füssli Verlag, Zürich 2017, ISBN 978-3-280-07320-9, S. 449 f.
  45. Christoph Erass, David Rechsteiner: Art. 17 BV. In: Die schweizerische Bundesverfassung. St. Galler Kommentar. 4. Auflage. Band 1. Schulthess/Dike, 2023, S. 889.
  46. Markus Schefer: Die Kerngehalte von Grundrechten: Geltung, Dogmatik, inhaltliche Ausgestaltung. Stämpfli, Bern 2001, ISBN 3-7272-9661-5, S. 16 f.
  47. Markus Schefer: Die Kerngehalte von Grundrechten: Geltung, Dogmatik, inhaltliche Ausgestaltung. Stämpfli, Bern 2001, ISBN 3-7272-9661-5, S. 21.

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Pour les articles homonymes, voir Berry (homonymie). Canal de Berry Le canal de Berry à Saint-Amand-Montrond (Cher). Géographie Pays France Coordonnées 46° 46′ 37″ N, 2° 44′ 13″ E Début Montluçon Fin Noyers-sur-Cher et Marseilles-lès-Aubigny Traverse Allier, Cher et Loir-et-Cher Caractéristiques Statut actuel Aliéné Longueur 261 km Altitudes Début : mFin : mMaximale : 199,40 mMinimale : 69,50 m Gabarit 27,75…

Related species of plants in the family Anacardiaceae For poison sumac, see Toxicodendron vernix. For other uses, see Sumac (disambiguation). Sumak redirects here. For the village in Turkey, see Sumak, Pertek. SumacTemporal range: Ypresian–Recent PreꞒ Ꞓ O S D C P T J K Pg N Sumac fruit in the autumn season Scientific classification Kingdom: Plantae Clade: Tracheophytes Clade: Angiosperms Clade: Eudicots Clade: Rosids Order: Sapindales Family: Anacardiaceae Subfamily: Anacardioideae Genus: …

The PoliceI Police al Madison Square Garden di New York durante la reunion del 2007 Paese d'origine Regno Unito GenereNew wave[1]Reggae rock[2][3] Periodo di attività musicale1977 – 198419862007 – 2008 Album pubblicati14 Studio5 Live3 Raccolte6 Logo ufficiale Sito ufficiale Modifica dati su Wikidata · Manuale The Police (IPA: [ðə pəˈliːs]) sono stati un gruppo musicale britannico formatosi a Londra nel 1977 intorno al…

此條目需要补充更多来源。 (2021年7月4日)请协助補充多方面可靠来源以改善这篇条目,无法查证的内容可能會因為异议提出而被移除。致使用者:请搜索一下条目的标题(来源搜索:美国众议院 — 网页、新闻、书籍、学术、图像),以检查网络上是否存在该主题的更多可靠来源(判定指引)。 美國眾議院 United States House of Representatives第118届美国国会众议院徽章 众议院旗帜…

The Zoya FactorPoster rilis teatrikalSutradaraAbhishek Sharma[1]ProduserFox Star StudiosPooja ShettyAarrti ShettyDitulis olehAnuja ChauhanPradhuman Singh (dialog)[2]SkenarioNeha Rakesh SharmaPradhuman Singh[2]BerdasarkanThe Zoya Factor karya Anuja ChauhanPemeranSonam Kapoor AhujaDulquer SalmaanNaratorShah Rukh Khan[3]Penata musikLagu:Shankar–Ehsaan–LoySkor:Indrajit SharmaParikshit SharmaSinematograferManoj LoboPenyuntingUtsav BhagatPerusahaanproduksiFox …

Nama lengkap Ahmad KarimLahir 24 Juni 1935 (umur 88)[1] Bonthain[2], Hindia BelandaPekerjaan lain GuruInstruktur wasit nasional PSSIKetua umum KONI Kabupaten BantaengDomestikTahun Liga Peranan1965–1984 Perserikatan WasitInternasionalTahun Liga Peranan1972–1984 berlisensi FIFA Wasit Ahmad Karim, wasit pertandingan Persebaya Surabaya vs Persija Jakarta di Kejuaraan Nasional PSSI 1971 Drs. H. Ahmad Karim (lahir 24 Juni 1935) adalah seorang mantan wasit profesional Indonesia…

Dépôt de Nakahara鎌倉車両センター中原支所 (Centre de matériel roulant de Kamakura Succursale de Nakahara)Le centre en 2006 lors d'une journée Portes ouvertesPrésentationType Dépôt ferroviaireConstruction 1960 (Showa 35)Propriétaire JR East (siège de la région métropolitaine)LocalisationPays JaponPréfecture KanagawaVille KawasakiAdresse 5-chome Kamiodanaka, Nakahara Ward, Kawasaki City, Kanagawa Prefecture, JaponCoordonnées 35° 35′ 02″ N, 139° 38…

British band Wings had the biggest-selling hit of the 1970s with Mull of Kintyre/Girls' School, the first single in the UK to sell more than two million copies. 1970s in music in the UK Number-one singlesNumber-one albumsBest-selling singlesBest-selling albums Events 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 ←1960s 1980s→ Singles are a type of music release that typically have fewer tracks than an extended play or an album. Throughout the 1970s the UK Singles Chart was compiled by th…

U.S. agency responsible for the census and related statistics USCB redirects here. For the American college, see University of South Carolina Beaufort. United States Census BureauAgency overviewFormedJuly 1, 1902; 121 years ago (1902-07-01)HeadquartersSuitland, Maryland, U.S.Agency executivesRobert Santos, DirectorRon S. Jarmin, Deputy Director and Chief Operating OfficerParent agencyU.S. Department of CommerceWebsitecensus.gov The United States Census Bureau (USCB), officially…

American civil rights leader (1901–1981) For other people named Roy Wilkins, see Roy Wilkins (disambiguation). Roy WilkinsWilkins at the White House on April 30, 1968.Executive Secretary of the National Association for the Advancement of Colored PeopleIn office1955–1977Preceded byWalter Francis WhiteSucceeded byBenjamin Hooks (Executive Director) Personal detailsBorn(1901-08-31)August 31, 1901St. Louis, Missouri, U.S.DiedSeptember 8, 1981(1981-09-08) (aged 80)New York City, New York, U.…

سير  روجر بنروز (بالإنجليزية: Roger Penrose)‏    معلومات شخصية الميلاد 8 أغسطس 1931 (93 سنة)[1][2][3]  كولشيستر[4]  مواطنة المملكة المتحدة  عضو في الجمعية الملكية،  وأكاديمية لينسيان،  والأكاديمية الوطنية للعلوم،  والجمعية الإنسانية البريطانية،  و…

Water supply and sanitation in PanamaDataAccess to an improved water source93% (2009)Access to improved sanitation69% (2009)Share of collected wastewater treatedLowContinuity of supplyHighAverage urban water and sanitation tariff (US$/m3)0.26 (Panama City in 2012)Share of household metering51% (2006)Annual investment in WSSHighFinancingmostly through government subsidiesInstitutionsDecentralization to municipalitiesVery limited (one municipality)National water and sanitation companyYes: IDAANWat…

Overview of the status of women in Africa A Congolese woman asserts women's rights with the message 'The mother is as important as the father' printed on her pagne, 2015. The culture, evolution, and history of women who were born in, live in, and are from the continent of Africa reflect the evolution and history of the African continent itself. Numerous short studies regarding women's history in African nations have been conducted.[1][2][3][4][5][6]…

School of Mathematics and StatisticsTypePublicEstablished1991; 33 years ago (1991)LocationCamperdown / Darlington, New South Wales, Australia33°53′19″S 151°11′26″E / 33.888502°S 151.190541°E / -33.888502; 151.190541AffiliationsUniversity of SydneyWebsitesydney.edu.au/science/mathsLocation in Australia The School of Mathematics and Statistics is a constituent body of the Faculty of Science at the University of Sydney, Australia. It was establi…

Koridor 8Terminal Jombor - Jogokaryan 8 Informasi umumJenis layananBus Raya TerpaduDaerah operasiKartamantulOperator saat iniPT Jogja Tugu TransLintas pelayananStasiun awalTerminal JomborStasiun akhirJogokaryanFrekuensi perjalananSetiap hari dua arahPeta ruteTemplat:Trans Jogja Koridor 8 Koridor 8 Trans Jogja adalah koridor bus Trans Jogja yang beroperasi dengan Terminal Jombor menuju Jogokaryan. Tipe bus yang digunakan di koridor 8 adalah Bus Hino FB 130 Kuning-hijau dan gambar Tugu Y…

كولن ماثيو معلومات شخصية الميلاد 15 يناير 1941   إنفرنيس  تاريخ الوفاة 29 أكتوبر 1999 (58 سنة)   مواطنة المملكة المتحدة  الحياة العملية المدرسة الأم كنيسة المسيح، أكسفورد  المهنة مؤرخ  اللغات الإنجليزية  تعديل مصدري - تعديل   كولن ماثيو (بالإنجليزية: Colin Matthew)‏ هو م…

تلك هي قائمة بالمطارات المدنية تقع في جمهورية مصر العربية:[1][2] المطارات الدولية إحدي مباني مطار الأقصر الدولي. موقع المطار إيكاو إياتا اسم المطار إحداثيات القاهرة HECA CAI مطار القاهرة الدولي 30°07′19″N 031°24′20″E / 30.12194°N 31.40556°E / 30.12194; 31.40556 الجيزة HECW SPX مطار …

紫宸殿の組み物 醍醐寺五重塔の三手先 大徳寺山門の三手先 組物(くみもの、繁体字: 斗拱)、または組み物とは、中国由来の伝統的な木造建築において屋根を支えるために柱頭に設ける部材の一群である[1]。前後または左右に腕のように渡した横木で上からの荷重を支える肘木(ひじき・栱とも)と、桁や肘木を受ける方形の斗 (ます・枡形(ますがた)とも…