Egbert WeißEgbert Weiß (* 25. Januar 1931 in Berlin; † 29. Januar 2022 ebenda) war ein deutscher Jurist. Über 21 Jahre war er Richter am Kammergericht. Öffentlich bekannt wurde er durch seine Beteiligung an Strafverfahren mit politischem Hintergrund. Seit Jahrzehnten arbeitete er auch als Studentenhistoriker, vor allem über Studentenverbindungen. Schule und StudiumWeiß war Schüler der Hermann-Löns-Oberschule in Berlin-Neukölln. Im Zweiten Weltkrieg, in dem sein mit dem Ritterkreuz dekorierter Vater Herbert Weiß 1945 als Major der Reserve fiel, kam er in Internate der Kinderlandverschickung in Westpreußen (1941), in der Slowakei (1942), in Oberkrain/Slowenien (1943–1944) und Kärnten (1944–1946). In der Nachkriegszeit ging er bis zum Abitur 1949 auf die spätere Albert-Schweitzer-Schule (Berlin-Neukölln). Danach arbeitete er ein Jahr lang im Jugendnoteinsatz und im Tiefbau.[1] Zugleich betrieb er ein Abendstudium an der Deutschen Hochschule für Politik. Im Wintersemester 1950/51 begann Weiß Rechtswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen zu studieren. Im November 1950 wurde er Fuchs im Corps Lusatia Leipzig, das in Erlangen die Nachfolge des Corps Misnia IV angetreten hatte. Nach drei Aktivensemestern wechselte er an die Freie Universität Berlin. Im Sommersemester 1952 wurde er noch im Corps Marchia Berlin aktiv, um ihm beim Neuaufbau zu helfen.[2] Als das Corps Lusatia im April 1958 von Erlangen nach Berlin verlegte, wirkte er erneut als Aktiver mit. Die beiden juristischen Staatsexamen bestand er 1954 und 1958. Berliner JustizdienstAm 1. April 1959 trat er als Gerichtsassessor in den Justizdienst des Landes Berlin (West). Er war überwiegend in Strafsachen eingesetzt; ein Jahr war er bei der Staatsanwaltschaft. Am 1. November 1962 wurde er Landgerichtsrat am Landgericht Berlin. NS-ProzessAls Mitglied des Schwurgerichts war er beteiligt an dem politisch umstrittenen Freispruch von Hans-Joachim Rehse, dem früheren Kammergerichtsrat und Beisitzer am Volksgerichtshof. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sprach das Schwurgericht am 6. Dezember 1968 Rehse, der 1943 und 1944 an Todesurteilen des Volksgerichtshofs wegen „Feindbegünstigung“ und „Wehrkraftzersetzung“ mitgewirkt hatte, von dem Vorwurf des Mordes und versuchten Mordes in den angeklagten sieben Fällen frei. Als Berichterstatter verfasste Weiß die schriftlichen Urteilsgründe.[3] TerroristenprozesseAnschließend zum Untersuchungsrichter I beim Landgericht bestellt, führte er 1970/71 unter anderem die Voruntersuchung gegen Ulrike Meinhof und weitere Mitglieder der Rote Armee Fraktion wegen versuchten Mordes im Zusammenhang mit der Befreiung des Gefangenen Andreas Baader. Am 1. Mai 1972 zum Kammergerichtsrat ernannt, war er in mehreren Strafsenaten des Kammergerichts überwiegend in Revisionssachen tätig. Als Richter des 1. Strafsenats wirkte er in erstinstanzlichen Staatsschutzsachen mit. Sie betrafen in den Terroristenprozessen insbesondere Mitglieder der Rote Armee Fraktion und der Bewegung 2. Juni sowie Agenten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Die Serie der Verfahren gegen Mitglieder krimineller und terroristischer Vereinigungen vor dem Kammergericht begann 1972/73 mit der Strafsache gegen Horst Mahler wegen schweren Raubes, an der Weiß als Berichterstatter mitwirkte. In der Strafsache gegen Ralf Reinders, Till Meyer und andere Mitglieder der Bewegung 2. Juni wegen Entführung des CDU-Landesvorsitzenden Peter Lorenz und Ermordung des Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenkmann 1978/80 war er als stellvertretender Senatsvorsitzender für die Entscheidungen über den Vollzug der Untersuchungshaft, vor allem für die Postkontrolle zuständig. Zwei Beschlüsse, mit denen Weiß die Aushändigung von Postsendungen an den inhaftierten Mitangeklagten Fritz Teufel untersagt hatte, gelangten an die Öffentlichkeit.[4][5] Fritz Teufel hat ihm dafür in der Spaßguerilla ein „Denkmal“ gesetzt. Im Märchen von Ali und Fatima ist Weiß als böser Wesir „Egbert Dreckpferd, auch Schreckschwert“ verewigt. Er sorgt für Sicherheit und Ordnung, flüstert dem kranken König schlimme Sachen ein und wird zur Strafe von den Mächtigen des Schicksals „ans Jammergericht in Berlin verschlagen, wo er sich mit den Angeklagten rumärgern muß bis zum Herzinfarkt“.[6] Gedenktafel am ehemaligen Reichskriegsgericht 1989Aufsehen erregte die von Weiß ausgelöste „Gedenktafel-Episode“: Am 8. Juni 1989 begrüßten Demonstranten in West-Berlin einen in Hamburg verurteilten Totalverweigerer als „50.000. Kriegsdienstflüchtling“, protestierten gegen die Bundeswehr und riefen zu Aktionen gegen Berliner Betriebe auf, die für die Rüstungsindustrie arbeiteten. Sie versammelten sich vor dem Gebäude des Kammergerichts und des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in der Witzlebenstraße, in dem bis 1943 das Reichskriegsgericht residiert hatte. Begleitet von Ansprachen der Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Hilde Schramm, und der Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg enthüllten sie eine vom Büro für ungewöhnliche Maßnahmen gefertigte Gedenktafel, deren Aufschrift die dort einst vom Reichskriegsgericht verurteilten Wehrdienstverweigerer und Widerstandskämpfer würdigte. Die provisorische Gedenktafel, die später durch eine metallene ersetzt werden sollte, stellten sie ohne Genehmigung des Hausherrn auf einem Mauervorsprung neben dem Eingang des Gerichts ab. Weiß sah darin einen Missbrauch des Dienstgebäudes für nicht zu billigende politische Zwecke, entfernte am nächsten Tag die zurückgelassene Pressspanplatte, ließ sie durch einen in der Nähe beschäftigten Bauarbeiter zerkleinern und steckte die Teile in einen Müllcontainer. Zeitungsberichte darüber veranlassten die Justizsenatorin Jutta Limbach, gegen Weiß das förmliche Disziplinarverfahren einzuleiten; sie blieb aber in beiden Instanzen erfolglos. Die Politische Abteilung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht leitete gegen Weiß ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung ein, das sie aber mit der Begründung einstellte, der Beschuldigte habe von der „Herrenlosigkeit“ der zurückgelassenen Holztafel ausgehen können. Auch nach der Beschwerde des Büros für ungewöhnliche Maßnahmen, das sich auf sein Eigentum an der Tafel berief, blieb die Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung.[7] LandesverratsverfahrenFür die Tochter des Journalisten Carl von Ossietzky, den das Reichsgericht in der Weimarer Republik 1931 wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt hatte, reichte der Rechtsanwalt Heinrich Hannover bei dem Kammergericht einen Antrag auf Wiederaufnahme jenes Verfahrens ein. Als Berichterstatter wirkte Weiß an dem Beschluss des 1. Strafsenats vom 11. Juli 1991 mit, der den Wiederaufnahmeantrag als unzulässig verwarf.[8] Ruhestand1993 trat Weiß in den Ruhestand. Er starb kurz nach seinem 91. Geburtstag im Berliner Sankt-Gertrauden-Krankenhaus. Ehren- und Nebenämter1961–1993 war Weiß in Berlins Freiwilliger Polizei-Reserve, seit 1968 als Hundertschaftsführer. 1975–1977 gehörte er dem Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte Berlin an. StudentenhistorikerWeiß engagierte sich über Jahrzehnte in der Studentengeschichte. Seine Publikationen befassen sich vor allem mit den Leipziger und Berliner Studentenverbindungen. Schwerpunkte sind die Mensur, das Duell und die Leipziger Universitätsgeschichte. Er hat die Rolle von Corpsstudenten bei der Fluchthilfe der Gruppe Fuchs in West-Berlin aufgearbeitet.[9] Einst und Jetzt
Deutsche Corpszeitung
Siehe auch: Deutsche Corpszeitung Der Convent
Sonstiges
Vorträge
Ehrungen
Literatur
WeblinksCommons: Egbert Weiß – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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