Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C
Diphenylketen wurde 1905 zuerst von Hermann Staudinger isoliert und als erster Vertreter der außerordentlich reaktiven Stoffklasse der Ketene[5] mit der allgemeinen Formel R1R2C=C=O (R1=R2=Phenylgruppe) identifiziert.[8] Mit den kumulierten Doppelbindungen in der Ketenstruktur R1R2C=C=O stellt Diphenylketen ein Heterokumulen dar. Die wichtigste Reaktion des Diphenylketens ist die [2+2]-Cycloaddition an C-C-, C-N-, C-O-, C-S-Mehrfachbindungen.[9]
Eine weitere frühe Diphenylketen-Synthese stammt von Eduard Wedekind, der bereits 1901 bei der Dehydrohalogenierung von Diphenylacetylchlorid mit Triethylamin Diphenylketen erhielt, ohne es jedoch zu isolieren und zu charakterisieren.[13] Diese Variante wurde auch 1911 von H. Staudinger beschrieben.[14]
Eine Laborstandardvorschrift[1] basiert auf dem Staudinger-Verfahren und liefert Diphenylketen als orangefarbenes Öl in Ausbeuten von 53 bis 57 %.
In einem jüngeren Verfahren wird 2-Brom-2,2-diphenylacetylbromid mit Triphenylphosphin in Ausbeuten bis 81 % zu Diphenylketen umgesetzt.[3]
Diphenylketen ist bei Raumtemperatur ein orangefarbenes bis rotes Öl – mit der Farbe konzentrierter Kaliumdichromat-Lösung[5] –, das sich mit unpolaren organischen Lösungsmitteln wie z. B. Diethylether, Aceton, Benzol, Tetrahydrofuran, Chloroform mischt[6] und in der Kälte zu gelben Kristallen erstarrt.[5] Die Verbindung wird durch Luft leicht oxidiert, kann aber in dicht verschlossenen Behältnissen bei 0 °C mehrere Wochen ohne Zersetzung[1] bzw. in einer Stickstoffatmosphäre unter Zusatz einer kleinen Menge Hydrochinon als Polymerisationsinhibitor[12] aufbewahrt werden.
Die hohe Reaktivität des Diphenylketens manifestiert sich auch in der Bildung von drei definierten Dimeren:[18]
das cyclische Diketon 2,2,4,4-Tetraphenylcyclobutan-1,3-dion (I) durch Erhitzen mit Chinolin
das β-Lacton 4-(Diphenylmethylen)-3,3-diphenyloxetan-2-on (II) durch Erhitzen mit Natriummethanolat und
das Tetralin-derivat 2,2,4-Triphenylnaphthalin-1,3-(2H,4H)-dion (III) durch Erhitzen mit Benzoylchlorid
In ihrer Konstitution wie in ihrer Reaktivität zeigen Ketene der allgemeinen Formel R1R2C=C=O viele Parallelen zu Isocyanaten der allgemeinen Formel R-N=C=O.
Diphenylketen addiert Wasser unter Bildung von Diphenylessigsäure, Ethanol zum Diphenylessigsäureethylester oder Ammoniak zum entsprechenden Amid.[5]
Mit Carbonsäuren entstehen gemischte Anhydride der Diphenylessigsäure, die zur Aktivierung von geschützten Aminosäuren für die Peptidverknüpfung herangezogen werden können.
So entsteht bei der Aktivierung von Z-Leucin mit Diphenylketen und anschließender Umsetzung mit Phenylalanin-ethylester in 59%iger Ausbeute das geschützte Dipeptid Z-Leu-Phe-OEt (N-Benzyloxycarbonyl-L-leucyl-L-phenylalanin-ethylester).[19]
Diphenylketen neigt zur Autoxidation, bei der sich über ein intermediär entstehendes Diphenyl-Acetolacton bei Temperaturen über 60 °C der entsprechende Polyester bildet.[20]
Mit Triphenylphosphindiphenylmethylen und Diphenylketen entsteht z. B. bei 140 °C unter Druck Tetraphenylallen in 70%iger Ausbeute.[22]
Die synthetisch interessantesten Reaktionen des Diphenylketens sind [2+2]-Cycloadditionen, wie z. B. die Reaktion mit Cyclopentadien zu einem Diels-Alder-Addukt.[23]
und mit Carbonylverbindungen entstehen analog β-Lactone.[23]
Die [2+2]-Cycloaddition von Diphenylketen mit Phenylacetylen führt zunächst zu einem Cyclobutenon, das thermisch zu einem Phenylvinylketen aromatisiert und in einer [4+2]-Cycloaddition in 81%iger Ausbeute zu 3,4-Diphenyl-1-naphthol cyclisiert.[24]
Aus dieser so genannten Smith-Hoehn-Reaktion hat sich eine allgemeine Synthesemethode für substituierte Phenole und Chinone entwickelt.[8]
↑ abcJ.W. Leahy: Diphenylketene. In: e-EROS Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis. 2001, doi:10.1002/047084289X.rd421.
↑Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
↑ abT.T. Tidwell: The first century of ketenes (1905–2005): The birth of a versatile family of reactive intermediates. In: Angew. Chem.Band44, Nr.36, 2005, S.5778–5785, doi:10.1002/anie.200500098.
↑H. Ulrich: Cycloaddition Reactions of Heterocumulenes. Academic Press, New York 1967, S.374.
↑F.E. King, D. Holmes: Synthetic mydriatics. Diphenylchloroacetyl chloride as a reagent for the preparation of benzylic esters of tertiary amino-alcohols. In: J. Chem. Soc. 1947, S.164–168, doi:10.1039/JR9470000164.
↑T. Curtius, K. Thun: Einwirkung von Hydrazinhydrat auf Monoketone und Orthodiketone. In: J. Prakt. Chem. Band44, Nr.2, 1891, S.161–186, doi:10.1002/prac.18910440121.
↑Z. Moussa: The Hendrickson ‘POP’ reagent and analogues thereof: synthesis, structure, and application in organic synthesis. In: ARKIVOC. i, 2012, S.432–490 (arkat-usa.org).