Christian Roeckenschuss studierte 1949/50 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden Gesang und Klavier. Nach der Übersiedlung nach Berlin-West aus politisch-ideologischen Gründen setzte Roeckenschuss sein Studium an der Hochschule der Bildenden Künste fort (1951–1957). Er orientierte sich an der abstrakten Avantgarde der 1910er bis 1930er Jahre sowie an den klaren Formen von Bauhaus und De Stijl. Zwischen 1950 und 1958 führten ihn Studienreisen und die Suche nach einer eigenen Formensprache weltweit durch zahlreiche Länder. Schon früh waren Tendenzen seines Kunstkonzeptes erkennbar. Erste kleinformatige Ölkreide-Entwürfe mit klaren geometrischen Formen entstanden 1956. Die Festlegung auf das quadratische Format und auf eine mathematisch kalkulierte Genauigkeit wurde deutlich, wobei er sich an Vorbildern der Hard-Edge-Malerei orientierte.
Beeinflussungen, sich in Richtung Minimalismus und Konkreter Kunst zu entwickeln, gingen auch von abstrakt-konkret arbeitenden Künstlern wie Antoine Pevsner und Hans Arp aus. Beide lernt Roeckenschuss während eines Studienaufenthalts in Paris kennen. Später folgte ein Austausch mit Lucio Fontana, den er in Mailand besuchte.
Seit 1957 arbeitete Christian Roeckenschuss freischaffend in Berlin. In den 1950er Jahren zählte er zu den wenigen geometrisch-abstrakt arbeitenden Künstlern der Stadt.[1] „Weg vom Persönlichen und Begrenzten, hin zum Universalen und zur Kühle der technischen Zeit.“[2] lautet Roeckenschuss' künstlerisches Credo.
Quadrate, Rechtecke und mit Zirkel und Lineal entworfene Formate, oft in Signalfarben, kennzeichnen viele seiner Bilder. 1958/1959 entstanden die so genannten Zielscheibenbilder – Kreiskonstruktionen, bei denen sich Kreisformen spielerisch in Segmente auflösen. In den 1960er Jahren experimentierte Christian Roeckenschuss mit Materialien aus dem Modellbau- beziehungsweise Schreibwarenbedarf. Er arbeitete mit Rastern, Schablonen auf Holz, Papier und Plexiglas. Ebenfalls in den 1960er Jahren setzte sich Roeckenschuss mit Aspekten von Lichtbrechungen und Lichtspiegelungen auseinander. Durch die Beschäftigung mit OP-Art und ZERO ist sein Œuvre fundamental mit Gesichtspunkten der Bewegung und der Illusion des Raumes verbunden.
Die Auseinandersetzung mit der räumlichen und ästhetischen Wirkung von Farbe wird unter anderem in Kunst-am-Bau-Projekten der 1980er Jahre in Berlin und Lübeck sichtbar, insbesondere aber in der ab 1975 bis zu seinem Tod andauernden Arbeit an der Serie der Séquences Chromatiques („Farbstreifenverläufe“).[3]
In der Spätphase seines Lebens fertigte Roeckenschuss Arbeiten aus industriell hergestellten Folien. 2011 starb er an den Folgen eines Sturzes in Berlin.
Internationale Anerkennung erlangte Roeckenschuss infolge seiner zahlreichen Auslandsausstellungen. Seine Bedeutung für den Minimalismus und die Konstruktive Kunst wird fortlaufend durch die Ausstellungen bei der Daimler Art Collection hervorgehoben. Mit der retrospektiv angelegten Ausstellung „Minimalism Germany 1960“ im Haus Huth wird er als bedeutender deutscher Minimalist der Nachkriegszeit gewürdigt.
Satoru Sato Art Museum, Tome, Präfektur Miyagi, Japan[15]
Veröffentlichungen / Kataloge
Visuell, konstruktiv: Henryk Berlewi, Erich Buchholz, Bernd Damke, Manfred Gräf, Wolf Kahlen, Wolfgang Ludwig, Christian Roeckenschuss, Göta Tellesch. Dt. Ges. für Bildende Kunst, Berlin 1968.
Christian Roeckenschuss: Strukturen, Reliefs, Engramme, 1965–1972. Galerie der Spiegel, Köln 1973.
Christian Roeckenschuss. Galleria Method, Eurgrafika, Bergamo 1975.
Christian Roeckenschuss: Vismara arte contemporanea Milano. Galleria Vismara arte, Mailand 1977.
Christian Roeckenschuss: Bilder, Reliefs, kleine Formate 1975–1978. Katalog der Ausstellung Neuer Berliner Kunstverein, Berlin 1978.
Christian Roeckenschuss: tableaux, reliefs, petit formats 1975 – 1978. Centre Culturel Allemand, Paris 1979.
Christian Roeckenschuss: pitture, rilievi, miniature 1975 – 1978. Vismara arte contemporanea Milano, Mailand 1980.
Christian Roeckenschuss – colour sequences, paintings, reliefs, small works 1975-1978. Goethe-Institut, London 1980.
Renate Wiehager: Minimalism and After III. Neuerwerbungen. DaimlerChrysler Collection, Berlin 2004.
Renate Wiehager: Minimalism Germany 1960s. Daimler Art Collection, Berlin 2010.
Renate Wiehager: Minimalism and After. Tradition und Tendenzen minimalistischer Kunst von 1950 bis heute (Daimler Art Collection). Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2010, ISBN 978-3-7757-2386-2.
Christian Roeckenschuss: Minimalismus und Farbfeldmalerei – Papierarbeiten und Gemälde 1956–1962. Galerie Köppe Contemporary, Berlin 2016[16]
↑„Sucht man sich den abstrakten Kompositionen und Farbverläufen zu nähern, so kann ein Schlüssel in der Musikalität im Denken und Empfinden von Klängen, Harmonien und Sequenzen liegen. Ist es doch neben der Poesie vor allem die Musik, die für Roeckenschuss von Bedeutung ist und sich in seiner Kunst in der Ebene spiegelt, die sich unter der planen Oberfläche seiner Gemälde befindet.“ Renate Wiehager in: Minimalism Germany 1960. Daimler Art Collection, Berlin, 2010, S. 80.
↑Jana Noritsch: Die Berliner Künstlergruppe SYSTHEMA: Frank Badur, Andreas Brandt, Stefanos Gazis, Johannes Geccelli, Kristin Gerber, Thomas Kaminsky, Jan Kotik, George Rickey, Christian Roeckenschuss, Klaus J. Schoen, Peter Sedgley und Rudolf Valenta. Hrsg.: Siegfried Grauwinkel. 1. Auflage. DAS PRINZIP KUNST, Berlin 2021, ISBN 978-3-00-070080-4, S.16.