Schließlich holte ihn 1979 der Intendant Ulf Keyn als Musikalischen Oberleiter an das Landestheater Halle.[11] Damaliger Operndirektor war Martin Schneider.[11] Außerdem wurde er Chefdirigent des Händelfestspielorchesters[12] und übernahm von 1979 bis 1990 alle Händel-Produktionen in Halle.[4] So leitete er Ezio (1979), Agrippina (1980), Poro (1981), Alessandro (1983), Floridante (1984), Il pastor fido und Terpsichore (1985), Partenope (1985), Rinaldo (1987), Oreste (1988) und Tamerlano (1990).[6] Die Oper Rinaldo war mit 41 Aufführungen die zweitmeistgespielte Händel-Inszenierung in Halle.[13] Unterstützung hinsichtlich der Aufführungspraxis erhielt Kluttig durch den Musikwissenschaftler Bernd Baselt.[14] Kluttig hatte „ein immenses Arbeitspensum und verkrustete Strukturen“ im Zusammenhang mit der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft zu bewältigen, so der Opernregisseur Andreas Baumann.[5] Neben Baumann arbeitete er in Halle ab 1986 eng mit Peter Konwitschny zusammen.[5] So hatte Kluttig seinen Anteil an der Öffnung der Festspiele für das Regietheater.[15] Kluttig verhalf vor allem auf Empfehlung der Gesangspädagogin Helga Forner mehreren in Leipzig sozialisierten Sängern zu Engagements in der Saalestadt.[7] Unter den Neuverpflichteten waren Annette Markert, Juliane Claus, Hendrikje Wangemann, Jürgen Trekel und Tomas Möwes.[5][6] Wiederholt lud er Simone Kermes als Gast ein.[6] Besondere Förderung erhielt der erste „hauseigene“ CountertenorAxel Köhler.[6] Kluttig stand nach Baumann für die „Beibehaltung der Händelschen Dramaturgie“ und ließ „am Originaltext orientierte Neuübersetzungen herstellen“.[5] So gab er wesentliche Anregungen für einen „Neuen Händelstil Halle“.[5] Halle avancierte zu einem „ostdeutschen Zentrum der historischen Spielpraxis“, wie der Musikjournalist Michael Struck-Schloen formulierte.[16] Für die Musikwissenschaftlerin Karin Zauft war Kluttig „einer der Vorreiter für die historische Aufführungspraxis in der DDR“.[17] Das Opernensemble gastierte sowohl im sogenannten Ostblock (Tschechoslowakei, Polen, Ungarn) als auch in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und in der Schweiz.[13] Nach Aufführungen 1985[3] beim Prager Frühling[18] und bei den Dresdner Musikfestspielen führten ihn Gastspiele noch vor dem Mauerfall zu dem Kissinger Sommer[2] (1989–1993, 1995, 2000/01)[19] und zu den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.[5]
In Halle verantwortete Kluttig nach Gilbert Stöck auch „zwei landesweit beachtete Produktionen zeitgenössischer und zugleich gesellschaftskritischer Opern“:[20] 1984 wurde Der Preis von Karl Ottomar Treibmann inszeniert und 1986 Candide von Reiner Bredemeyer uraufgeführt.[21] Anlässlich der Hallischen Musiktage brachte er mit dem Händelfestspielorchester wiederholt Werke ausländischer Komponisten zur Uraufführung, so 1980 Awet Terterjans[4] Sinfonie Nr. 5 und 1985 Primož Ramovš’ Dialog für Klavier und Orchester (Solistin: Bettina Otto).[22] Wie Gilbert Stöck feststellte, stand Kluttig auch Werken von Gerd Domhardt „offen gegenüber“.[20] So verhalf er 1982[23] dessen Sinfonie II zur Uraufführung.[20] 1990 führte er Günter Neuberts Orchestermusik „Das verschenkte Weinen“ urauf. Im Jahr 1990 gehörte er im Händel-Haus zu den Mitbegründern des Halleschen Musikrates, als dessen stellvertreter Vorsitzender er fortan fungierte.[24] Die abnehmenden Besucherzahlen am Landestheater Halle im Zuge der Wende führten wohl letzten Endes zum Rücktritt des Gespanns Kluttig und Baumann.[25]
Im Jahr 1984[35] holte ihn Rektor Gustav Schmahl als Dirigierlehrer an die Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig.[36] Das dortige Hochschulsinfonieorchester (HSO) übernahm er zusätzlich Ende der 1980er Jahre[36] und leitete es in einer ersten Phase bis zu seinem Weggang nach Koblenz 1991 im Lehrauftrag.[37] Nachdem er bereits 1998 in Dresden einem Ruf als Professor für Orchesterdirigieren gefolgt war, erhielt er 2000 zusätzlich eine Professur in Leipzig.[5][38] Außerdem wurde er diesmal hauptamtlicher Leiter des Leipziger HSO.[37] In seine Amtszeit fielen die Eröffnung des Großen Saales und die Verpflichtung von namhaften Gastdirigenten wie Fabio Luisi, Kurt Masur und Herbert Blomstedt.[36] Nach einer Zwischenzeit mit seinem vormaligen Assistenten Michael Köhler 2003/04 übernahm er das Leitungsamt erneut bis zu seiner Emeritierung 2007.[37] Darüber hinaus leitete er mehrere Kurse des Dirigentenforums beim Deutschen Musikrat (Koblenz 1993, 1996 und 1998, Hilchenbach 2001, Recklinghausen 2011).[39] Bis 2015 war er in Dresden noch Lehrbeauftragter für Dirigieren.[40] Zu seinen Schülern gehören u. a. Titus Engel,[41]Stefan Sanderling[42] und Ines Schreiner.[43]
Dann aber erlitt Kluttig eine irreversible Gehörserkrankung, wodurch er 2002 seinen Dirigentenberuf beenden musste.[2] Er engagiert sich seitdem verstärkt als Kammermusikpianist und Liedbegleiter.[2] Kluttig ist Gründungsmitglied des Alumnivereins[44] und Vorstandsmitglied der Freundesgesellschaft der Dresdner Musikhochschule.[45] Er ist verheiratet[2] und Vater von drei Söhnen, deren ältester Roland Kluttig (* 1968) ebenfalls Dirigent ist. Außerdem ist er Vater einer 1989 geborenen Tochter.
Auszeichnungen
1969: Förderungspreis beim Dresdner Carl-Maria-von-Weber-Wettbewerb[46]
Alain Pâris: Klassische Musik im 20. Jahrhundert. Instrumentalisten, Sänger, Dirigenten, Orchester, Chöre. 2., völlig überarbeitete Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, ISBN 3-423-32501-1, S. 411.
Manfred Rätzer: Die halleschen Händel-Opern-Pioniere sollen im Gedächtnis bleiben. Prof. Christian Kluttig zum 70. Geburtstag. In: Mitteilungen des Freundes- und Förderkreises des Händel-Hauses zu Halle e. V. 1/2014, S. 33–35.
Axel Schiederjürgen (Red.): Kürschners Musiker-Handbuch. Solisten, Dirigenten, Komponisten, Hochschullehrer. 5. Ausgabe, Saur, München 2006, ISBN 3-598-24212-3, S. 239.
↑Jens Fritzsche: Eine musikalische Heimkehr. Am Sonntag ist in Radeberg ein ungewöhnlicher Liederabend zu erleben. Und ein ungewöhnliches Grammophon. In: Sächsische Zeitung, 19. Oktober 2017, S. 16.
↑ abcdeChristian Kluttig, Wolfgang Lange: Auftakt. Gespräche mit Dirigenten: Christian Kluttig im Gespräch mit Wolfgang Lange. In: Theater der Zeit 10/1985, S. 28–30, hier: S. 28.
↑ abcdefgAxel Schiederjürgen (Red.): Kürschners Musiker-Handbuch. Solisten, Dirigenten, Komponisten, Hochschullehrer. 5. Ausgabe, Saur, München 2006, ISBN 3-598-24212-3, S. 239.
↑ abcdefManfred Rätzer: Die halleschen Händel-Opern-Pioniere sollen im Gedächtnis bleiben. Prof. Christian Kluttig zum 70. Geburtstag. In: Mitteilungen des Freundes- und Förderkreises des Händel-Hauses zu Halle e. V. 1/2014, S. 33–35, hier: S. 34.
↑ abcChristian Kluttig, Heike Bronn: Das Dirigieren lässt mich nicht los – Interview mit Prof. Christian Kluttig. In: MT-Journal. Zeitschrift der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig, Nr. 25 (2008), S. 44–46, hier: S. 45.
↑„Meistersinger“-Premiere in Karl-Marx-Stadt. In: Neues Deutschland, 14. Oktober 1974, Jg. 29, Ausgabe 284, S. 4.
↑ abChristian Kluttig, Wolfgang Lange: Auftakt. Gespräche mit Dirigenten: Christian Kluttig im Gespräch mit Wolfgang Lange. In: Theater der Zeit 10/1985, S. 28–30, hier: S. 29.
↑Günther Wendekamm: Festliches Konzert zum Beginn der Schumann-Tage. In: Neues Deutschland, 9. Juni 1979, Jg. 34, Ausgabe 134, S. 4.
↑ abGeorg Antosch: Stück-Anregungen von den Bühnen der Welt. Bemühungen um anspruchsvolle Bühnenkunst. In: Neue Zeit, 1. März 1980, Jg. 36, Ausgabe 52, S. 4.
↑Karin Zauft: Händel und die Händel-Festspiele in Halle. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2001, ISBN 978-3-89812-085-2, S. 57.
↑ abcManfred Rätzer: Die halleschen Händel-Opern-Pioniere sollen im Gedächtnis bleiben. Prof. Christian Kluttig zum 70. Geburtstag. In: Mitteilungen des Freundes- und Förderkreises des Händel-Hauses zu Halle e. V. 1/2014, S. 33–35, hier: S. 35.
↑Wir gratulieren Christian Kluttig. In: Magazin der Händel-Festspiele (2014), S. 25.
↑Johannes Killyen: Zur Geschichte der Händel-Pflege in Halle Wiederentdeckung des historischen Klanges. In: Mitteldeutsche Zeitung, 5. Mai 2001.
↑Michael Struck-Schloen: Aller Glamour kommt von oben. Musikalische Qualität und szenische Routine bei den 47. Händel-Festspielen in Halle. In: Süddeutsche Zeitung, 1. Juli 1998, S. 14.
↑Karin Zauft: Die Suche nach dem authentischen Klang – Balanceakt zwischen Subjektivität, Zeitempfinden und historischer Kenntnis. In: Boje E. Hans Schmuhl (Hrsg.): Historische Aufführungspraxis und ihre Perspektiven. XXX. wissenschaftliche Arbeitstagung, Michaelstein, 10. bis 12. Mai 2002 (= Michaelsteiner Konferenzberichte. Bd. 67). Wißner, Augsburg 2007, ISBN 978-3-89639-545-0, S. 55–58, hier: S. 56.
↑Mit „Flondante“ beim Prager Frühling zu Gast. In: Neues Deutschland, 25. Mai 1985, Jg. 40, Ausgabe 121, S. 6.
↑Stadt Bad Kissingen (Hrsg.): 25. Kissinger Sommer. Bad Kissingen o. J., S. 75.
↑ abcGilbert Stöck: Neue Musik in den Bezirken Halle und Magdeburg zur Zeit der DDR. Kompositionen, Politik, Institutionen. Schröder, Leipzig 2008, ISBN 978-3-926196-50-7, S. 269/Fn. 496.
↑Nina Noeske: Die beste aller möglichen Welten: Bredemeyers Candide (1981/82). In: Michael Berg, Albrecht von Massow, Nina Noeske: Zwischen Macht und Freiheit. Neue Musik in der DDR. Böhlau Verlag, Weimar 2004, ISBN 3-412-10804-9, S. 141–156, auf S. 142.
↑Mantred Meier: Experimentierlust und Phantasie im Einsatz für neue Musik. Begegnung mit Unionsfreundin Bettina Otto, Cembalistin und Pianistin. In: Neue Zeit, 6. April 1985, Jg. 41, Ausgabe 81, S. 10.
↑Wilhelm Buschkötter, Hansjürgen Schaefer: Handbuch der internationalen Konzertliteratur. Instrumental- und Vokalmusik = Manual of international concert literature. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, de Gruyter, Berlin u. a. 1996, ISBN 3-11-013905-7, S. 247.
↑Hallescher Musikrat wurde gegründet. In: Mitteldeutsche Zeitung, 28. März 1990, S. 2.
↑ abthg.: In Zuerich getroffen. Christian Kluttig – Haendel-Spezialist nach der Wende. In: Neue Zürcher Zeitung, 2. April 1993.
↑Christian Kluttig, Heike Bronn: Das Dirigieren lässt mich nicht los – Interview mit Prof. Christian Kluttig. In: MT-Journal. Zeitschrift der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig, Nr. 25 (2008), S. 44–46, hier: S. 46.
↑Wolf-Eberhard von Lewinski: Händel aus Halle. Kissingen im Sommer – Auftakt der Festspiele. In: Süddeutsche Zeitung, 7. Juli 1989, S. 12.
↑ abVergleich und Anregung. Heute beginnen die DDR-Musiktage 1988 Gespräch mit Unionsfreund Christian Kluttig. In: Neue Zeit, 19. Februar 1988, Jg. 44, Ausgabe 42, S. 4.
↑Kulturelle Umschau. In: Neue Zeit, 4. Oktober 1972, Jg. 28, Ausgabe 235, S. 4.
↑Steffen Lieberwirth (Hrsg.): Mitteldeutscher Rundfunk. Die Geschichte des Sinfonieorchesters. Im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks verfasst von Jörg Clemen, Kamprad, Altenburg 1999, ISBN 3-930550-09-1, S. 187.
↑Alain Pâris: Klassische Musik im 20. Jahrhundert. Instrumentalisten, Sänger, Dirigenten, Orchester, Chöre. 2., völlig überarbeitete Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, ISBN 3-423-32501-1, S. 411.
↑ abcChristian Kluttig, Heike Bronn: Das Dirigieren lässt mich nicht los – Interview mit Prof. Christian Kluttig. In: MT-Journal. Zeitschrift der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig, Nr. 25 (2008), S. 44–46, hier: S. 44.
↑ abcChristian Fanghänel, Heike Bronn: Von der „Orchesterschule“ zum Hochschul-Sinfonieorchester. In: MT-Journal. Zeitschrift der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig, Nr. 26 (2009), Beilage, S. 1–5, hier: S. 5.
↑Livia Neugebauer: Nach Höhenflug nun glückliche Landung. Begegnung mit dem Dirigenten Stefan Sanderling. In: Neue Zeit, 11. August 1990, Jg. 46, Ausgabe 186, S. 11.
↑Internationaler Arbeitskreis Archiv Frau und Musik (Hrsg.): Europäischer Dirigentinnenreader (= Schriftenreihe des Internationalen Arbeitskreises Frau und Musik. Bd. 4). Furore-Verlag, Kassel 2003, ISBN 3-927327-55-7, S. 161.
↑Kulturelle Umschau. In: Neue Zeit, 8. Juli 1969, Jg. 25, Ausgabe 157, S. 4.
↑Kulturelle Umschau. In: Neue Zeit, 18. November 1971, Jg. 27, Ausgabe 273, S. 4.
↑Christoph Rink: Chronologie des Händelpreises. In: Mitteilungen des Freundes- und Förderkreises des Händel-Hauses zu Halle e. V. 1/2012, S. 20–25, hier: S. 24.
↑Ehrentitel an verdiente Musiker. In: Neue Zeit, 6. Oktober 1983, Jg. 39, Ausgabe 236, S. 2.
↑LF: Wagner-Verband bedankt sich bei Kluttig und Stracke. In: Rhein-Zeitung, 17. April 1998.