Der erste US-Finanzminister Alexander Hamilton ging 1790 noch davon aus, dass die Zentralregierung der USA hinter der Kreditwürdigkeit der Bundesstaaten stehe.[2] Die heute noch in den USA geltende No-Bailout-Klausel stammt aus dem Jahre 1842, als überschuldete Bundesstaaten erfolglos die Zentralregierung um finanzielle Hilfe baten, diese aber nicht eingriff. Als Folge wurden 12 Bundesstaaten zahlungsunfähig. Den ersten Zahlungsausfall (englischdefault) einer Gemeinde meldete 1839 Mobile (Alabama).[3]
Im August 1933 meldete Arkansas die Zahlungsunfähigkeit bei einem Highway Bond, einem Zweckdistrikt, an.[4] Zur Zeit der Einführung des Chapter 9 im Jahre 1934 befanden sich 2.019 „local governments“ im Zahlungsausfall.[5]
Zwischen 1929 und 1937 gab es während der Großen Depression 4771 Zahlungsausfälle meistens bei Kommunalanleihen (englischgeneral obligation bonds).[6] Zwischen 1839 und 1983 gab es 6200 gemeldete Zahlungsausfälle bei „municipal bonds“.[7] Der RatingagenturMoody’s zufolge meldeten zwischen 1970 und 2009 insgesamt 54 „municipal bonds“ einen Zahlungsausfall, davon entfielen 78 % auf das Gesundheitswesen und die Immobilienfinanzierung.[8] 1978 gab es den ersten Zahlungsausfall bei einem „general obligation bond“ durch Cleveland seit der großen Depression. Spektakuläre Insolvenzen der Neuzeit waren insbesondere New York City (Oktober 1975), Orange County (Dezember 1994), Jefferson County (Alabama) (November 2011), Stockton (Kalifornien) (Juni 2012) oder Detroit (März 2013), allesamt „municipalities“.
Das heutige Chapter 9 ist das Ergebnis einer Gesetzesänderung aus dem Jahre 1978 aufgrund der gravierenden Finanzkrise von New York City im Jahre 1975, für die sich die Anwendung des alten Chapter 9 als ungeeignet erwies. Eine weitere Änderung aus 1988 befasst sich mit der Ausklammerung der „revenue bonds“ und der diese „sichernden“ Steuer- und Abgabenarten aus dem kommunalen Insolvenzverfahren.
Inhalt
Normadressaten des Chapter 9 sind Munizipalitäten (englischmunicipality), die gerichtlichen Beistand beantragen können (11 U.S.C. § 109(c)). Einziges zuständiges Gericht ist das United States Bankruptcy Court. Der Begriff „municipality“ ist definiert als eine „politische Untergliederung oder öffentliche Einrichtung oder Instrument eines Bundesstaates“ (11 U.S.C. § 101(40)). Diese Definition ist sehr allgemein, so dass hierunter Städte (englischCitys), Counties, Townships, Zweckdistrikte (englischspecial-purpose districts) und deren Unterform Schuldistrikte (englischSchool districts) und öffentliche Bauprojekte erfasst werden. Es umfasst deshalb auch mautpflichtige Projekte wie Brücken oder Highways. Eine Berechtigung zur Antragstellung setzt voraus, dass die „municipality“ als Schuldner vom Bundesstaat anerkannt und autorisiert ist, dass sie insolvent ist nach 11 U.S.C. § 101(32)(C); sie muss einen Restrukturierungsplan vorlegen und mit den Gläubigern Verhandlungen führen (11 U.S.C. § 109(c)). Nach Eröffnung des Verfahrens wird vom Konkursgericht die Öffentlichkeit unterrichtet (11 U.S.C. § 923). Es folgt ein gerichtliches Verwertungs- und Zahlungsverbot (englischautomatic stay), so dass die Gläubiger vom Schuldner keine Zahlungen oder Vermögen mehr annehmen oder verwerten dürfen (11 U.S.C. §§ 362(a), 901(a)). Während der Schuldendienst der „general obligation bonds“ im Verlauf des Verfahrens ruht, darf er ausdrücklich bei „revenue bonds“[9] aufrechterhalten bleiben (11 U.S.C. § 928).
Die Kompetenzen des Gerichts und der Gläubiger sind damit wesentlich begrenzter als bei Chapter 11.
↑Ashton vs. Cameron County Water District, No. 1, 298 US 513, 533, 56, 1936, 1309, 1315
↑Joe Mysak, Encyclopedia of Municipal Bonds, 2012, S. 45
↑United States Congress House/Committee on Interior and Insular Affairs. Subcommittee on Mining, Forest Management, and Bonneville Power Administration (Hrsg.), Washington Public Power Supply System, 1983, S. 433
↑Joe Mysak, Encyclopedia of Municipal Bonds, 2012, S. 44
↑Anleihen, die aus Maut oder sonstigen Gebühren getilgt werden