César 2010Die 35. César-Verleihung fand am 27. Februar 2010 im Théâtre du Châtelet in Paris statt. Die von der französischen Académie des Arts et Techniques du Cinéma vergebenen Filmpreise wurden in 21 Kategorien verliehen. Der jährlich wechselnde Vorsitz der Gala oblag 2010 der Schauspielerin Marion Cotillard. Als Gastgeber (maîtres de cérémonie) durch den Abend führten Valérie Lemercier und Gad Elmaleh. Die beiden Schauspieler und Komödianten hatten bereits in der Vergangenheit die Veranstaltung moderiert. Die Preisverleihung wurde live vom französischen Fernsehsender Canal+ übertragen und im deutschsprachigen Raum von TV5MONDE Europe ausgestrahlt. Hommagen fanden für den kurz zuvor verstorbenen Regisseur Éric Rohmer und den US-amerikanischen Filmschauspieler Harrison Ford statt. Favorisierte FilmeDie Nominierungen wurden am 22. Januar 2010 bekannt gegeben. Als Favorit auf Frankreichs nationalen Filmpreis galt Jacques Audiards Ein Prophet. Das Krimidrama, das von einem jungen arabischstämmigen Gefängnisinsassen handelt, der mit Hilfe der korsischen Mafia zum einflussreichen Kriminellen aufsteigt, hatte 13 Nominierungen erhalten und gewann neun Preise. Mehr Auszeichnungen bei einer Verleihung konnten nur Die letzte Metro und Cyrano von Bergerac (je zehn Siege im Jahr 1981 beziehungsweise 1991) auf sich vereinen. Audiards Film gewann unter anderem in den Kategorien Bester Film, Regie, Haupt- und Nachwuchsdarsteller (Tahar Rahim) und Nebendarsteller (Niels Arestrup). Im Vorfeld hatte Ein Prophet den Louis-Delluc-Preis gewonnen und als Frankreichs Kandidat auf den Auslandsoscar eine Golden-Globe-Nominierung und den BAFTA Award erhalten. Ebenfalls zum erweiterten Favoritenkreis zählten die Dramen Der Retter (elf Nominierungen, ein Sieg) und Welcome (zehn Nominierungen, keine Auszeichnung) von Xavier Giannoli beziehungsweise Philippe Lioret. Giannoli behandelt in seinem Film die Geschichte eines aus der Haft entlassenen Betrügers (gespielt von François Cluzet). Dieser lässt sich in einer französischen Kleinstadt als angeblicher Bauunternehmer nieder, woraufhin er von der Hoffnung der unter hoher Arbeitslosigkeit leidenden Bevölkerung überwältigt wird. Lioret nahm sich in Welcome dem Schicksal des 17-Jährigen Kurden Bilal aus dem Irak (gespielt von Firat Ayverdi) an, der sich quer durch Europa ins französische Calais durchgeschlagen hat. Dort bezahlt der illegale Einwanderer einen französischen Schwimmlehrer (Vincent Lindon, nominiert als bester Hauptdarsteller) für Einzelunterricht. Bilals Ziel ist die Durchquerung des Ärmelkanals und London zu erreichen, wo seine große Liebe, die junge Mina, zu Hause ist. Welcome war auf der Berlinale 2009 aufgeführt worden und hatte sich bei der Vergabe der französischen Prix Lumières gegen Ein Prophet durchsetzen können. Liorets Film hatte Monate zuvor heftige Diskussionen ausgelöst, nachdem der Regisseur öffentlich die Situation der Flüchtlinge in Calais mit der Verfolgung der Juden im Zweiten Weltkrieg verglichen hatte.[1] Ebenfalls in der Kategorie Bester Film vertreten waren Radu Mihăileanus Musikfilm Das Konzert (sechs Nominierungen, zwei Siege), Alain Resnais’ Vorsicht Sehnsucht und Lucas Belvaux’ Entführungsthriller Lösegeld (je vier Nominierungen, keine Auszeichnung). Als siebte Produktion in der Kategorie Bester Film mit insgesamt drei Nominierungen vertreten war Jean-Paul Lilienfelds sozialkritisches Drama Heute trage ich Rock! In diesem schlüpfte Isabelle Adjani in die Rolle einer Lehrerin, die mit ihrem Schulalltag unter den Einwandererkindern einer französischen Vorstadt vollkommen überfordert ist und gewaltsame Maßnahmen ergreift, um sich Respekt zu verschaffen. Für den Part der Sonia Bergerac erhielt Adjani nach einer mehrjährigen Schaffenspause großes Lob seitens der Kritiker und den fünften César als beste Hauptdarstellerin. Neben Sandrine Kiberlain (Mademoiselle Chambon), Kristin Scott Thomas (Die Affäre) und Audrey Tautou (Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft) hatte auch Dominique Blanc um ihren fünften Darstellerpreis konkurriert. Für ihr Porträt einer einsamen Geliebten in L’autre, die zunehmend der Schizophrenie verfällt, hatte sie bereits 2008 den Darstellerpreis der Filmfestspiele von Venedig erhalten. Wie im Vorjahr wurden von den über 3000 wahlberechtigten Mitgliedern der Académie des Arts et Techniques du Cinéma, die die Césars vergibt, die erfolgreichen Komödien des Kinojahres 2009 fast völlig ignoriert. Michel Hazanavicius’ OSS 117 – Er selbst ist sich genug und Jean-Pierre Jeunets Micmacs – Uns gehört Paris! hatten bei Bekanntgabe der Nominierungen nur in technischen Kategorien Berücksichtigung gefunden, Laurent Tirards Familienkomödie Der kleine Nick allein in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch.[2] Alle drei Filmproduktionen blieben bei der César-Verleihung unprämiert. Jedoch gewann Riad Sattoufs Jugendkomödie Jungs bleiben Jungs den Preis für den besten Erstlingsfilm. In der Kategorie Bester ausländischer Film erhielt der US-amerikanische Beitrag Gran Torino von Clint Eastwood den César. Michael Hanekes Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte, Deutschlands Kandidat auf den Auslandsoscar kam über eine Nominierung nicht hinaus. Sigourney Weaver übergab den Ehrenpreis an ihren Landsmann Harrison Ford. Die Hommage für den verstorbenen Filmregisseur Éric Rohmer hielt der Schauspieler Fabrice Luchini, der mit ihm unter anderem an Claires Knie und Vollmondnächte zusammengearbeitet hatte. Luchini las dazu einen Text von Jacques Fieschi vor. Rohmer war zeitlebens ein regulärer César versagt geblieben. Gewinner und Nominierungen
Bester Film (Meilleur film)präsentiert von Marion Cotillard Ein Prophet (Un prophète) – Regie: Jacques Audiard
Beste Regie (Meilleur réalisateur)präsentiert von Vanessa Paradis Jacques Audiard – Ein Prophet (Un prophète)
Bester Hauptdarsteller (Meilleur acteur)präsentiert von Mélanie Laurent Tahar Rahim – Ein Prophet (Un prophète)
Beste Hauptdarstellerin (Meilleure actrice)präsentiert von Gérard Depardieu Isabelle Adjani – Heute trage ich Rock! (La journée de la jupe)
Bester Nebendarsteller (Meilleur acteur dans un second rôle)präsentiert von Laetitia Casta Niels Arestrup – Ein Prophet (Un prophète)
Beste Nebendarstellerin (Meilleure actrice dans un second rôle)präsentiert von André Dussollier Emmanuelle Devos – Der Retter (À l’origine)
Bester Nachwuchsdarsteller (Meilleur espoir masculin)präsentiert von Laura Smet Tahar Rahim – Ein Prophet (Un prophète)
Beste Nachwuchsdarstellerin (Meilleur espoir féminin)präsentiert von Richard Berry Mélanie Thierry – Le dernier pour la route
Bestes Erstlingswerk (Meilleur premier film)präsentiert von Mélanie Doutey und Pascal Elbé Jungs bleiben Jungs (Les beaux gosses) – Regie: Riad Sattouf
Bestes Originaldrehbuch (Meilleur scénario original)präsentiert von Marina Foïs Jacques Audiard, Thomas Bidegain, Abdel Raouf Dafri und Nicolas Peufaillit – Ein Prophet (Un prophète)
Bestes adaptiertes Drehbuch (Meilleure adaptation)präsentiert von Sandrine Kiberlain Stéphane Brizé und Florence Vignon – Mademoiselle Chambon
Beste Filmmusik (Meilleure musique)präsentiert von Jeanne Balibar Armand Amar – Das Konzert (Le concert)
Bestes Szenenbild (Meilleurs décors)präsentiert von Virginie Efira und François-Xavier Demaison Michel Barthélemy – Ein Prophet (Un prophète)
Beste Kostüme (Meilleurs costumes)präsentiert von Élie Semoun Catherine Leterrier – Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft (Coco avant Chanel)
Beste Kamera (Meilleure photographie)präsentiert von Firmine Richard und Vincent Elbaz Stéphane Fontaine – Ein Prophet (Un prophète)
Bester Ton (Meilleur son)präsentiert von Firmine Richard und Vincent Elbaz Pierre Excoffier, Bruno Tarrière und Sélim Azzazi – Das Konzert (Le concert)
Bester Schnitt (Meilleur montage)präsentiert von Virginie Efira und François-Xavier Demaison Juliette Welfling – Ein Prophet (Un prophète)
Bester Kurzfilm (Meilleur court-métrage)präsentiert von Hafsia Herzi und Marc-André Grondin C’est gratuit pour les filles – Regie: Claire Burger und Marie Amachoukeli
Bester Dokumentarfilm (Meilleur film documentaire)präsentiert von Emma de Caunes und Laurent Lafitte Die Hölle von Henri-Georges Clouzot (L’enfer d’Henri-Georges Clouzot) – Regie: Serge Bromberg und Ruxandra Medrea
Bester ausländischer Film (Meilleur film étranger)präsentiert von Tony Gatlif Gran Torino, USA – Regie: Clint Eastwood
Ehrenpreis (César d’honneur)präsentiert von Sigourney Weaver Harrison Ford – US-amerikanischer Filmschauspieler WeblinksCommons: César-Verleihung 2010 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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