Bond-Ereignis

Gerard Bond schlug anhand von gehäuft mit Treibeis nach Süden transportiertem Gesteinsmaterial neun Bond-Ereignisse vor

Bond-Ereignisse sind Episoden im Holozän, in denen kühleres Oberflächenwasser und Treibeis aus dem Arktischen Ozean, dem Europäischen Nordmeer und der Labradorsee nach Süden und Osten bis tief in wärmere subpolare Gewässer getrieben wurde. Der US-amerikanische Geologe Gerard Bond, der diese Ereignisse 1997 erstmals beschrieb, machte zwischen den Ereignissen einen Abstand von etwa 1500 ± 500 Jahren aus.[1][2]

Definition

Der dem Lamont-Doherty Earth Observatory an der Columbia University angehörenden Geologe Gerard C. Bond und sein Team fanden in Untersuchungen an petrologischen Treibeismarkern des Nordatlantiks, die er 1997[3] und 2001[4] veröffentlichte, Hinweise auf Perioden mit besonders starker Eisdrift. Als Ursache vermutete er Klimaschwankungen im Nordatlantikraum, die im Holozän mutmaßlich zyklisch mit einem Abstand von etwa 1500 ± 500 Jahren auftraten. Diese Perioden gingen als Bond-Ereignisse in die Literatur ein.[2][1]

Bond-Ereignisse sind abzugrenzen von Bond-Zyklen.[5][2] Bei letzteren handelt es sich um eine ebenfalls von Gerard Bond vorgeschlagene Periodizität von Kälterückfällen des späten Pleistozän, besonders im Zeitraum 80.000 – 10.000 vor heute. Die Periode dieser als Heinrich-Ereignis bekannten Kälterückfälle beträgt etwa 6.000 – 15.000 Jahre.[2][1]

Beschreibung

Treibeis kann Gesteinsschutt transportieren, der nach dem Abschmelzen auf den Meeresgrund sinkt

Bond und sein Team untersuchten Sedimente vom Meeresboden des Nordatlantik. In verschiedenen Schichten ihrer Bohrungen fanden sie gehäuft Gesteinsmaterial, das wahrscheinlich mittels Treibeis dorthin transportiert worden war (man nennt derart transportiertes Material Ice rafted debris, kurz IRD[6]). Sie deuteten diese Häufigkeitsspitzen als Indizien für Kälterückfälle im Nordatlantik in den Zeiträumen, denen die jeweiligen Sedimentschichten zuzuordnen waren. Insgesamt identifizierten sie, anhand von vier Bohrkernen, neun Häufigkeitsspitzen, die in den letzten 12.000 Jahren auftraten. Sie schlossen von diesen Häufungen auf Kälterückfälle im Nordatlantikraum zurück.[7] Bond und seine Kollegen vermuteten, dass die Ereignisse das interglaziale Pendant der glazialen Dansgaard-Oeschger-Ereignisse waren.[8] Die Stärke der Schwankungen beträgt ungefähr 15–20 % der glazial-interglazialen Temperaturänderungen.

Die Existenz klimatischer Schwankungen mit einem möglichen 1500-Jahresrhythmus wird mittlerweile anhand von Eisbohrkernen für das letzte Glazial anerkannt. Eine Fortsetzung dieser Zyklen ins Holozän ist jedoch weniger abgesichert. Bond u. a. (1997) befürworten eine Zyklizität des Klimageschehens mit einer Periode von 1470 ± 500 Jahren für den Nordatlantikraum während des Holozäns. Aus ihrer Sicht sind viele, womöglich auch alle, Dansgaard-Oeschger-Ereignisse einem 1500-Jahresrhythmus unterworfen und auch spätere Ereignisse wie die Kleine Eiszeit, die Misox-Schwankung und der Beginn der Jüngeren Dryas scheinen sich demselben Rhythmus unterzuordnen.

Perioden gehäufter Treibeis- und Eisberg-Sedimente der letzten 9000 Jahre korrelieren mit abrupten Abschwächungen im asiatischen Monsun.[9][10][11] Überdies scheinen sie in den letzten 55.000 Jahren mit Dürreperioden im Mittleren Osten übereinzustimmen, wobei dies sowohl für Heinrich-Ereignisse als auch Bond-Ereignisse Gültigkeit hat.[12][13] Ferner gibt es in ganz Nordamerika viele Anzeichen für Veränderungen in Pflanzengemeinschaften, die in etwa ebenfalls einem 1500-Jahreszyklus folgen.[14]

Der 1500-Jahreszyklus zeigt nichtlineare Eigenschaften sowie stochastische Resonanz; dies bedeutet, dass nicht ein jedes Ereignis mit einem herausragenden Klimaereignis identisch ist, nur manche treten tatsächlich als solche umweltgeschichtlich deutlich in den Vordergrund.[15]

Die Ursachen und bestimmenden Faktoren des 1500-Jahreszyklus werden gegenwärtig untersucht, wobei die Forschung ihre Hauptaufmerksamkeit auf Variationen in der Solarkonstante und auf Umschichtungen in der Atmosphärenzirkulation richtet.[16]

Auflistung der Bond-Ereignisse

Die meisten Bond-Ereignisse besitzen kein eindeutiges Klimasignal – so fallen einige mit Abkühlungsphasen zusammen, andere wiederum korrelieren gebietsweise mit Trockenheitsperioden. Nur die Bond-Ereignisse 1 und 5, vor etwa 1400 und 8100 Jahren, fallen mit Zeiten kühlerem Klimas zusammen.[17] Dennoch wurden Parallelen gezogen zwischen Bond-Ereignissen, hypothetischen Klimaschwankungen, die grob in den Zeitraum der Ereignisse fallen, und geschichtlichen Ereignissen und Prozessen der Zeit.[18]

Nummer Zeit (BP) 1) Anmerkungen
0 ≈0,5 ka 2) siehe auch Kleine Eiszeit[19]
1 ≈1,4 ka siehe auch Pessimum der Völkerwanderungszeit[20]
2 ≈2,8 ka
3 ≈4,2 ka siehe auch 4,2-Kilojahr-Ereignis
4 ≈5,9 ka
5 ≈8,2 ka siehe auch 8,2-Kilojahr-Ereignis
6 ≈9,4 ka siehe auch Erdalen-Ereignis[21]
7 ≈10,3 ka
8 ≈11,15 – 11,3 ka siehe auch Präboreale Schwankung; Übergang von der Jüngeren Dryas zum Boreal[22]
1) 
Maxima des Treibeisindex nach Bond u. a. (1997), S. 1257–1258
2) 
ka: Kilojahr – d. h. Angaben in tausend Jahren vor dem Jahr 1950 (BP)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c Heinz Wanner, Olga Solomina, Martin Grosjean, Stefan P. Ritz, Markéta Jetel: Structure and origin of Holocene cold events. In: Quaternary Science Reviews. Oktober 2011, doi:10.1016/j.quascirev.2011.07.010.
  2. a b c d Frank M. Chambers: Bond-Events. In: John A Matthews (Hrsg.): Encyclopedia of Environmental Change. SAGE, 2013, ISBN 978-1-4462-6488-1.
  3. Gerard Bond, William Showers, Maziet Cheseby, Rusty Lotti, Peter Almasi, Peter deMenocal, Paul Priore, Heidi Cullen, Irka Hajdas, Georges Bonani: A Pervasive Millennial-Scale Cycle in North Atlantic Holocene and Glacial Climates. In: Science. Band 278, 5341, November 1997, S. 1257–1266, doi:10.1126/science.278.5341.1257.
  4. Gerard Bond1, Bernd Kromer, Juerg Beer, Raimund Muscheler, Michael N. Evans, William Showers, Sharon Hoffmann, Rusty Lotti-Bond, Irka Hajdas, Georges Bonani: Persistent Solar Influence on North Atlantic Climate During the Holocene. In: Science. Band 294, 5549, Dezember 2001, S. 2130–2136, doi:10.1126/science.1065680.
  5. Christopher J. Caseldine, Frank M. Chambers: Bond-Cycles. In: John A Matthews (Hrsg.): Encyclopedia of Environmental Change. SAGE, 2013, ISBN 978-1-4462-6488-1.
  6. Olaf Elicki, Christoph Breitkreuz: Die Entwicklung des Systems Erde. Springer, 2016, ISBN 978-3-662-47192-0, S. 267.
  7. Heinz Wanner: Klima und Mensch – Eine 12'000-jährige Geschichte. 2. Auflage. Haupt, 2020, ISBN 978-3-258-07879-3, S. 120–124.
  8. G. C. Bond, W. Showers, M. Elliot, M. Evans, R. Lotti, I. Hajdas, G. Bonani, S. Johnson: The North Atlantic's 1-2 kyr Climate Rhythm: Relation to Heinrich Events, Dansgaard/Oeschger Cycles and the Little Ice Age. In: Geophysical Monograph Series. 112, 1999, S. 35–58.
  9. Upasana S Banerji, P Arulbalaji, D Padmalal: Holocene climate variability and Indian Summer Monsoon: An overview. In: The Holocene. 2020, doi:10.1177/0959683619895577.
  10. Anil K. Gupta, David M. Anderson, Jonathan T. Overpeck: Abrupt changes in the Asian southwest monsoon during the Holocene and their links to the North Atlantic Ocean. In: Nature. Band 421, 6921, 2003, S. 354–357, doi:10.1038/nature01340.
  11. Yongjin Wang u. a.: The Holocene Asian Monsoon: Links to Solar Changes and North Atlantic Climate. In: Science. Band 308, 5723, 2005, S. 854–857, doi:10.1126/science.1106296.
  12. Yuval Bartov, Steven L. Goldstein, Mordechai Stein, Yehouda Enzel: Catastrophic arid episodes in the Eastern Mediterranean linked with the North Atlantic Heinrich events. In: Geology. Band 31, 5, 2003, S. 439–442.
  13. Adrian G. Parker: A record of Holocene climate change from lake geochemical analyses in southeastern Arabia. In: Quaternary Research. Band 66,3, 2006, S. 465–476.
  14. André E. Viau u. a.: Widespread evidence of 1,500 yr climate variability in North America during the past 14 000 yr. In: Geology. Band 30, 5, 2002, S. 455–458.
  15. John D. Cox: Climate Crash: Abrupt Climate Change and What It Means for Our Future. Joseph Henry Press, Washington DC 2005, ISBN 0-309-09312-0, S. 150–155.
  16. Holger Braun, Marcus Christl, Stefan Rahmstorf, Andrey Ganopolski, Augusto Mangini, Claudia Kubatzki, Kurt Roth, Bernd Kromer: Possible solar origin of the 1,470-year glacial climate cycle demonstrated in a coupled model. In: Nature. 438. Jahrgang, November 2005, S. 208–211, doi:10.1038/nature04121 (englisch, awi.de [PDF]).
  17. H. Wanner, L. Mercolli, M. Grosjean, S. P. Ritz: Holocene climate variability and change; a data-based review. In: Journal of the Geological Society. März 2015, doi:10.1144/jgs2013-101.
  18. Beispielsweise wurde Bond-Ereignis 2 mit Dürren im östlichen Mittelmeerraum in Verbindung gebracht: David Kaniewski, Joël Guiot, Elise Van Campo: Drought and societal collapse 3200 years ago in the Eastern Mediterranean: a review. In: WIREs Climate Change. Mai 2015, doi:10.1002/wcc.345 (open access).
  19. Keliang Zhao u. a.: Climatic variations over the last 4000 cal yr BP in the western margin of the Tarim Basin, Xinjiang, reconstructed from pollen data. In: Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. Band 321–322, 2012, S. 16–23.
  20. Samuli Helama, Phil D Jones, Keith R Briffa: Dark Ages Cold Period: A literature review and directions for future research. In: The Holocene. Februar 2017, doi:10.1177/0959683617693898.
  21. Svein Olaf Dahl u. a.: Timing, equilibrium-line altitudes and climatic implications of two early-Holocene glacier readvances during the Erdalen Event at Jostedalsbreen, western Norway. In: The Holocene. Band 12, 1, 2002, S. 17–25, doi:10.1191/0959683602hl516rp.
  22. Harriet D. Allen: Response of past and present Mediterranean ecosystems to environmental change. In: Progress in Physical Geography. Band 27, 3, 2003, S. 359–377, doi:10.1191/0309133303pp387ra.