Blut-Tumor-Schranke

Als Blut-Tumor-Schranke (engl. blood-tumor barrier) bezeichnet man die physiologische Barriere zwischen dem Blutkreislauf und einem soliden malignen (bösartigen) Tumor.

Beschreibung

Die Blut-Tumor-Schranke wird, wie beispielsweise auch die Blut-Hirn-Schranke, von Endothelzellen gebildet. Die von den Endothelzellen ausgekleideten Blutgefäße zur Versorgung eines Tumors mit Nährstoffen und Sauerstoff sind im Vergleich zum kontinuierlichen Endothel, das die Versorgung von normalem, nicht entartetem Gewebe gewährleistet, deutlich durchlässiger.[1] Grundsätzlich haben die Blutgefäße von Tumoren deutlich weiter geöffnete interzelluläre Verbindungskomplexe (Tight Junctions), eine größere Anzahl von Öffnungen (Fenestrierungen) und endozytotische Vesikel. Die Basallamina ist unterbrochen oder fehlt vollständig. Diese strukturellen Veränderungen erhöhen den Durchsatz von Molekülen über die Blutgefäße zum Tumor, was wiederum einen erhöhten interstitiellen Druck im Tumor und einen reduzierten mikrovaskulären Druck bewirkt. Der interstitielle Druck kann bei humanen Tumoren um bis zu 50 mm Hg über dem in normalem Gewebe liegen.[2]

Die Veränderungen im Endothel werden durch den Tumor selbst hervorgerufen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der vaskuläre Permeabilitätsfaktor (VEGF). Dieser Wachstumsfaktor wird vom Tumor an das umgebende Gewebe ausgeschüttet und erhöht die Durchlässigkeit der Blutgefäße.[3]

Auswirkungen

Die Veränderungen der Druckverhältnisse im Tumor haben ein verzögertes Extravasieren von Molekülen und Zellen, speziell in größeren Tumoren, zur Folge. Diese Eigenschaften der Blut-Tumor-Schranke beeinflussen das Tumorwachstum und dessen Metastasierung sowie die Diagnose und Therapie des Tumors.[4]

Der erhöhte interstitielle Druck erschwert beispielsweise das Eindringen von Zytostatika über die Blutgefäße in das Tumorgewebe.[5] Die Undichtigkeiten der Blut-Tumor-Schranke erschweren ebenfalls den Transport von Wirkstoffen zum Tumor.[6][7][8]

Die erhöhte Fenestrierung des Endothels an der Blut-Tumor-Schranke wird dagegen mit dem sogenannten EPR-Effekt für das passive Drug Targeting, das heißt für den gezielten Wirkstofftransport mittels Makromolekülen oder Nanoteilchen, ausgenutzt.[9]

Weiterführende Literatur

Einzelnachweise

  1. H. Sarin, A. S. Kanevsky u. a.: Physiologic upper limit of pore size in the blood-tumor barrier of malignant solid tumors. In: Journal of translational medicine. Band 7, 2009, S. 51, ISSN 1479-5876. doi:10.1186/1479-5876-7-51. PMID 19549317. PMC 2706803 (freier Volltext).
  2. R. Kubale, H. Stiegler: Farbkodierte Duplexsonographie. Georg Thieme Verlag, 2002, ISBN 3-131-28651-2, S. 499. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  3. W. G. Roberts, G. E. Palade: Increased microvascular permeability and endothelial fenestration induced by vascular endothelial growth factor. In: Journal of cell science. Band 108 ( Pt 6), Juni 1995, S. 2369–2379, ISSN 0021-9533. PMID 7673356.
  4. R. K. Jain: Transport of molecules across tumor vasculature. In: Cancer Metastasis Reviews. Band 6, Nummer 4, 1987, S. 559–593, ISSN 0167-7659. PMID 3327633. (Review).
  5. R. K. Jain: Transport of molecules in the tumor interstitium: a review. In: Cancer Research. Band 47, Nummer 12, Juni 1987, S. 3039–3051, ISSN 0008-5472. PMID 3555767. (Review).
  6. R. K. Jain: Normalization of tumor vasculature: an emerging concept in antiangiogenic therapy. In: Science. Band 307, Nummer 5706, Januar 2005, S. 58–62, ISSN 1095-9203. doi:10.1126/science.1104819. PMID 15637262. (Review).
  7. S. Folli, A. Pèlegrin u. a.: Tumor-necrosis factor can enhance radio-antibody uptake in human colon carcinoma xenografts by increasing vascular permeability. In: International Journal of Cancer. Band 53, Nummer 5, März 1993, S. 829–836, ISSN 0020-7136. PMID 8449608.
  8. B. Jacke: Die liposomale Targetierung der Aminopeptidase N an angiogenetisch aktiven Endothelzellen als möglicher neuer Therapieansatz. Dissertation, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2008, S. 9.
  9. H. Maeda u. a.: Tumor vascular permeability and the EPR effect in macromolecular therapeutics: a review. In: J Control Release. Band 65, 2000, S. 271–284. PMID 10699287 (Review)