Atomexplosionen für die VolkswirtschaftDas Programm Atomexplosionen für die Volkswirtschaft (russisch Ядерные взрывы для народного хозяйства, Jadernye vzryvy dlja narodnogo chozjajstva), gelegentlich auch als Programm Nr. 7 bezeichnet,[1] war ein sowjetisches Vorhaben, Nuklearwaffen für zivile Zwecke nutzbar zu machen. Dazu wurden unter anderem die von den Explosionen verursachten seismische Wellen erforscht, in der Hoffnung umfangreiche Öl- und Gasvorkommen zu entdecken. Auch wurden Hohlräume gesprengt, um Gasspeicher zu erzeugen, es wurden mit 5 Explosionen brennende Gasquellen gelöscht[2], und man erprobte den Einsatz von Atomexplosionen zur Erdbewegung sowie die grundsätzliche Ausbreitung von radioaktiver Strahlung bzw. Kontamination. Sowohl nach Dauer als auch nach Umfang war das Projekt größer als sein amerikanisches Pendant Project Plowshare, wird jedoch außerhalb des postsowjetischen Raums deutlich weniger rezipiert. Ablauf des ProgrammsVon 1965 bis 1988 wurden unter dem Dach von Programm Nr. 7 insgesamt 115 Explosionen ziviler atomarer Sprengsätze ausgelöst, vorwiegend im Bergbau. Die erste Explosion erfolgte in der Nähe des Flusses Schagan (russisch Чага́н) auf dem Atomwaffentestgelände Semipalatinsk im Gebiet des heutigen Kasachstan am 15. Januar 1965. Getestet werden sollte hier die Verwendung für den späteren Bau des Petschora–Kama-Kanal und zurück blieb der gleichnamige See.[3] Unbeabsichtigte Auswirkungen und LangzeitfolgenZu unbeabsichtigten radioaktiven Kontaminationen kam es bei den Explosionen Globus-1 am 19. September 1971 (bei Kineschma im europäischen Russland mit einer Sprengkraft von 2,3 Kilotonnen TNT-Äquivalent) und Kraton-3 am 24. August 1978 (im fernöstlichen Jakutien mit 22 Kilotonnen Sprengkraft). In jüngerer Zeit erlangte darüber hinaus einer der Versuche bei Jenakijewe in der Ukraine Bedeutung. Hier wurde am 16. September 1979 eine Kaverne gesprengt, welche durch den benachbarten Bergbau seit der Sprengung trocken gehalten wurde. 2018 entschied die Regierung der Volksrepublik Donezk, nachdem der anliegende Bergbau bereits 2002 eingestellt worden war, die Wasserhaltung ebenfalls einzustellen, und es droht der unkontrollierte Austritt von kontaminiertem Wasser in den Fluss Siwerskyj Donez.[4] Ende und AusblickDas Programm, das bis in die späten 1980er Jahre lief und wohl – nach verschiedenen Darstellungen – den Schritt von „Test“ zu „reguläre Anwendung“ zumindest teilweise schon gegangen war,[5] wurde mit dem Fall der UdSSR eingestellt und in keinem der Nachfolgestaaten wieder aufgenommen, auch wenn gerade in der russischen Föderation immer wieder Forderungen in diese Richtung aufkommen.[6] Aufgrund zeitgenössischer Geheimhaltung, die teilweise bis heute besteht, und der Sprachbarriere sind in westlichen Quellen nur unzureichende Daten über Art, Umfang und Erfolg der einzelnen Explosionen verfügbar.[7] Auch im Zuge der Ölkatastrophe um Deepwater Horizon 2010 wurde die Zündung einer taktischen Nuklearwaffe zum Stoppen des weiteren Austritts von Öl öffentlich diskutiert.[8] Ein russischer Vorschlag, mit eigener Expertise und Equipment zur Seite zu stehen – Russland hatte in den 1970er und 1980er Jahren Gas- und Öllecks mit nuklearen Explosionen gestoppt[9] –, wurde 2010 von vielen Boulevardmedien aufgegriffen,[10][11][12][13] aber generell als nicht ernst zu nehmend interpretiert.[14] Siehe auchWeblinks
Einzelnachweise
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