A Night at Birdland
A Night at Birdland – Jazz Corner of the World ist der Mitschnitt eines Jazz-Konzerts von Art Blakey und seinem neu zusammengestellten Quintett, zu dem Curly Russell, Lou Donaldson, Horace Silver und Clifford Brown gehörten. Das Konzert fand am 21. Februar 1954 im New Yorker Jazzklub Birdland statt und umfasste fünf Sets.[1] Es wurde vom Plattenlabel Blue Note Records im selben Jahr auf drei nacheinander erscheinenden 10-Zoll-Schallplatten veröffentlicht. Bereits 1956 wurde die Zusammenstellung, ergänzt um einen weiteren Titel, auf zwei separaten 12-Zoll-Schallplatten veröffentlicht. HintergrundNach Richard Cook[2] war es eine der wichtigsten von Blue Note in den 1950er-Jahren dokumentierten Sessions. Sie markiert den Übergang zu Langspielplatten bei Blue Note, bedeutete den Durchbruch für Rudy Van Gelder als Aufnahmetechniker bei Blue Note und der Beginn von Blakeys Wirken als Leiter einer Art Hausband bei Blue Note (bei denen er seit 1952 häufig als „Hausdrummer“ zu hören war). Die Wirkung der Live-Aufnahme hatte auch mit dem Können von Van Gelder als Aufnahmetechniker zu tun, in einer Art und Weise, die nach Cook unter den Livemitschnitten im Jazz bis dahin an Unmittelbarkeit und Klangtreue nicht ihresgleichen hatte. Die Aufnahmen markieren auch einen weiteren Ausbau der Zusammenarbeit von Blakey und Silver. Sie waren die ersten Live-Aufnahmen im Birdland für die Veröffentlichung auf Alben,[3] viele weitere im Birdland und anderen Clubs sollten dem Beispiel dieser Aufnahmen folgen. Mit den Aufnahmen in Albumlänge konnte auch der im Entstehen begriffene intensive Hardbop-Sound erstmals adäquat eingefangen werden.[4] Die eigentliche Überraschung war aber, so Horace Silver in seinen Erinnerungen, Clifford Brown, von dem die Jazzszene in New York zwar schon gehört hatte, die Wenigsten hatten ihn aber live erlebt. Lion war zusammen mit Blakey in Cliffords Heimatort Wilmington gefahren und hatte ihn eigens für die Session nach New York kommen lassen. Silver fasste seinen Eindruck so zusammen: „When we heard Clifford play, we were blown away.“ („Als wir Clifford hörten, warf es uns um.“)[5] Miles Davis, der zu einer der Proben ins Birdland kam, meinte beim Weggehen scherzhaft, er hoffe Clifford werde auf die Nase fallen; ein Zeichen seiner Anerkennung.[6] Die Gruppe spielte zwei Wochen im Birdland und anschließend eine Woche in Philadelphia. Da die Band keine Anschlussauftritte bekam, ging Clifford mit der Band von Max Roach nach Kalifornien. Horace Silver meinte rückblickend in seiner Autobiografie von 2006:
– Horace Silver: Let’s Get to the Nitty Gritty – The Autobiography of Horace Silver[7] Lou Donaldson erinnerte sich anlässlich der Verleihung der 2013 NEA Jazz Masters Fellowship:
– Lou Donaldson: Interview mit Jo Reed vom 22. Dezember 2012[8] Hintergründe einzelner TitelAnsagenDie Ankündigung des Konzerts zu Beginn der Aufnahme ist mit knapp einer Minute Dauer ein eigener Track. Die Ansprache übernahm William Crayton Marquette alias „Pee Wee Marquette“, eine Art Zeremonienmeister des Birdland. Marquette stellte darin die Band vor und informierte das Publikum darüber, dass der Auftritt live für Blue Note Records mitgeschnitten und der Applaus des Publikums ebenfalls aufgenommen wird:
– Pee Wee Marquette[9] Marquettes Ankündigung wurde von Us3 gesampelt und leitet in gekürzter Form deren Titel Cantaloop von 1992 ein. A Night in TunisiaIn seiner Ansage von A Night in Tunisia (bei der CD aus technischen Gründen im Abspann des vorhergehenden Titels Quicksilver) erzählt Art Blakey, dass er sich dem folgenden Titel sehr verbunden fühle. Er sei dabei gewesen, als Dizzy Gillespie den Titel in Texas auf einem umgedrehten Mülleimer sitzend („on the bottom of a garbage can“) geschrieben habe. Als das Publikum lacht, erwidert Blakey: „Seriously.“ („Ernsthaft.“) MayrehHierbei handelt es sich um die Erstaufnahme des Titels Mayreh, den Art Blakey drei Monate darauf mit einem völlig anderen Quintett erneut aufnehmen sollte. Der Titel stammt aus der Feder von Horace Silver, basiert allerdings auf den Wechseln von All God's Children Got Rhythm. Der Titel kam folgendermaßen zustande: Mayreh gibt lautmalerisch wieder, wie Lou Donaldson als ein Bewohner des Bundesstaates North Carolina den Namen „Mary“ ausspricht.[10] Die Aufnahme geht am Schluss in Lullabye of Birdland über als Referenz an den Club. Now’s the TimeAm Schluss der Charlie-Parker-Komposition Now’s the Time stellt Blakey seine Band vor. Nachdem er die Hoffnung äußert, dass er „für immer“ mit ihnen zusammen arbeiten werde, sagt er zum Publikum gewandt, dass er sie eines Tages durch jüngere Musiker ersetzen wird. Damit erklärt Blakey sein Konzept, dem er auch später mit den Jazz Messengers treu bleibt. Der Schlagzeuger, der selbst keine Kompositionen schrieb, umgab sich stets mit aufstrebenden Nachwuchsmusikern und profitierte von deren kompositorischen Ideen (Hank Mobley, Lee Morgan, Benny Golson, Bobby Timmons, Wayne Shorter etc.).
– Art Blakey: Now’s the Time auf A Night at Birdland, Vol. 2[11] Lou’s BluesBei Lou’s Blues handelt es sich nicht um den gleichnamigen Eröffnungstitel auf Lou Donaldsons Debütalbum von 1952.[12] Titelliste10"-SchallplattenA Night at Birdland, Vol. 1 (Juli 1954; BLP 5037; 21:58 min)
A Night at Birdland, Vol. 2 (Oktober 1954; BLP 5038; 22:58 min)
A Night at Birdland, Vol. 3 (November 1954; BLP 5039; 21:45 min)
CD-ReissueIm Jahr 2001 erschien eine überarbeitete digitale Version des Live-Mitschnitts. Rudy Van Gelder, der ursprüngliche Aufnahmetechniker von A Night at Birdland, re-remasterte die Aufnahmen im Rahmen seiner RVG-Edition für Blue Note Records. A Night at Birdland, Vol. 1 (BLP 1521; CD 46519)
Produktion
RezeptionMichael G. Nastos vergab an das Album in Allmusic vier (von fünf) Sternen und meinte, das „Pre-Messengers-Quintett“ liefere zahlreiche Hinweise auf Durchsetzung eines Ensembleformats, das bis zum Miles Davis Quintett der 1960er-Jahre führen sollte. Die vorliegende Aufnahme (Vol. 1) bereitete nach Nastos für Art Blakey und den Modern Jazz generell den Durchbruch und definierte die Art und Weise, wie Jazzmusik in den folgenden Jahrzehnten gehört werden sollte.[13] Auch die folgenden Platten (Vol. 2 & 3), die den Live-Mitschnitt dokumentierten, enthielten nach Nastos einige Höhepunkte, aber auch einige Tiefpunkte, ob aus Erschöpfung oder mangelnder Vorbereitung. Mit dem kurz für Donald Byrd eingewechselten Trompeter Clifford Brown und dem Altsaxophonisten Lou Donaldson hätte die Band einen vollkommen anderen Klang, obwohl Horace Silver, Blakey, Curly Russell (als kurzfristiger Ersatz für Doug Watkins) solide wie ein Fels seien. Zwar gäbe es auch hier herausragenden Bop und Hardbop in diesem Set, inspiriert und stark, wie man vermuten könne, aber der Latin-Touch der Originalband sei vergangen. Mit Donaldsons Faible für Charlie Parker käme „unerbittlich der pure Bebop-Klang in die Musik“ der Messengers. In Titeln wie Now’s the Time, Confirmation, Wee-Dot oder The Way You Look Tonight sei Donaldson klar der dominante Spieler, wobei Clifford Brown überraschenderweise in den Hintergrund rücke, wie auch in der beeindruckenden Ballade If I Had You. Sehr gut sei das Zusammenspiel von Brown und Donaldson auf Silvers Quicksilver.[14] Richard Cook und Brian Morton bewerteten das Album im Penguin Guide mit der Höchstnote von vier Sternen. Blakey spiele auf den Mitschnitten laut und hart, dabei den Off-Beat akzentuierend, mit einem Hi-Hat-Schlag, der eine gewaltige Schroffheit besitze und einem dramatisch wirkenden Snare-Rollen. Ebenso sehr wie er die Musik dominiert, spiele er auch für die Band, und sein inspiriertes Führen seiner Band werde hier genauso deutlich wie in seinen späteren Aufnahmen.[15] Nach Cook[16] ist die Aufnahme rundum gelungen, Lou Donaldson und Clifford Brown würden wunderbar zusammenpassen und Donaldson mit seinen Parkerismen einen wundervollen Kontrast zu Browns lyrischem Ton bilden. Zwar sei ein Teil des Materials ziemlich altmodisch (A Night in Tunesia, Now’s the Time, Confirmation) und den 1940ern zugehörig, sie würden aber eine Stimmung einfangen, die zwischen normalem Club-Auftritt und Jam-Session angesiedelt sei. Ira Gitler meinte:[17] „Horace spielt den Blues auf unnachahmliche Weise. Ich kann geradezu Alfred Lion hören, wie er an der Bar steht und mit dem für einen gebürtigen Berliner typischen harten R sagt: Yeah, that’s funky-grroovy.“ AuszeichnungenIm Jahr 2005 bekam Art Blakey als Bandleader für A Night at Birdland einen Grammy Hall of Fame Award.[18] Im Jahr 2013 wurde A Night at Birdland von der Library of Congress in ihre National Recording Registry aufgenommen.[19] Literatur
Weblinks
Musikbelege
Einzelnachweise
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