Ökonomie der ArtenvielfaltÖkonomie der Artenvielfalt (Originaltitel: englisch The Economics of Biodiversity: The Dasgupta Review) ist ein am 2. Februar 2021 von dem britischen Wirtschaftswissenschaftler Partha Dasgupta veröffentlichter Bericht, der den globalen Forschungsstand zur Ökonomie der Biodiversität dokumentiert.[1] In dem Gutachten versuchen Dasgupta und sein Team, den Wert der Natur zu erfassen und zeigen Wege und Instrumentarien auf, mit denen der Zerstörung der biologischen Vielfalt und der Natur Einhalt geboten werden kann. Ausgangspunkt der Studie, offiziell als „Review“ bezeichnet, sind Schätzungen, nach denen Regierungen weltweit jedes Jahr mit 500 Milliarden US-Dollar Aktivitäten unterstützen, die der Artenvielfalt schaden. Dem gegenüber stehen Investitionen in die Natur in Höhe von 78 bis 143 Milliarden US-Dollar pro Jahr, die in etwa 0,1 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts ausmachen.[2] Ausgehend davon, dass Rückgang und Zerstörung der Biodiversität die Widerstandsfähigkeit und Produktivität der Natur schmälern, habe dies unheilvolle Auswirkungen für Menschen und Wirtschaft gleichermaßen. Biodiversität als integrierter Bestandteil aller ökonomischen Prozesse ist das zentrale Anliegen des Dasgupta-Reviews, von dessen breit angelegter Analyse und den Schlussfolgerungen daraus ähnliche Impulse erwartet werden wie von der 1972 veröffentlichten Studie Die Grenzen des Wachstums.[3] HintergrundErstellt wurde das auch als Dasgupta Report zur Ökonomie der Biodiversität bezeichnete Gutachten im Auftrag der britischen Regierung. Es ist nach dem Leitautor des Berichts, dem Wirtschaftswissenschaftlers Partha Dasgupta, emeritierter Professor für Ökonomie am St John’s College der britischen University of Cambridge benannt. Der Auftrag an ihn lautete, weltweit den wirtschaftlichen Nutzen der biologischen Vielfalt sowie die wirtschaftlichen Kosten und Risiken des Biodiversitätsverlustes zu bewerten. Daraus schlussfolgernd sollen Maßnahmen vorgeschlagen werden, biologische Vielfalt und Wohlstand gleichermaßen zu erhalten und zu mehren. Es sollten zudem konkrete Beispiele angeführt werden, die aufzeigen, wie Ökosysteme an verschiedenen Orten erfolgreich verbessert und erhalten werden. International gilt das Gutachten als neuer, grundlegender Ansatz für die künftige Ausrichtung der seit 1993 bestehenden Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity / CBD), die inzwischen von 168 Staaten sowie der Europäischen Union unterzeichnet ist.[4] Dies auch im Zeichen der im Mai 2021 stattfindenden 15. Vertragsstaatenkonferenz der CBD in Kunming (China),[5] wo es um die Weiterentwicklung des CBD-Vertragswerks und um die Forcierung multilateraler Bemühungen um den Schutz der Biodiversität auf der Erde geht.[6] Struktur des ReportsGegliedert ist der Dasgupta-Bericht in drei Kapitel: Erstens die Ausgangslage, die Entwicklung und der aktuelle Status der Biodiversität. Im zweiten Kapitel geht der Bericht auf die ökonomischen Rahmenbedingungen ein, zeigt auf, welche Auswirkungen wirtschaftliches Handeln auf die Biodiversität hat und definiert das Verhältnis der Ökologie zur Ökonomie unter besonderer Berücksichtigung der Nachhaltigkeit. Im dritten Kapitel beschreibt der Bericht Optionen und Wege für einen besseren Schutz der Biodiversität und macht Vorschläge für konkrete Maßnahmen, die ausgerichtet sind auf einen Paradigmenwechsel des Verhältnisses der Ökonomie zur Ökologie. Kernaussagen des ReportsIm Fokus des Reports steht die Forderung, der Natur einen ökonomischen Wert zu geben und diesem Wert die Zerstörung der Umwelt durch den Menschen gegenüberzustellen: „Unsere Wirtschaft, unser Lebensunterhalt und unser Wohlbefinden hängen alle von unserem wertvollsten Gut ab: der Natur. Wir sind Teil der Natur, nicht getrennt von ihr“.[7] Im Hinblick darauf definiert der Bericht die Defizite im weltweiten Zusammenwirken von Ökonomie und Ökologie, und er schildert die Folgen einer verkehrten Einstellung des Menschen zur Natur: „Die Wachstums- und Entwicklungstheorien, die unsere Vorstellungen über den Fortschritt und Rückschritt von Nationen geprägt haben, erkennen die Abhängigkeit der Menschheit von der Natur nicht an“.[8] Daraus folgt, dass stetiges Wachstum letztlich zum ökologischen und klimatischen Kollaps führt. In einer im Zuge der Veröffentlichung des Berichts vorgelegten Kurzfassung, den sogenannten „Headline Messages“, sind die zentralen Aussagen des Dasgupta Reviews zusammengefasst:[9]
SchlussfolgerungenErhalt und Schutz der Biodiversität sieht der Bericht als die entscheidende Grundlage einer produktiven, widerstandsfähigen und anpassungsfähigen Natur. Analog zur Strategie in der Ökonomie, mit der guten Mischung eines Portfolios von finanziellen Vermögenswerten das Risiko und die wirtschaftliche Unsicherheit zu reduzieren, ermöglicht die Vielfalt von Werten und Eigenschaften der Natur, Katastrophen zu bewältigen und Risiken zu reduzieren. In seinen „Headline Messages“ geht der Bericht davon aus, dass die für die Lösung der Umweltprobleme dringend notwendigen Änderungen in der Wirtschafts- und Umweltpolitik weit weniger kosten als nichts zu tun. In ihrem Schlussteil zeigt die Studie drei Bereiche auf, in denen Änderungen vonnöten sind:
Resonanz und ReaktionenDer Report hat weltweit Aufsehen erregt, insbesondere wegen seiner Sichtweise von Natur als integralem Bestandteil der Wirtschaft. In einem Essay mit dem Titel Mit der Natur rechnen vergleicht Nikolaus Piper in der Süddeutschen Zeitung die Studie The Economics of Biodiversity mit Dennis Meadows’ 1972 veröffentlichtem Bericht an den Club of Rome über die Grenzen des Wachstums. Im Hinblick darauf, dass Meadows’ Bericht heute als Gründungsdokument der Umweltbewegung wahrgenommen wird und wesentliche Anstöße für Veränderungen in der Wirtschafts- und Umweltpolitik gab, geht Piper davon aus, dass die Studie und die Vorschläge von Dasgupta das Denken in den Wirtschaftswissenschaften verändern könnten und gute Lösungsansätze bieten, „mit dem Problem der Umweltzerstörung fertigzuwerden“.[10] Der britische Naturforscher David Attenborough sagte zu dem Bericht: „Dieser umfassende und immens wichtige Report konfrontiert uns mit dem, was Ökonomie und Ökologie verbindet und zeigt uns, wie wir dazu beitragen können, die natürlichen Ressourcen in der Welt zu schützen und unsere Existenz auf Erden damit retten“.[11] Georg Schwede, Europachef der Campaign for Nature geht im Spiegel auf den wirtschaftspolitischen Ansatz der Studie ein: „Der Dasgupta-Report hält uns den Spiegel des Marktversagens im Portfoliomanagement unserer natürlichen Lebensgrundlagen vor, es ist hohe Zeit, die von der Natur erbrachten Leistungen in unsere Wirtschaftsbilanzen und Finanzmodelle mit einzubeziehen. Sonst wird uns der notwendige Paradigmenwechsel im Umgang mit der Natur nicht gelingen“.[12] Es gibt auch kritische Resonanz auf den Bericht. So moniert die Global Ethical Finance Initiative (GEFI) auf Twitter, der Bericht sei noch zu sehr altem Denken verhaftet. Die GEFI verweist darauf, dass der Bericht zu wenig auf zeitgenössische Ökonomie-Experten wie Kate Raworth oder Julia K. Steinberger eingeht.[13] Literatur
Einzelnachweise
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