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Die Woten, die ursprünglichen Sprecher dieser Sprache, sind die zweite Bevölkerungsgruppe in Ingermanland im heutigen Russland neben den Ingriern. Laut den Angaben von H. Heinsoo aus dem Jahre 1989, von dem die letzten Daten über diese Sprache stammen, gaben 112 Menschen bei der Volkszählung in Russland an, diese Sprache zu sprechen. Die Eigenbezeichnung ist vad’d’alain, deren Bedeutung und Ursprung unbekannt ist.
Man kennt vier Hauptdialekte dieser Sprache, die aber zum Großteil schon ausgestorben sind:
Westwotisch
Kukkusi-Wotisch (ausgestorben)
Ostwotisch (ausgestorben in den 1960er Jahren)
Krewinisch in Südlettland (ausgestorben im 19. Jahrhundert)
Wotisch verfügt über vierzehn Kasus und als Besonderheit innerhalb der finno-ugrischen Sprachen sechs Tempora, darunter das für finno-ugrische Sprachen völlig untypische Futur.
In der Phonetik des Wotischen fällt auf, dass es zwar sehr reich an Diphthongen ist, aber ein vergleichsweise schwach ausgebildetes Konsonantensystem aufweist, insbesondere der Mangel an stimmhaftenFrikativen. Demgegenüber fällt die Häufigkeit von š und tš auf, die das Ergebnis einer wotischen Lautverschiebung ist. Dabei wurde beispielsweise ostseefinnisches k vor e, ä und i zu tš, vgl. finnischkenkä, mäki, kieli, wotisch tšentšä, mätši, tšeeli.
Während andere finno-ugrische Sprachen wie beispielsweise das Wepsische den Stufenwechsel nahezu aufgegeben haben, hat sich dieser im Wotischen nicht nur erhalten, sondern auch noch weiterentwickelt.
Der Luuditsa-Dialekt des Wotischen unterscheidet hingegen zwischen 12 Vokalen (angegeben in UPA-Lautschrift). Durch Einflüsse des angrenzenden Ischorischen kam es in den Sprechern der letzten Generation zu einer Verschiebung des ɨ, nur aufkommend in russischen Lehnwörtern, zu i.[4]
Infinite Verben haben keine Polarität im Wotischen. Die infiniten Formen sind Infinitiv und Supinum (in Infinitivkonstruktionen) und aktive und passive Formen des Partizip Perfekts. Der Gebrauch nicht-finiter Klauseln im Partizip ist sehr begrenzt, stattdessen werden häufiger finite Relativsätze verwendet. Es gibt keine negativen Formen für nicht-finite Verben.[7]
Die Markierungen des ersten Infinitivs und des aktiven Partizips werden mit dem stammfinalen Konsonanten assimiliert.[8]
Markierungen infiniter Formen im Partizip Perfekt[9][8]
Im Westwotischen wird der erste Infinitiv mit -a/-ä, -ā/-ǟ, -vvə̑/-vvə, jjə und -ta/-tä (oder -tə̑/-tə) markiert, z. B.: üpätä („springen“), süvvä („essen“).[9][8]
Im Ostwotischen wird der velareStop -G zusätzlich hinzugefügt, z. B.: sȫäG („essen“).[9]
Der erste Infinitiv drückt sowohl das gleichzeitige Geschehen einer Handlung aus als auch die Art, in der die Handlung stattfindet, z. B.: elǟzä en e̮лe̮ nähnü nī üvǟ lehmǟ („während ich gelebt habe“).[9]
Generell stimmt die Verwendung des ersten Infinitivs mit der im Estnischen überein. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen der erste Infinitiv im Wotischen verwendet wird und der zweite im Estnischen, z. B.: aлke̮ tšüsüä („er fing an zu fragen“).[9]
Der erste Infinitiv kann dekliniert werden. Das Auftreten des Infinitivs im Inessiv ist sehr üblich, z. B.: nagrāza („während des Lachens“). Vor der Inessiv-Markierung wird bei Ein-Stamm Verben der Stammvokal verlängert oder -a/-ä wird zu -e-/-e̮- verändert in Zwei-Stamm Verben.[9]
Der zweite Infinitiv
Im Westwotischen wird der zweite Infinitiv/Supinum mit -mā(sē̮)/-mǟ(sē) (oder -ma/-mä) markiert. Das Suffix wird an den Vokalstamm des Verbs angehängt, z. B.: vāttamā („schauen“).[10]
Typischerweise ist der zweite Infinitiv eigentlich der Illativ, z. B.: meni kaлā pǖtämǟ („Er ging Fische fangen.“).[10]
Der zweite Infinitiv wird aber auch zusammen mit dem Inessiv, Elativ und Abessiv verwendet.[10]
Elativ: tulin tšüntämässä („Ich kam vom Pflügen.“)
Abessiv: ope̮n on sȫmättä („Das Pferd ist ohne Essen.“)
Zusätzlich wird der zweite Infinitiv auch für den Partitivus cum Infinitivo verwendet. Der Gebrauch dieser Konstruktion ähnelt der Verwendung im dialektalen Estnisch.[10]
as eb‿näü tšävelemǟ („Es scheint nicht so, als ob er gehen würde.“)
jue̮лti tuлe̮mā tuhkapǟn („Es wurde gesagt, er würde am Montag kommen.“)
Negation
Das negative Auxiliarverb
Das negative Auxiliarverbkongruiert mit dem Subjekt im Bezug auf Numerus und Person, während das Hauptverb Tempus ausdrückt. Das negative Auxiliar wird als Kopf der negativen Phrase (NegP) über der „Tempus-Phrase“ (TP) generiert.[11] Das Hauptverb kann nicht nach T0 bewegen und die V-Features checken, aber das negative Hilfsverb blockiert die Bewegung des Hauptverbs nach Agr0 und dadurch gibt es keine Kongruenz zwischen dem Hauptverb und dem Subjekt. Anstelle vom Hauptverb bewegt sich das negative Auxiliar nach Agr0.[11]
Die Kategorie Modus ist beim negativen Auxiliar reduziert, da es nur Imperativ und Indikativ gibt.[12]
Das negative Auxiliar hat 6 indikative Formen und 3 imperative Formen.
Alle negativen Verbformen werden analytisch gebildet mit einer persönlichen Form des negativen Auxiliarverbs und einer bestimmten Form des lexikalischen Verbs.[13]
Alle Formen außer dem 1SG und 3PL unterscheiden sich von der Bildung der 1SG-Form nur durch die Anpassung des negativen Auxiliars.[14]
Im PräsensIndikativ und im Konditional Präsens werden Person und Numerus am negativen Auxiliar ausgedrückt und Tempus und Modus am Hauptverb.[15]
Im negativen Präsens Indikativ wird der Stamm des Hauptverbs verwendet im Konnegativ.[15]
Im negativen Konditional Präsens wird das Hauptverb im konditionalen Konnegativ (3SG Konditional Präsens) verwendet mit der Ausnahme von der dritten Person Plural, für welche die Form der 3PL Konditional Präsens verwendet wird.[15]
,Wenn sie mich lieben würden, hätten sie (mich) nicht verlassen.‘
Im negativen Indikativ Imperfekt, dem negativen Indikativ Perfekt und dem negativen Konditional Perfekt wird das Partizip des Hauptverbs verwendet. Für 3PL wird die passive Form des Partizips verwendet und für alle anderen Formen wird die aktive Form des Partizips benutzt.[15]
Zur Bildung des Perfekts wird zusätzlich zum Partizip und dem negativen Auxiliarverb auch noch die negative Form des Auxiliars e̮ллɑ („sein“) benötigt.[15]Tempus wird auch am Auxiliar e̮ллɑ („sein“) ausgedrückt.[16]
Der Imperativ hat 4 Formen in affirmativen und 3 in negativen Klauseln. Die Bedeutung der fehlenden Form wird stattdessen durch eine analytische Konstruktion mit dem Partikelлɑ („lassen“) ausgedrückt.[14] Die negativen Formen werden im Imperativ mit der entsprechenden imperativen Form des negativen Auxiliars und der imperativen Form des Hauptverbs mit gleicher Person und Numerus gebildet.[14]
Die typische finnische Opposition zwischen totalen und partiellen Objekten, in der totale Objekte mit Genitiv, Nominativ und Akkusativ markiert sind und partielle Objekte mit Partitiv markiert sind, ist neutralisiert in negativen Sätzen, da das Objekt in diesen immer mit Partitiv markiert ist.[17]
Negation in nicht-verbalen Klauseln
In Inklusions-, Attributions- und lokativen Prädikationsklauseln ist die negative Form des Verbs e̮ллɑ („sein“) der einzige Unterschied zwischen der negativen und affirmativen Form.[18]
In existentiellen und possessiven Prädikationsklauseln wird das existentielle oder possessive Objekt unterschiedlich markiert in negativen und affirmativen Konstruktionen. Die Objekte werden mit Nominativ in der affirmativen Form markiert und mit Partitiv in der negativen Form.[19]
In wotischen Nebensätzen wird die Standard-Negationsstrategie verwendet. In finiten Nebensätzen sind negative Formen gleich wie in Hauptsätzen.[20]
Negative Antworten
Es ist im Wotischen üblich, eine Verbform zu verwenden für eine negative Antwort, jedoch nicht spezielle negative Adverbien oder Ausrufe.[21] Antworten ohne das Hauptverb sind möglich, allerdings steht dann meistens ein negatives Auxiliar vor der ganzen negativen Phrase. Antworten ohne das Hauptverb kommen vor, wenn das negative Auxiliar vor einem negativen Pronomen oder Adverb steht. In dem Fall kongruiert das Auxiliar entweder mit dem ausgelassenen Prädikat oder es hat die 3SG Form eʙ und wird als negative Partikel angesehen.[21]
Interrogativadverbien und -Pronomen haben im Wotischen spezielle negative Formen, welche nur in negativen Sätzen in Verbindung mit dem negativen Hilfsverb auftreten und manchmal zusätzlich mit dem Hauptverb.[22] Diese Interrogativadverbien und -pronomen haben keine feste Stelle im Satz, an der sie auftreten müssen, sie können sogar manchmal zwischen dem negativen Hilfsverb und dem Hauptverb auftreten.
Im Luuditsa-Dialekt (welcher wahrscheinlich unter Einfluss der ischorischen Sprache entstanden ist) des Wotischen können die negativen Formen der Interrogativadverbien und -Pronomen auf drei verschiedene Arten gebildet werden[23]:
Die Addition oder Ersetzung des wortfinalen Vokals (mit) ɑ/ɑ̈
Beibehaltung der gleichen Form für beide Polaritäten
Positive und negative Formen des Interrogativpronomens tšen („Wer“)[23]
Kasus und Markierung
Positive Form
Beide Polaritäten
Negative Form
NOM (Ø)
tšen
tšenni
GEN (Ø)
tšene
tšene / tšenne
PAR (-tə/-ɑ/-ɑ̈)
tšenɑ̈
tšettɑ̈
ILL (Ø)
tšenne
INESS (-z)
tšenez
ELA (-ssə)
tšenessə
ADALL (ллə/-llə)
tšellə
tšellɑ̈
ABL (лtə/ltə)
tšeltə
tšeltɑ̈
TRA (-ssi)
tšenessi
COM (-ka)
tšene-kɑ
tšene-kɑ / tšenne-kɑ
Die negativen Formen werden nicht anhand des „Stamm + Suffix“-Prinzips gebildet. Die Gemination dient als unabhängige morphologische Operation und nicht als morphophonologischer Prozess, der mit dem Anhängen eines Suffixes einhergeht.
Abessive/karitive Negation
Um Bedeutungen wie „ohne“ oder „un-“ auszudrücken, wurde in der wotischen Sprache das karitive Suffix-tojn verwendet, welches Adjektive aus Nomen und Verbenderiviert.[24]
Beispiel: e̮nne̮tojn („unglücklich“) von e̮nni („Glück“/„Glücklichkeit“)
Dieses Suffix ist allerdings nicht mehr produktiv und kommt nur noch in einer begrenzten Anzahl von Adjektiven vor.
Die abessive Form kann nur im Zusammenhang mit dem Supinum gebildet werden. Das abessive Suffix -ttə wird an die Markierung -mɑ/-mɑ̈ des Supinums angehängt, wobei der Vokal sich beim Supinum zu e oder e̮ verändern kann durch Vokalharmonie. Es ist jedoch üblicher, den gleichen Inhalt mit der normalen Negationsstrategie wiederzugeben.[25]
,Dieses Feld ist nicht gepflügt.‘ (lit. „ohne Pflügung“)
In der gesprochenen wotischen Sprache kommen abessive Formen von Nomen nicht vor. Stattdessen wird eine Präpositionalphrase mit iлmə („ohne“) und der partitiven Form des Nomens verwendet.
Wenn die 3SG-Form des negativen Auxiliarseʙ als negative Partikel verwendet wird, kann diese den Skopus der Negation eingrenzen (dies kommt durch Einflüsse vom Russischen). In Infinitiv-Sätzen kann der Skopus eingegrenzt werden durch das Einfügen des Partikels eʙ vor dem Infinitiv.[26]
Ni ist vom Russischen geliehen, die anderen beiden Formen sind original wotisch.
Diese Konjunktionen drücken nicht alleine Negation aus, sondern sie müssen von der negativen Form des Verbs begleitet werden.
Ni (einfach und doppelt) kann verwendet werden um Infinitiv-Sätze zu bilden und Sätze die aus koordinierenden Konjunktionen entstehen. Ni kann jedoch nicht verwendet werden, um zwei Hauptprädikate zu verbinden.[29]
E(p)-ku / E(p)-ko funktionieren ähnlich, jedoch sind sie besonders, da ihr erster Teil eigentlich das negative Hilfsverb ist, welches konjugiert wird. Außerdem können einfache und doppelte Konjunktionen mit diesen Formen Hauptprädikate verbinden. In diesem Fall ist eʙ das negative Auxiliar, welches das Hauptprädikat formt, und ep-ku/ep-ko ist eine einfache Konjunktion. Als Alternative kann eʙ als erster Teil der doppelten Konjunktion interpretiert werden, bei dem die Partikelku/ko weggelassen wurde, und die Konjunktion fungiert als das negative Auxiliar.[30]
Wenn die Konjunktion Subjekte voneinander trennt, kongruiert das negative Auxiliar normalerweise in Numerus und Person mit der Nominalphrase, die auf das Verb folgt, und manchmal mit der Nominalphrase, die dem Verb vorangeht. Wenn die KonjunktionObjekte voneinander trennt, kongruiert das negative Auxiliar mit dem Subjekt. Wenn der Satz kein Subjekt im Nominativ enthält, dann wird die 3SG-Form des negativen Auxiliars verwendet.[31]
Die Partikelnko und ku können weggelassen werden vom ersten Teil einer doppelten Konjunktion ohne Verlust der Bedeutung.[32]
In der gesprochenen wotischen Sprache wird beim Großteil der Komposita die Verbindung der Wörter nicht strikt ausgeführt. Es gibt demnach Komposita wie rehenneüZ („Eingangshalle“), welche komplett verbunden sind, und Komposita wie einä-re̮ukko („Heuhaufen“), in denen eine mentale Trennung der Wörter stattfindet.[34]
Komposita können aus mehr als zwei Teilen bestehen, z. B.: kuлta-sarvi-pe̮dra („goldener gehörnter Elch“).[34]
Nicht nur das komplexe Wort, sondern auch dessen individuelle Teile können ihre Form verändern/dekliniert werden. Normalerweise wird aber nur der letzte Teil verändert.[34]
Es findet auch oft Apokope (Abfall eines Auslauts) statt beim ersten Teil eines Kompositums, z. B.: raut-ampäD („Eisen-Zähne“) (rauta = „Eisen“)[34]
Wörter, welche die Endung -n/-ne/-ne̮ im Nominativ haben und -zē/-zē̮ im Genitiv, haben den Konsonantenstamm in einem Kompositum.[34]
Die Wörter, die verbunden werden, sind normalerweise im Nominativ, allerdings kann der erste Teil des Kompositums auch in einem anderen passenden Obliquus/schiefen Kasus vorkommen. So zum Beispiel in aigassaika („Jahr“), wo der erste Teil des Wortes im Elativ ist.[34]
Wörter, die im Genitiv kombiniert werden, sind auch relativ häufig, z. B.: rehenneüZ („Eingangshalle“).[34]
Auch wenn viele Komposita in der wotischen Sprache nicht strikt zusammengefügt werden, gibt es aber manche Wörter die eindeutig verbunden sind, z. B.: e̮unappū („Apfelbaum“; e̮una + pū).[34]
Es gibt auch Wörter, bei denen es den Sprechern nicht mehr oder nur teilweise bewusst ist, dass sie aus mehreren Teilen bestehen, z. B.: ähüpǟ („Bereich oben auf dem Ofen“ (obere Oberfläche)) → ahjo („Ofen“) + pǟ („Kopf“, „Ende“)[34]
Die grundlegende Wortstellung im Wotischen ist SVO, sowohl in negativen als auch in affirmativen Konstruktionen. Die Wortfolge ist jedoch relativ frei, da sie aus Gründen der Informationsstruktur verändert werden kann.[35]
Adjektive stehen vor Nomen. Adverbien und Pronomen werden oft zwischen Teilen einer analytischen Verbkonstruktion eingefügt. In negativen Sätzen stehen Pronomen beispielsweise oft zwischen dem negativen Auxiliar und dem Hauptverb.[33]
In polaren Fragen mit dem -ko Klitikon steht das Verb normalerweise an erster Stelle, ohne Klitikon bleibt die Wortstellung jedoch gleich wie in affirmativen Sätzen.[36]
Literatur
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