WissensaktivierungMit dem Begriff Wissensaktivierung wird die Bewusst- und Verfügbarmachung bereits vorhandenen individuellen Wissens in einer Person bezeichnet, zu dem der aktive Zugriff aus diversen Gründen versperrt war. Im Mittelpunkt des Vorgangs stehen eine Identifizierung impliziten Wissens und dessen Überführung in stabiles explizites Wissen. Wissensaktivierung bedeutet darüber hinaus die Vernetzung des neu verfügbar gewordenen Wissens mit dem bereits vorhandenen nutzbaren Handlungswissen und die Bewusstmachung des damit verbundenen inneren Geschehens. Dadurch trägt die Wissensaktivierung zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Das Inhaltliche des Begriffs der Wissensaktivierung ist in der Geistesgeschichte schon vielfach wirksam gewesen, ist aber als eigenständiger Begriff erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts von Armin Rütten als Begriff erkannt, bezeichnet und präzisiert worden[1]. Die ersten praktischen Anwendungen und Weiterentwicklungen erfuhr dieser Begriff im Kognis-Projekt. Seitdem hat er vor allem im Wirtschaftsberatungswesen an Bedeutung gewonnen. Des Weiteren spielt Wissensaktivierung beim „Textverstehen“ im Medien-unterstützten Fremdsprachenunterricht eine Rolle.[2] Ebenso beim „Textverstehen“ und „Bewerten“ im Rahmen des literarischen Lesens ist der Begriff von Bedeutung.[3] Zur Geschichte des BegriffsPlaton geht davon aus, dass alles Wissen grundsätzlich in der Seele eines Menschen vorhanden ist; denn er meint, dass die menschliche Seele schon vor ihrer Verbindung mit einem Körper, in der Präexistenz, die Gelegenheit hatte, alles Existierende zu schauen[Anm. 1]. In seinem Hauptwerk Politeia (Der Staat) arbeitet Platon seine Ideenlehre aus, nach der die Seele in ihrer Präexistenz die Ideen, welche die Urbilder aller Erscheinungen sind, bereits gesehen hat, und dass alle Erkenntnis darum nur Wiedererinnerung ist. Den Philosophen kommt lediglich die Aufgabe zu, die innewohnenden Erkenntnisse durch Anregung zur Wiedererinnerung gleichsam wie eine Hebamme ins klare Licht des Bewusstseins zu heben. Platons Schüler Aristoteles kritisiert Platons Ideenlehre grundlegend mit seiner Vorstellung, dass alle Gegenstände aus Stoff (hyle) und Form (eidos) bestehen, wobei sich diese beiden Bestandteile niemals voneinander trennen lassen. Die Formen wären dennoch insgesamt in der ewigen Vernunft des „unbewegten Bewegers“ vorhanden, an der die Menschen Anteil hätten.[Anm. 2] Die Vermittlung zwischen der werdenden subjektiven Vernunft des Menschen und der in ihm anwesenden ewigen Vernunft werde durch den göttlichen Zugriff der „Hypolepsis“ möglich. Diese Sicht des Aristoteles scheint in der Geschichte vergessen worden zu sein, die jedoch durch die moderne Aristotelesforschung wiederentdeckt worden ist.[4] Obwohl Immanuel Kant sich in seinem Werk in großem Maße auf Aristoteles stützt, hat er ähnliche Vorstellungen schon früh neu gefunden, indem er in seinem zweiten großen Werk Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) von „unausgewickelten Begriffen“ spricht, „die sich wohl empfinden aber nicht beschreiben lassen“. Kant hat seine ganze Philosophie, die auf seinem „transzendentalen Erkenntnisweg“ aufruht, aus dieser Vorstellung heraus entwickelt, indem er versuchte, die Bedingungen möglicher Erfahrung jedweder Art in sich selbst aufzufinden.[Anm. 3] Zur gegenwärtigen Wiederbelebung dieser BegrifflichkeitKurt Hübner hat in der Gegenwartsphilosophie an den transzendentalen Erkenntnisweg Kants angeknüpft, indem er zeigte, dass alle Wissenschaft nur durch die von ihm bezeichneten wissenschaftstheoretischen Kategorien möglich ist, die aus fünf Klassen von Festsetzungen bestehen. In den meisten Wissenschaften sind jedoch diese Festsetzungen nicht explizit angegeben, so dass durch Hübner nun die Aufforderung besteht, die impliziten Festsetzungen der Wissenschaften explizit zu machen. Hübner vertritt damit die Auffassung, dass sogar in den sogenannten exakten Wissenschaften implizites Wissen vorhanden sein muss, das zu aktivieren ist, um weiteren Fortschritt zu ermöglichen.[5] Hübners Schüler Wolfgang Deppert, hat die historistische Wissenschaftstheorie seines Lehrers weiter vertieft, indem er die Theorie der Zusammenhangserlebnisse ausgearbeitet und damit eine relativistische Erkenntnistheorie etabliert hat.[6] Zusammenhangserlebnisse sind spontane Wahrnehmungen von Zusammenhängen, die dann zu Erkenntnissen führen, wenn sich diese Zusammenhänge methodisch reproduzieren lassen.[Anm. 4] Zum Problem der wissenschaftlichen Begründungsendpunkte hat Deppert mit Hübner die Theorie der mythogenen Ideen entwickelt, durch die der Zusammenhang aller Wissenschaften zu uralten mythischen Denkformen bewusst wird.[7] Anmerkungen
Einzelnachweise
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