WalzenWalzen ist ein Fertigungsverfahren aus der Gruppe des Druckumformens, bei dem der (meist metallische) Werkstoff zwischen zwei oder mehreren rotierenden Walzwerkzeugen umgeformt und dabei sein Querschnitt verringert wird. Findet die Umformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur des Werkstoffs statt, so wird sie Warmwalzen genannt, sonst Kaltwalzen. Die Arbeit des Walzers ist heute überwiegend automatisiert. Bezogen auf die Materialverformung ist das Walzen ein Massivumformverfahren und eng verwandt mit dem Hämmern oder Schmieden. Verfahrensvarianten nach DIN 8583Im Ordnungssystem der Druckumformverfahren nach DIN 8583 wird das Walzen als erstes Verfahren genannt, neben dem Freiformen, Gesenkformen und weiteren. Sämtliche Walzverfahren tragen eindeutige Ordnungsnummern, die immer mit der Folge 2.1.1 beginnen (2. Hauptgruppe Umformen, 1. Gruppe Druckumformen, 1. Verfahren (Walzen)). Auf der ersten Gliederungsebene wird unterschieden, wie die Werkstückbewegung relativ zu den Achsen der Walzen verläuft.[1]
Ein Durchlauf des Walzgutes durch die Walzen wird Stich genannt. LängswalzenBeim Längswalzen wird das Walzgut senkrecht zu den Walzenachsen ohne Drehung um die eigene Achse durch den Walzspalt bewegt. Es tritt als Strang aus den gegensinnig umlaufenden Walzen aus. Der Strang mit gleich bleibendem Querschnitt ist meist Halbzeug, das weiter verarbeitet wird. Die Erzeugnisse können nach ihrer Geometrie in Flach- und Profilprodukte unterteilt werden. Die Werkzeuge heißen dementsprechend Flach- bzw. Profilwalzen. Breit-/FlachprodukteAls Flachprodukte (Flachstahl) werden Walzerzeugnisse bezeichnet, die wesentlich breiter als dick sind. Sie stellen mengenmäßig den größten Anteil der weltweit benötigten Walzprodukte dar und werden als aufgewickelte Bänder oder einzelne Bleche hergestellt. Bleche und Bänder aus Stahl und Nichteisenmetallen werden durch Walzen zwischen zwei nahezu parallelen zylindrischen Walzen erzeugt. Durch die Belastung biegen sich die Walzen durch. Diese Walzendeformation muss zum Herstellen planer Erzeugnisse kompensiert werden. Dazu werden die Walzen üblicherweise leicht ballig geschliffen. Zum Beeinflussen der Balligkeit der eingebauten Walzen gibt es verschiedene Verfahren, u. a. axiales Verschieben speziell geschliffener Walzen, Kreuzen der Walzen, Biegen der Zapfen sowie hydraulische oder thermische Durchmesserveränderung. Je dünner das Walzgut, desto dünner sollten die Arbeitswalzen sein. Deshalb werden in den meisten Walzwerken die Arbeitswalzen durch deutlich steifere Stützwalzen größeren Durchmessers unterstützt (siehe Bild). LangprodukteLangprodukte sind Draht, Stäbe, Rohre und Profile aus Stahl und Nichteisenmetallen. Sie werden durch Walzen zwischen zwei bis vier Walzen hergestellt, in die das Kaliber eingeschnitten ist. WalzenanordnungenIm Laufe der technischen Entwicklung bzw. für spezielle Produkte wurden verschiedene Walzwerkstypen für das Längswalzen entwickelt, die bis heute im Einsatz sind. Duo-WalzwerkEin Duo-Walzwerk (engl. Two-High Rolling Mill) besteht aus zwei parallelen Walzen, zwischen denen das Walzgut gewalzt wird. Zum Wiederholen des Walzvorganges zur weiteren Reduktion der Stärke des Walzgutes bzw. zum Weiterwalzen mit dem nächsten Kaliber muss bei einem Duowalzwerk
Ersteres wurde gelöst, indem die horizontalen Walzentische, auf denen das Walzgut vor und hinter dem Walzspalt läuft, auf der Seite des Walzgerüstes anheben konnte (Fritz'scher Walztisch nach dem Erfinder George Fritz) und das Walzgut über die obere Walze auf die andere Seite zurückbeförderte, was die Walze durch Friktion unterstützte. Allerdings ist das Anheben über die obere Walze als Leerzyklus immer mit einer nachteiligen Abkühlung des Walzgutes verbunden. Daher gewann die Reversiermethode durch verbesserte Getriebe immer mehr Bedeutung.[2] Mit dem Aufkommen elektrischer Antriebe wurde das Reversieren technisch nochmals einfacher, und auch das Anordnen mehrerer Walzwerke hintereinander, das vorher durch die möglichst durchgängige Antriebswelle der Antriebs(dampf)maschine zu aufwändig war, konnte realisiert werden. Trio-WalzwerkEine andere Methode, das Walzgut mit demselben Gerüst weiterzuwalzen, ohne überheben oder reversieren zu müssen, besteht in der Nutzung eines Trio-Walzwerkes (engl. Three-High Rolling Mill). Bei der Trio-Anordnung mit drei Walzen wird das Walzgut z. B. erst zwischen der unteren und mittleren in die eine Richtung und dann zwischen mittlerer und oberer Walze in die andere Richtung gewalzt. Die Gestaltung der Kaliber für eine fortschreitende Profilierung des Walzgutes ist bei der Trio-Anordnung allerdings komplizierter.[3] Weiterhin ist die mittlere Walze mechanisch besonders stark belastet, da sie bei beiden Walzzyklen benutzt wird, und muss daher verhältnismäßig häufig getauscht werden. UniversalwalzwerkIm Jahr 1848 erfand Reiner Daelen ein Walzwerk, bei dem die zwei horizontalen Walzen eines Duo-Gerüsts durch zwei vertikale vor- oder nachgestellte Walzen ergänzt werden und durch die Verstellbarkeit des Walzspaltes unterschiedlichste rechteckige Profile ohne Walzenwechsel hergestellt werden konnten. Das Universalwalzwerk wurde erstmals bei Piepenstock & Co. in Hörde eingesetzt.[4][5] Quarto-, Sendzimir- und Cluster-GerüsteUm die Durchbiegung der mit dem Walzgut in Kontakt stehenden Arbeitswalzen zu verringern, werden diese oft durch Stützwalzen – in der Regel großen Durchmessers – gestützt. Werden insgesamt vier Walzen in einem Walzgerüst eingebaut, so spricht man von einer Quarto-Anordnung. Gerüste mit sechs Walzen können in vertikaler oder Sendzimir-Anordnung gebaut werden. In Letzterer wird jede Arbeitswalze durch zwei Walzen gestützt, die in einem Winkel von etwa 120 Grad an der Arbeitswalze angreifen, um sowohl vertikales als auch horizontales Durchbiegen zu verringern. Zum Walzen von sehr dünnen oder sehr festen Materialien werden Gerüste mit bis zu 20 Walzen benutzt. ReckwalzenReckwalzen ist ein Längswalzen, bei dem die Querschnittsfläche von Rohteilen verändert wird, indem diese durch zwei gegenläufige Walzen geführt werden. Die einzelnen Segmente der Walzen sind so ausgelegt, dass sich der Profilquerschnitt der Rohteile in Umfangsrichtung ändert. Das Verfahren wird häufig angewendet, um Vorformen mit günstiger Massenverteilung für nachgelagerte Gesenkschmiedeprozesse zu erzeugen. Durch diese gezielte Massenverteilung können Materialeinsatz und Prozesskräfte beim Gesenkschmieden reduziert sowie die Oberflächenqualität der Bauteile erhöht werden.[6] In der Regel kann jeder Werkstoff, der geschmiedet werden kann, auch durch Reckwalzen verarbeitet werden. Mittels Reckwalzen erzeugte Vorformen werden zum Gesenkschmieden von Bauteilen wie Kurbelwellen, Achsen und Lenkerbauteilen verwendet. Engste Fertigungstoleranzen sind durch Reckwalzen nicht zu realisieren, weshalb das Verfahren selten zur Fertigbearbeitung eingesetzt wird.[7] Weitere charakteristische Merkmale des Reckwalzens sind:[8]
QuerwalzenDas Querwalzen, auch Querkeilwalzen genannt, ist die Umformung eines rotationssymmetrischen Rohlings zwischen zwei sich gegenläufig bewegenden Rundwalzen oder Flachbacken. Es lässt sich unterscheiden in Rundquerwalzen und Flachbackenquerwalzen (s. folgende Abschnitte). Querwalzen wird primär zur Herstellung großer Stückzahlen eingesetzt. Durch Querwalzen kann eine Materialausnutzung von bis zu 100 Prozent erreicht werden und damit eine nahezu gratlose Massivumformung, welche vor allem für Lang- oder Mehrfachteile ideal ist. Mittels Querwalzen können rotationssymmetrische Bauteile mit Massenanhäufungen entlang der Rotationsachse realisiert werden.[9] Bezüglich des Kraftbedarfes lassen sich beim Querwalzen unterscheiden:
Kleine Umformgrade erfordern in der quasistatischen Phase die größte Kraft, große dagegen in der Anlaufphase.[10] RundquerwalzenBei Rundquerwalzen rotiert das Walzgut zwischen zwei oder mehr gleichsinnig umlaufenden Werkzeugwalzen um die eigene Achse (gegenläufige Bewegung der beiden Walzen am Walzspalt). Durch Zustellung mindestens einer Werkzeugwalze wird das Werkstück umgeformt. Herstellbar sind abgestufte, rotationssymmetrische Werkstücke (z. B. Achsen, Wellen, Getriebeschaltblöcke) sowie Vorformen mit optimaler Masseverteilung für anschließendes Gesenkschmieden (z. B. Hebel, Kurbeln, Pleuelstangen, Kugelgehäuse, Turbinenschaufeln). Die nachfolgende spanende Formgebung entfällt meist vollständig oder wird aufgrund endformnaher Formgebung beträchtlich reduziert. Charakteristische Merkmale des Rundquerwalzens sind:
Das Axial-Vorschub-Querwalzen ist ein flexibles Querwalzverfahren zur Fertigung abgesetzter Achsen und Wellen auch für kleinere Stückzahlen. FlachbackenquerwalzenBeim Flachbackenquerwalzen[11][12] wird das Walzgut zwischen zwei horizontal oder vertikal gegeneinanderlaufenden Werkzeugplatten umgeformt. Die flache Bauform der Werkzeuge ist durch den konstruktiv und fertigungstechnisch simpleren Aufbau im Gegensatz zu einer gekrümmten Walze gekennzeichnet, hat aber die gleichen Auslegungsparameter. Das Flachbackenquerkeilwalzen wurde für die Vorformung beim Halbwarmschmieden von asymmetrischen Langteilen untersucht (hier: Querlenker).[13] Solche Teile waren bis dato nur halbwarm geschmiedet worden (d. h. ohne Vorformung); dies hatte allerdings zu einem relativ hohen Gratanteil geführt (19,8 % der Rohteilmasse). Durch das Querkeilwalzen wurde der Gratanteil auf 7,48 % verringert. Es konnte gezeigt werden, dass geometrisch relativ einfache Vorformen durch halbwarmes Querkeilwalzen herstellbar sind. Die Kräfte beim Walzen waren bei einer Rohteiltemperatur von 850 °C 2,5-mal höher als bei 1.250 °C; dadurch erhöht sich der Energiebedarf der Walzanlage. Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigte, dass die Energieeinsparung durch die geringere Temperatur allerdings um 10 % höher war als die Energieeinsparung durch die geringere Kraft bei höherer Temperatur und das Verfahren damit insgesamt energieeffizienter ist.[6] RingwalzenBeim Ringwalzen werden nahtlose Ringe hergestellt, beispielsweise Radreifen von Eisenbahnrädern. Ausgangsprodukt ist ein gestauchter und konzentrisch gelochter Vorring, der auf Ringwalzmaschinen aufgeweitet wird. Durch Reduktion der Wanddicke (radial) und der Ringhöhe (axial) nimmt der Ringdurchmesser gemäß der Volumenkonstanz zu. SchrägwalzenBeim Schrägwalzen sind die Walzenachsen gekreuzt. Dadurch entsteht ein Längsvorschub im Werkstück, das um seine Längsachse rotiert. Das Werkstück wird im Walzspalt durch Stützlineale oder Führungswalzen gehalten. Das Walzenkaliber ist so gestaltet, dass sich der Walzspalt verengt. Schrägwalzen wird als Verfahren zum Herstellen von Rohrluppen oder als Hochreduzierwalzwerk für Langprodukte angewendet. Das Schrägwalzen findet vor allem bei Herstellungen von Röhren (Stahlrohren) statt. RohreDurch Walzen können nahtlose Rohre wie Stahlrohre hergestellt werden. Dabei sind drei Prozessschritte zu unterscheiden:
Für jeden dieser Schritte sind in den folgenden Abschnitten verschiedene Verfahren beschrieben. LochverfahrenSchrägwalzwerke zum Lochen:
ElongierverfahrenAlle Elongierverfahren sind dadurch gekennzeichnet, dass ein bereits gelochter Einsatzblock nur in der Wanddicke verringert und gegebenenfalls im Durchmesser verändert wird. Schrägwalzverfahren
Längswalzverfahren
Sonderverfahren
Siehe auch
Literatur
WeblinksEinzelnachweise
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