VerantwortungseigentumAls Verantwortungseigentum wird eine besondere Form des Eigentums an Unternehmen bezeichnet. Die deutsche Rechtsordnung kennt ein solches Rechtsinstitut derzeit nicht, die Einführung der Rechtsform „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ (GmbH-gebV) in das deutsche Gesellschaftsrecht ist aber im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung von 2021 vorgesehen.[1] Verantwortungseigentum bedeutet, dass die Eigentümer des Unternehmens zwar Stimm- und Teilhaberechte haben, jedoch nicht am Gewinn teilhaben. Damit soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen vorrangig der Verwirklichung des Unternehmenszwecks und nicht dem Gewinnstreben der Anteilseigner dient. Auf diese Weise kann es besonders verantwortungsvoll und sinnorientiert agieren. Etwa 200 Unternehmen in Deutschland, die rund 1,2 Millionen Mitarbeiter beschäftigen,[2] sind in Verantwortungseigentum. Dazu zählen sich – teilweise nach eigener Darstellung – zum Beispiel Unternehmen wie Bosch[3] und Zeiss.[4] In Dänemark ist das Konzept weiter verbreitet, rund 60 % des Wertes des dänischen Aktienindexes zählt zu Unternehmen in Verantwortungseigentum.[2][5] Forderung nach neuer RechtsformDie Rechtsformen der GmbH oder AG machen aus dem Unternehmen automatisch Privatvermögen; ein „Asset-Lock“ ist nur durch komplexe rechtliche Umwege zu erreichen.[6][7] Deswegen fordern viele Unternehmer eine neue Rechtsform speziell für Unternehmen, die Verantwortungseigentum umsetzen möchten.[8][9][10] Diskutiert wird vor allem die Schaffung einer neuen Rechtsformvariante der GmbH, bei der die gesetzlichen Regelungen zu Vererbung und Veräußerung von Geschäftsanteilen modifiziert werden. 2021 wurde im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und der FDP beschlossen für Unternehmen mit gebundenem Vermögen eine „geeignete Rechtsgrundlage [zu ]schaffen“. Im Oktober 2023 äußerte sich auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier positiv zum Vorhaben.[11] Prinzipien von VerantwortungseigentumVerantwortungseigentum stellt zwei Dinge rechtlich sicher
Erweiterung des Familien-VerständnissesIm Kern kommt Verantwortungseigentum damit einer Erweiterung des Familienunternehmen-Verständnisses gleich, mit dem Unterschied, dass der Wert der Eigenständigkeit und die Langfristigkeit der Unternehmensverantwortung nun nicht mehr an eine genetische Eigentümerfamilie gebunden ist, sondern vor allem an „Fähigkeiten- und Werte-Verwandtschaft“, kurz: an die Verantwortungseigentümer. Rechtliche Umsetzung von VerantwortungseigentumUnternehmen im Besitz (gemeinnütziger) Stiftungen erfüllen den Aspekt der zweckgebundenen Mittelverwendung. Um sich auch der Ewigkeitsgarantie anzunähern, sind im deutschen Recht jedoch Konstruktionen wie das Doppelstiftungsmodell oder das Veto-Anteils-Modell notwendig.[4] Davon klar abzugrenzen sind hingegen Stiftungsunternehmen, deren Stiftungen nicht gemeinnützig sind bzw. private Destinatäre haben – die also Vermögenseigentümer haben und nicht Verantwortungseigentümer. Letztere werden vor allem von Familienunternehmen als „Familienstiftungen“ genutzt. Der Vorschlag einer VE-Gesellschaft von Marcel Fratzscher und gut weiteren 600 Unternehmern und Wirtschaftsexperten stieß auf positive Grundstimmungen aus Teilen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU. Auch der Ökonom Lars Feld zählt sich zu den Unterstützern des Konzepts.[12] Joachim Hennrichs kritisierte mögliche Lock-in-Effekte von Kapital sowie Steuervorteile gegenüber anderen Körperschaften.[13] Unternehmen in VerantwortungseigentumDeutschlandZu den rund 200 Unternehmen in Verantwortungseigentum in Deutschland zählen z. B. ABNOBA GmbH, Alnatura[14], Arche Naturprodukte, Bosch[3][4], Ecosia.org[14], Elobau[15], Stapelstein[16], Globus, Mahle[4], Sonett, Soulbottles, Vector, Voelkel, Wala, Waldorfshop, Waschbär,[4] WEtell[17] Zeiss,[4] ZF Friedrichshafen. Teilweise ist die Zuordnung jedoch umstritten.[18] DänemarkIn Dänemark sind dank besserer rechtlicher Rahmenbedingungen rund 1000 Unternehmen in Verantwortungseigentum.[5] Dazu zählen z. B. Carlsberg, Novo Nordisk oder Lundbeck. Förderung von VerantwortungseigentumMehrere Organisationen fördern Unternehmen in Verantwortungseigentum, fördern Forschung, investieren in Unternehmen in Verantwortungseigentum und beraten diese Unternehmen. Dazu gehören:
KritikIn einem gemeinsamen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung argumentierten Birgit Weitemeyer, Peter Rawert und Rainer Hüttemann gegen das Konzept.[19] Die Stiftung Verantwortungseigentum antwortet in einem offenen Brief an die Mittelstands- und Wirtschaftsunion auf die vorgebrachte Kritik.[20][21] Laut Noah Neitzel sei eine Körperschaft in Verantwortungseigentum „kein Allheilmittel“, in der „‚schädliches‘, aber legales Geschäftsgebaren weiterhin möglich“ bleibe, aber „aufgrund der fundamental verschobenen Handlungsanreize der Unternehmensleitung [gegenüber bestehenden Körperschaftsformen] unwahrscheinlicher wird“.[22] Rupay Dahm hob in Agora42 die Relevanz betrieblicher Mitbestimmung in der Selbstverwaltung hervor.[23] In einer zusammenfassenden Betrachtung bekräftigten Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt Letzteres. Demnach sei die Fortführung der Trennung von Arbeitgeber und -nehmer angesichts eines ‚höheren Ziels‘ ohne Personenbindung wenig nachvollziehbar; das Konzept demnach „kein linkes Projekt“. Es käme sehr auf den Einzelfall an, inwieweit das Verantwortungseigentum zur Durchsetzung von Einzelinteressen wie Steuervorteilen und der dauerhaften Bindung an eine womöglich zukünftig wenig attraktive Geschäftsaktivität genutzt werden könne.[24] Literatur
Weblinks
Siehe auchEinzelnachweise
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