Velofahren in ZürichVelofahren in Zürich ist eine wichtige Art der Fortbewegung innerhalb von Zürich, der grössten Stadt der Schweiz. Der Veloverkehr in Zürich hatte 2021 einen Anteil von 11 % am Modalsplit,[1][2] gemessen als Anteil der Wege als Hauptverkehrsmittel. Der Veloverkehr in Zürich ist am Wachsen und wird gefördert. In zahlreichen Volksabstimmungen auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene hat die Stadtzürcher Stimmbevölkerung einer zusätzlichen Veloförderung mit klaren Mehrheiten zugestimmt. Dennoch gilt Zürich als die velounfreundlichste Grossstadt der Deutschschweiz. Sie rangierte im April 2022 beim vierjährlichen PRIX Velostädte von Pro Velo Schweiz auf dem letzten Rang aller 45 bewerteten Schweizer Gemeinden, gemeinsam mit Sion.[3] Förderung des VeloverkehrsZürich verfügt seit 2012 über einen Masterplan zur Veloförderung. Dieser formuliert drei zentrale Ziele: Ein Wachstum des Anteils des Velos im Modalsplit und die Frequenzverdoppelung bis 2025, verbesserte Sicherheit für Velos sowie eine Zunahme der Velonutzung in allen Teilen der Bevölkerung, aber vor allem bei Jugendlichen und Kindern.[4] Dafür formuliert der Masterplan sechs Handlungsfelder. Neben Verwaltungsreformen (Handlungsfeld «Verankerung in der Verwaltung») und der Infrastrukturförderung («Attraktive und sichere Infrastruktur») sind das zusätzliche Verkehrskontrollen bei Velofahrenden als «Verkehrsklima und -verhalten» sowie «Velofahren für alle» durch Mobilitätsmanagement. Dazu kommt «Kommunikation und Dienstleistungen», welches auch die Einrichtung eines Veloverleihsystems beinhaltet und schliesslich «Evaluation und Wirkungskontrolle» als sechstes Handlungsfeld. 1984 wurde über die städtische «Veloweginitiative» mit der Forderung eines durchgehenden Velowegnetzes mit 200 Kilometern Gesamtlänge abgestimmt. Diese Initiative wurde mit 76 % der Stimmen angenommen.[5] 1985 wurde die kantonale «Veloförderungsinitiative Kanton Zürich» angenommen, am 23. September 2018 der Bundesbeschluss über die Velowege als Gegenentwurf zur Initiative «Zur Förderung der Velo-, Fuss- und Wanderwege (Velo-Initiative)». Am 27. September 2020 nahm die Zürcher Stimmbevölkerung die «Velorouten-Initiative» mit über 70 % Zustimmung an. Die Initiative fordert die Erstellung von 50 Kilometern Veloschnellrouten auf Quartierstrassen bis 2030.[6] Eine Absage erteilte die Stadtregierung dem Ruf nach Pop-up-Velowegen, mit welchen viele andere Städte auf die veränderten Mobilitätsbedürfnisse in der Corona-Pandemie reagierten. Seit Anfang 2021 dürfen Velos bei roten Ampeln, welche eine entsprechende Signalisation aufweisen, sowie der Gewährung des Vortritts für Fussgänger, rechts abbiegen.[7][8] An einer Pressekonferenz am 19. März 2021 wurde von den beiden Stadtratsmitgliedern Richard Wolff und Karin Rykart die neue «Velostrategie 2030» vorgestellt, welche auf dem vorherigen Masterplan basiert und ihn ablöst. Anstatt von Veloschnellrouten wird neu von Velovorzugsrouten gesprochen, da «schnell» bedrohlich wirke. Die Strategie basiert auf drei «Stossrichtungen»: Erstens die Erstellung von über 100 Kilometer autoarmen Vorzugsrouten, zweitens eine positive Velokultur durch Sicherheits- und Verhaltenskampagnen und Massnahmen wie Geschwindigkeitsreduktionen. Dritte Stossrichtung ist die «gesamtheitliche Sicht» mit Berücksichtigung des Velos ab Beginn neuer Planungsprojekte und frühem Einbezug der Quartierbevölkerung sowie Interessenvertretung für das Velo bei Kanton und Bund.[9] Die neue Strategie wurde in den Medien als eine reine Umbenennung der vorherigen Werkzeuge kritisiert. Die SP der Stadt Zürich benannte die Abkehr von autofreien Schnellrouten zu autoarmen Vorzugsrouten als eine Nichtumsetzung der Velorouten-Initiative. Weiter wurde die mangelnde konkrete Umsetzung bemängelt.[10] Seit 2021 betreibt eine Gruppe von Velofahrenden aus Zürich eine App und Website mit dem Namen VelObserver in der die Fortschritte in der Veloinfrastruktur auf einer Webkarte dokumentiert werden. Die Gruppe kritisiert die Daten, welche von der Stadt zur Verfügung gestellt werden als ungenügend.[11] Im September 2021 werden 95 % der Vorzugsrouten als 'knapp daneben' oder schlechter bewertet. Bemerkenswerte InfrastrukturprojekteVelobahnhofIn der Folge der Veloweginitiative von 1984 wurde 1988 ein ambitioniertes Projekt für eine Veloquerung und -station unter dem Bahnhof, entlang der Sihl, vorgelegt. Die vorgesehene Velostation beinhaltete rund 2000 Abstellplätze. Das Projekt war allerdings mit einem umstrittenen Gestaltungsplan für den HB-Südwest gekoppelt und wurde von der Stimmbevölkerung abgelehnt. Auch die hohen Kosten wurden kritisiert. LettenviaduktDer Lettenviadukt ist eine umgenutzte Eisenbahnbrücke, welche seit 1998 teilweise dem Fuss- und Veloverkehr zur Verfügung steht. 2003 wurde die Verlängerung bis zur Josefstrasse provisorisch eröffnet. Im Jahr 2008 hat das Tiefbauamt der Stadt Zürich (TAZ) begonnen, eine neue Wegoberfläche aus einem Belag von drei Meter breiten Betonplatten zu verlegen. Der erneuerte Fuss- und Radweg wurde im Herbst 2009 der Öffentlichkeit übergeben.[12] Eine Verlängerung der Veloverbindung – über das Gleisfeld zum PJZ – ist seit 2011 im Gespräch und befindet sich derzeit in der Vorprojekt-Planung.[13] VelotunnelFür das Zürcher Expressstrassen-Y wurden während des Baus des Bahnhofs Museumsstrasse 1990 bereits die beiden Tunnelröhren unter dem Hauptbahnhof parallel zur Sihl erstellt. Das umstrittene Autobahnprojekt wird zurzeit nicht weiterverfolgt, also war dieser Tunnelabschnitt bisher ungenutzt und soll neu als Velotunnel dienen. Das Umnutzungsprojekt wurde am 13. Juni 2021 durch die stadtzürcher Bevölkerung mit 74,1 % Ja-Stimmen angenommen. Die Kosten sind mit 28 Millionen Franken veranschlagt, wovon ein Drittel für den Rückbau der Veloinfrastruktur vorgesehen ist, für den Fall, dass das Tunnelstück ab den 2040er-Jahren für den Autoverkehr benötigt wird. Seit Ende 2022 wird am 36 Millionen Franken teuren Projekt gearbeitet. Die Umsetzung ist bis Herbst 2024 geplant.[14][15] Das Projekt beinhaltet auch die Erweiterung der Velostation Süd mit ungefähr 900 Abstellplätzen, welche ebenfalls im bereits erstellten Tunnel untergebracht werden.[15] Velostationen und -parkierungDie Stadt Zürich betreibt vier Velostationen an den Standorten Europaplatz, Passage Oerlikon, Andreasstrasse und Mühlebachpärkli. Weitere Stationen sind in Planung.[16] Die Station Europaplatz beim Hauptbahnhof wird als Integrationsprojekt von der Asylorganisation Zürich betrieben.[17] VeloverleihsystemeZürich verfügt über diverse Systeme für den Verleih von Velos und E-Trottinette. Folgende Verleiher von Velos und E-Bikes sind und waren in Zürich aktiv:
2020 betreiben die fünf Anbieter Bird Ride, Circ, Lime Bike, Tier Mobility und VOI Verleihsysteme für E-Trottinette mit insgesamt 2350 Fahrzeugen.[21] Von 2016 bis 2021 betrieb Bond Mobility ein Verleihsystem für E-Bikes, zuerst unter dem Namen Smide.[22] Es handelte sich um Motorfahrräder mit einer Höchstgeschwindigkeit mit Tretunterstützung von 45 km/h. Ohne Registrierung mit einer Kopie des Führerschein konnten die E-Bikes auch mit gedrosselter Geschwindigkeit auf 25 km/h genutzt werden. Im September 2021 musste Bond Konkurs anmelden.[23] Zürich ist damit gemäss einer Studie der ZHAW die Stadt mit den zweitmeisten Verleihfahrzeugen pro Kopf nach Paris.[21] Die Standorte der Fahrzeuge werden in Echtzeit im Online-Kartendienst von Swisstopo veröffentlicht.[24] RennsportZürich hat eine lange Radrenntradition und war Standort diverser Radrennen sowie ein regelmässiges Etappenziel der Tour de Suisse. Zuletzt 2014 wurden die Traditionsrennen Meisterschaft von Zürich (Züri Metzgete) sowie das Zürcher Sechstagerennen durchgeführt. Die Tortour ist ein mehrtägiges Ultracycling Non-Stop-Radrennen, welches jährlich stattfindet. Die Stadt war zudem wiederholte Gastgeberin für die Weltmeisterschaften im Strassenradsport, veranstaltet durch Union Cycliste Internationale. Zürich ist Austragungsort der Weltmeisterschaft 2024 im September dieses Jahres.[25] Besondere Routen und StreckenVelovorzugsroutenVon den 50 Kilometern geplanten Velovorzugsrouten auf Quartierstrassen wurde Ende 2020 ein 1,3 Kilometer langes Teilstück auf der Baslerstrasse in Altstetten realisiert. Bis Ende 2021 hätten nach ursprünglicher Planung 15 Kilometer Velovorzugsrouten realisiert sein sollen.[26] Autofrei sind die neuen Routen nicht. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf den Velovorzugsrouten beträgt 30 km/h und die Velofahrenden sind vortrittsberechtigt.[27][28] Die Schneeräumung soll vom Winterdienst mit hoher Priorität behandeln werden, so dass die Velovorzugsrouten innert vier Stunden geräumt werden können.[29] Die erste Velovorzugsroute von Altstetten in den Kreis 4, rund drei Kilometer lang, wurde im März 2023 eröffnet.[27] Der Autoverkehr wurde entlang der Strecke neu geregelt. Zwischen Fahrbahn und Parkfeldern besteht ein breiter Sicherheitsabstand. Rote Markierungen signalisieren Gefahrenstellen, und ein grünes Band am Strassenrand, 40 Zentimeter breit, dient der Markierung der Strecke und nicht als Fahrradstreifen. Aus den Erfahrungen mit dieser Strecke sollen Erkenntnisse für die weiteren Routen gewonnen werden.[28] Im Oktober 2023 wurde mit dem Bau einer 2,5 Kilometer langen Velovorzugsroute begonnen, die den Bahnhof Stadelhofen mit dem Bahnhof Tiefenbrunnen verbinden wird.[30] Gegen einige der geplanten Velovorzugsrouten wurden jedoch Rechtsmittel ergriffen, weshalb sich der weitere Ausbau der entsprechenden Abschnitte verzögert.[31][28] Gerichte haben bestätigt, dass die Aufhebung von Parkplätzen in der Blauen Zone zulässig sei. Für die erste Velovorzugsroute mussten 114 Parkplätze gestrichen werden, mit Hunderten weiteren wird gerechnet.[28] RadwanderroutenMehrere Radwanderrouten führen durch, starten oder enden in Zürich, zum Beispiel die Mittelland-Route, die nationale Veloroute 5 des Netzes von Veloland Schweiz. MountainbikeroutenDie regionale Mountainbikeroute 22 Zürich–Einsiedeln startet in Zürich. Sie gehört zum Routennetz von Mountainbikeland Schweiz von SchweizMobil. BiketrailsIn unmittelbarer Stadtnähe finden sich am Zürcher Hausberg, dem Uetliberg, zwei Biketrails. Ein weiterer Biketrail wird am Adlisberg betrieben. Auf dem Zürichberg gibt es einen Pumptrack. Es gibt zudem einen Jump Park beim Sihlcity und mehrere Bike-Parcours für Kinder.[32] RennbahnenIm Zürcher Ortsteil Oerlikon befindet sich die Offene Rennbahn Oerlikon. Es handelt sich um die älteste in Betrieb stehende Sportanlage der Schweiz mit einer Länge von 333 Metern.[33] Die Velorennbahn Hardau war von 1892 bis 1911 in Betrieb. Zahlen und StatistikenDas Tiefbauamt der Stadt Zürich misst seit 2009 den Veloverkehr mit automatischen Zählgeräten. Zurzeit sind 24 Zählgeräte an 21 Standorten in Betrieb. Die so erhobenen Daten sind ein Element zur Evaluation des Masterplan Velo und werden in einem Open-Data Portal zugänglich gemacht.[34] Die Messungen zeigen ein kontinuierliches Wachstum des Veloverkehrs mit einer Steigerung von 57 % über alle Messstellen im Zeitraum von 2012 bis 2019. Auf dem Portal werden die gemessenen Velofahrten jeweils dem Bevölkerungswachstum und der Witterung gegenübergestellt. Parameter, welche gemäss Angaben des Tiefbauamts auf dem Portal die Anzahl der Velofahrten entscheidend beeinflussen. Das Bevölkerungswachstum im Zeitraum 2012 bis 2019 beträgt demnach 10 %, die Korrelation zwischen Witterung und Verkehrsentwicklung lässt sich anhand der Daten nicht feststellen und wird nicht mit Quellen belegt. Auch im Jahr 2021 waren die meisten bei Verkehrsunfällen verletzten Personen Velofahrende.[35] Vereine und InitiativenIn Zürich gibt es folgende Vereine und Initiativen zum Thema Radfahren und -sport.[36]
AnlässeWie in diversen anderen Städten findet auch in Zürich jeweils am letzten Freitag im Monat eine Critical Mass statt.[46] Ende Mai 2021 nahmen unerwartet bis zu 10'000 Personen am Umzug teil (gemäss Schätzungen). Sie bildeten einen vier Kilometer langen Pulk und vereinnahmten gewisse Kreuzungen während bis zu 25 Minuten. Der friedliche Anlass erfuhr eine grosse Rezeption in Medien und Politik.[47][48] Im Mai 2022 wurde ein Vorstoss der FDP, welche eine Bewilligungspflicht forderte, vom Gemeinderat abgelehnt.[49] Mehrmals pro Jahr wird auch eine Kidical Mass durchgeführt.[50] Quellen
WeblinksCommons: Velofahren in Zürich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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