Untertürkheim wurde 1121 erstmals als Durinkheim urkundlich erwähnt. Der Name geht vermutlich auf einen alemannischen Häuptling im 4. Jahrhundert zurück. Nach diesem wurde der Ort Duringoheim benannt.[1] Der Name im heutigen Dialekt ist (Onder-)Dürkna.
Im Hochmittelalter gehörte Untertürkheim zum Herzogtum Schwaben und nach dessen Auflösung zum Kernbestandteil Altwürttembergs. Durch die Lage am Fluss war früher die Neckarflößerei eine wichtige Einnahmequelle. Daneben war und ist der Weinanbau aufgrund der Exposition der Neckartalhänge in Untertürkheim von großer Bedeutung. Zahlreiche Weinbaubetriebe (teils mit Besenwirtschaften) sowie zwei Genossenschaftskeltern befinden sich in Untertürkheim (Weinmanufaktur Untertürkheim) und in Rotenberg.[2]
Der fahrplanmäßige Straßenbahnbetrieb und damit der Anschluss an das Netz der Straßenbahn Stuttgart erfolgte am 26. November 1910 mit der Linie 15 vom Schlossplatz über Wangen bis zur Untertürkheimer Neckarbrücke.[3]
Industrialisierung
Im Jahre 1889 eröffnete die Bettfedernfabrik Straus & Cie. aus Cannstatt ihre Produktionsstätte in Untertürkheim. Die jüdischen Inhaber wurden 1938 zwangsweise enteignet und die weltweit größte Bettfedernfirma aufgelöst.
1898 siedelte die 1857 von Ernst Staengel in Stuttgart gegründete Kakao- und Schokoladenfabrik Staengel & Ziller – aus den Initialen entstand der Name „Eszet“ – nach Untertürkheim. Hier wurden ab 1933 die berühmten Eszet-Schnitten produziert. Seit 1975 werden sie vom Kölner Stollwerck-Konzern hergestellt, Staengel & Ziller existiert nicht mehr.
Durch das Verhandlungsgeschick des Untertürkheimer Schultheißen Eduard Fiechtner mit Gottlieb Daimler konnte 1900 ein Kaufvertrag mit der Daimler-Motoren-Gesellschaft abgeschlossen werden. Bereits 1903 siedelte sich in Untertürkheim die Automobilfabrik an, da deren Motorenwerk in der benachbarten Oberamtsstadt Cannstatt abgebrannt war, sie wurde somit die zweite Produktionsstätte der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Seit April 2006 ist hier wieder der Konzernsitz der Mercedes-Benz Group.
Die Firma Eugen Bauer GmbH, bekannt als „Kino-Bauer“, einst weltweit größter Hersteller von Amateur- und Kinofilmprojektoren, gegründet 1907 von Eugen Bauer in Stuttgart, produzierte seit 1928 in Untertürkheim gegenüber dem Bahnhof. 1932 wurde Bauer von der Robert Bosch GmbH übernommen („Bosch-Photokino“), schlussendlich wurde dann Anfang der 1980er Jahre auch die Produktion von Filmprojektoren eingestellt und 1992 schließlich wurde der Produktbereich Photokino komplett aufgelöst.
Das Unternehmen Fahrzeugbau Hurst von Arthur Friedrich Hurst aus Stuttgart begann 1946 mit der Produktion von „Hurst 250“-Automobilen. Ab Sommer 1949 erfolgte die Produktion in Untertürkheim. Anfang 1950 wurde die Fahrzeugfertigung nach 47 Exemplaren eingestellt.
Am 31. März 1958 wurde der Stuttgarter Hafen durch Bundespräsident Theodor Heuss eröffnet. Der nordöstliche Teil des Neckarhafens (Ölhafen) gehört zu Untertürkheim.
Eingemeindung nach Stuttgart
Untertürkheim wurde am 1. April 1905 gemeinsam mit Cannstatt und Wangen nach Stuttgart eingemeindet.
Bei der Einteilung der Stadt Stuttgart in Stadtbezirke im Jahre 1956 wurde der Stadtteil Untertürkheim mit dem Stadtteil Luginsland und dem am 1. Mai 1931 eingemeindeten Stadtteil Rotenberg zum neuen Stadtbezirk Untertürkheim vereinigt.
Bei der Neugliederung der Stuttgarter Stadtteile zum 1. Januar 2001 wurde der bisherige Stadtteil Untertürkheim in die Stadtteile Benzviertel, Bruckwiesen, Lindenschulviertel und Untertürkheim aufgeteilt, der bisherige Stadtteil Luginsland wurde in die Stadtteile Luginsland, Flohberg und Gehrenwald untergliedert. Für den Stadtteil Rotenberg ergab sich dabei keine Änderung. Seither verwaltet das Rathaus in Untertürkheim insgesamt acht Stadtteile im Stadtbezirk Untertürkheim.
Am Ort gibt es fünf Schulen: die Auschule (Förderschule), die Linden-Realschule, die Luginslandschule (Grund- und Hauptschule), die Wilhelmsschule (Grundschule) und das Wirtemberg-Gymnasium.
Bäder
Das Stadtbad Untertürkheim (Hallenbad) wird von einem Förderverein betrieben.
Städtische Brennerei mit Kulturtreff im Julius-Lusser-Haus
Bezirksrathaus Untertürkheim
Gasthof Adler von 1617
Kindergarten Schiff im Weinberg in Luginsland
Jugendstil Wilhelmsbrunnen von 1905
Wasserkraftwerk von 1902
Die Evangelische Stadtkirche St. Germanus wurde 1478 gebaut, urkundlich aber bereits 1289 erwähnt. Einem Chronisten nach wurde die Kirche möglicherweise als Dank für einige sehr fruchtbare Jahre erbaut und führte dazu, dass Untertürkheim ein selbständiger Pfarrort wurde. Seit 1970 befindet sich dort die sehenswerte Altarwand „Josefslegende“ des Bildhauers HAP Grieshaber.
Die evangelische Kirche in Rotenberg, eine schwäbische Barock-Dorfkirche mit Zwiebelturm von 1754.
Die längste Brückenkombination Stuttgarts, der 1400 Meter lange Neckartalviadukt Untertürkheim überquert den Güterbahnhof Untertürkheim in 20 Metern Höhe, das Daimler-Betriebsgelände und den Neckar bis zum Großmarkt in Stuttgart-Wangen.
Der Wilhelmsbrunnen von Karl Bruder, 1905 zur Eingemeindung im Jugendstil gebaut, ähnelt der Wiener Strudlhofstiege
Seit 1989 erinnert ein Mahnmal von dem Bildhauer Bernhard Heiliger im Firmengelände des Mercedes-Benz-Werks Untertürkheim an die rund 20.000 Zwangsarbeiter zahlreicher Länder, die im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppt und in den diversen Betrieben des Unternehmens zur Zwangsarbeit gepresst wurden.
An den antifaschistischen Widerstand der Familie Schlotterbeck erinnert eine Gedenktafel am Haus Annastraße 6 in der Arbeitersiedlung Luginsland, die dort 1969 von der IG Metall angebracht wurde. Nachdem fast die ganze Familie 1944 im KZ Dachau ermordet worden war, wird ihrer seit 1949 mit einer Gedenkstätte auf dem Friedhof gedacht.[4]
Das erste kommunale Wasser- und Dampfkraftwerk Württembergs wurde von 1899 bis 1902 am gestauten Neckar gegenüber dem Untertürkheimer Bahnhof eröffnet. Auch nach der Neckarverlegung 1923 ist das Kraftwerk nach wie vor in Betrieb und mit einem Kanal mit dem Neckar verbunden.
Im Neckar befindet sich seit 1923 die Staustufe Untertürkheim; die 110-Meter-Doppelkammerschleuse kam zur Hafeneröffnung 1958 hinzu, welche seitdem der Binnenschifffahrt dient.
Dem Bezirksbeirat Untertürkheim gehören auf Grund der Einwohnerzahl des Stadtbezirks 11 ordentliche und ebenso viele stellvertretende Mitglieder an. Seit der letzten Kommunalwahl 2024 gilt folgende Sitzverteilung:
CDU: 3
Grüne: 2
SPD: 2
Freie Wähler: 1
Linke: 1
FDP: 1
AfD: 1
Schultheißen vor 1905
Johann Friedrich Lindenfels, Amtmann 1676–1691
Friedrich Ludwig Krauß, Amtmann 1691–1701
Georg Marx Dollmetsch, Amtmann 1701–1703
Johann Jakob Mayer, Amtmann 1703–1733
Nikolaus David Le Bret, Amtmann 1733–1741
Benedict Alexander Krafft, Amtmann 1741–1749
Johann Andreas Wolff, Amtmann 1749–1766
Johann Friedrich von Heller, Amtmann 1766–1816
Georg Friedrich Koch, Weingartinspektor 1816–1817
Ludwig Jakob Biklen, Amtmann 1817–1828
Georg Wilhelm Brodbeck, Schultheiß 1828–1846
Carl Gottlieb Mäulen, Schultheiß 1846 – 30. September 1879
Wappenbegründung: Aus dem Ort sind viele Siegel bekannt, mehr als aus jedem anderen Dorf in der Gegend. Die ältesten stammen aus dem Jahr 1616 und zeigen alle einen Stern in einem Schild. Alle Siegel, bis auf eines aus dem 18. Jahrhundert, zeigen einen sechszackigen Stern, die Ausnahme einen achtzackigen Stern. Die Bedeutung oder Herkunft des Sterns ist nicht bekannt.
Persönlichkeiten
Ehrenbürger
Eduard Fiechtner (1843–1922), Schultheiß, wurde am 1. Oktober 1904 zum fünfundzwanzigjährigen Amtsjubiläum das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Untertürkheim verliehen. Er war maßgeblich beteiligt, dass im Jahr 1900 der Kaufvertrag mit der Daimler-Motoren-Gesellschaft für das Baugelände für ihr neues Motorenwerk in Untertürkheim zustande kam.
1926 erhielt Alexander Beutter (1862–1952), Pfarrer und Musikgelehrter, das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Rotenberg.
Fritz Keßler (* 4. November 1854 in Untertürkheim; † 11. Mai 1912 in Stuttgart), Turner und Turnfunktionär
Hermann Zaiss (* 3. September 1889 in Untertürkheim; † 14. November 1958) war einer der bedeutendsten deutschen Heilungsevangelisten.
Hermann Scheihing (* 15. Juni 1890 in Untertürkheim; † 31. Mai 1934) eröffnete im Jahr 1922 in Untertürkheim eine mechanische Werkstätte, aus der die Firma „UT Motoren- und Fahrzeugbau“ hervorging, die dort bis 1926 die Motorräder der Marke „UT“ produzierten.
Eugen Maier (* 13. November 1899 in Untertürkheim; † 16. Januar 1940 in Ulm) Politiker (NSDAP), Landtagsabgeordneter
Helmut Bornefeld (* 14. Dezember 1906 in Stuttgart-Untertürkheim; † 11. Februar 1990 in Heidenheim an der Brenz) evangelischer Kirchenmusiker, Komponist, Orgelsachverständiger, Grafiker und Autor.
Klaus-Georg Hengstberger (* 9. März 1930 in Stuttgart-Untertürkheim), Geschäftsführer, Kommunalpolitiker
Helmut Palmer (* 8. Mai 1930 in Stuttgart-Untertürkheim; † 24. Dezember 2004 in Tübingen), bezeichnete sich selbst als Bürgerrechtler und Pomologe.
Horst Schwarz (* 12. Juli 1942 in Stuttgart-Untertürkheim), ehemaliger deutscher Ringer.
Johann Christian Pfister (* 11. März 1772 in Pleidelsheim; † 30. September 1835 in Stuttgart), Generalsuperintendent, Prälat, Historiker, Freund Schellings, war von 1813 bis 1832 Pfarrer in Untertürkheim
Johann Wilhelm Braun, (* 29. November 1796 in Stuttgart; † 26. April 1863 in Untertürkheim) war Bildhauer und Schöpfer des Etzel-Denkmals an der Neuen Weinsteige
Karl Ludwig Elsässer (* 13. April 1808 in Neuenstadt am Kocher; † 7. März 1874 in Untertürkheim), war Arzt und Obermedizinalrat u. a. bei Eduard Mörike
Albert Dulk (1819–1884), Freidenker und Schriftsteller, wohnte lange in Untertürkheim
Christian Lautenschlager (* 13. April 1877 in Magstadt; † 3. Januar 1954 in Stuttgart-Untertürkheim) war Rennfahrer und Sieger des Grand-Prix Frankreich 1908 auf Mercedes
Hermann Brodbeck (* 1889; † 17. April 1973 in Stuttgart-Untertürkheim) war ein erfolgreicher Ringer
Fritz Stange (* 20. September 1936 in Ludwigsburg; † 4. August 2013 in Stuttgart) war ein deutscher Ringer, Welt- und Europameister 1966 (als Mitglied im Untertürkheimer Kraftsportverein)
Bruno Dobelmann, Spitzname „Orca“, (* 18. Januar 1959 in Hutthurm) ist ein deutscher Extremschwimmer
Mit der Sportgemeinschaft 07 Untertürkheim hat ein ehemals erst- und zweitklassiger Fußballverein seinen Sitz im Stadtbezirk. 1907 gegründet war der Verein unter dem alten Namen SpVgg Untertürkheim von 1940 bis 1941 und von 1944 bis 1945 als Gauligist erstklassig. Nach 1945 spielte die SG 07 noch in der zunächst zweit-, später drittklassigen, heute sechstklassigen Amateurliga Württemberg.
Mit seinen 1600 Mitgliedern ist der Turnerbund Untertürkheim e. V. gegr. 1888/99 der größte Sportverein Untertürkheims. Das Vereinsheim mit dem vereinseigenen Stadion befindet sich im Gewann Gehrenwald.
Bevölkerungsentwicklung
(Quellen: Heimatbuch Untertürkheim und Rotenberg, 1985 sowie Statistisches Amt der Stadt Stuttgart)
Jahr
Untertürkheim
Rotenberg
Stadtbezirk
1834
1.861
505
1852
2.308
527
1871
2.755
499
1900
4.954
545
1905
6.761
583
1925
9.455
652
1933
12.009
645
1946
14.296
710
1950
17.210
807
1961
18.482
985
19.467
1970
18.031
1.059
19.090
1980
16.183
933
17.116
1990
16.658
2000
16.027
2005
15.663
789
16.452
2007
15.653
781
16.434
2009
15.736
754
16.490
2011
15.157
719
15.876
2014
15.619
749
16.368
2020
15.834
718
16.552
Regelmäßige Veranstaltungen
Am vorletzten Sonntag im Oktober präsentiert sich der Handel beim verkaufsoffenen „Fleggatreff“ und den Abschluss bildet der Weihnachtsmarkt am 2. Adventssamstag.
Literatur/Heimatbücher
Keinath, Johannes: Untertürkheimer Heimatbuch, Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt 1935, Hrsg. im Auftrag des Bürgervereins Untertürkheim
Bruder, Hermann: Untertürkheim und Rotenberg. Herzstück im Schwabenland. Ein Heimatbuch. Stuttgart: Im Selbstverlag des Bürgervereins Untertürkheim (1983)
↑Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band 1. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 90.