Der Effekt wurde 1976 von William Unruh vorhergesagt.
Es besteht ein enger Zusammenhang mit der Hawking-StrahlungSchwarzer Löcher, auf den Unruh bereits in seiner Originalarbeit hinwies: Ein knapp über dem Ereignishorizont eines schwarzen Loches fixierter Beobachter ist einem Schwerefeld ausgesetzt. Nach dem Äquivalenzprinzip entspricht das Schwerefeld einer Beschleunigung, und der Beobachter sieht daher eine Strahlung mit der entsprechenden Unruh-Temperatur. Diese Strahlung erreicht einen weit vom schwarzen Loch entfernt ruhenden Beobachter (nach gravitativer Rotverschiebung) als Hawking-Strahlung.
Die Unruh-Temperatur ist außerordentlich klein: Für eine Beschleunigung, die auf einer Strecke von einem Mikrometer relativistische Geschwindigkeit erreicht, liegt die Temperatur knapp unter dem Niveau des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Um eine Temperaturänderung von einem Grad Celsius (oder einem Kelvin) zu erleben, müsste man um 1020 m/s2 beschleunigen, also in 10−12 s von 0 auf 90 % der Lichtgeschwindigkeit.
Der Unruh-Effekt beschreibt physikalische Vorgänge aus der Sicht eines beschleunigten Beobachters oder Objekts. So kann ein beschleunigter Detektor, der an ein quantisiertes Feld gekoppelt wird, das sich in einem Vakuumzustand bezüglich eines Inertialsystems befindet, die lokalen Fluktuationen des Vakuums registrieren.
Eine experimentelle Verifikation mit direkter Messung der Temperatur ist wegen der erforderlichen großen Beschleunigung aussichtslos.
Der Unruh-Effekt ist aber verwendbar, um Rechnungen für Phänomene im ruhenden oder beschleunigten Koordinatensystem auszuführen. Ein Beispiel ist die Depolarisierung von Elektronen in Speicherringen. Bei diesem Analogon zum Unruh-Effekt stimmen Theorie und Experiment überein.
Hawking-Strahlung, ein anderes Analogon des Unruh-Effekts, wäre beobachtbar, wenn es schwarze Löcher gäbe, mit einer Masse kleiner etwa als die des Zwergplaneten Ceres.
Schematische Herleitung
Der Unruh-Effekt wird oft durch Entwickeln von Quantenfeldern in Eigenmoden in verschiedenen Koordinatensystemen hergeleitet. Gleichsetzen der Felder und Vergleich der Fourier-Moden führt dann über eine Bogoliubov-Transformation zum Ziel. Herleitungen dieser Art kaschieren eher die geometrische Natur des Effekts. Ausgangspunkt einer allgemeineren Herleitung sind die Matrixelemente des Vakuum-Dichteoperators einer Quantenfeldtheorie
mit Feldern ,
Hierbei ist der quantenmechanische Grundzustand
mit Energie , die Symbole ,
bzw. bezeichnen quantenmechanische Zustände mit vorgegebener Konfiguration der Felder.
In -Darstellung ist (schematisch) z. B. .
Der Zustand ist beliebig, die einzige
Forderung ist
Das Symbol steht für den Hamiltonoperator des Systems, so dass
bei großem auf den Grundzustand
projiziert. Das Symbol ist ein Normierungsfaktor.
Auf der rechten Seite der Gleichung für erkennt man die Entwicklung eines generischen Zustands
in imaginärer Zeit von zu einem Zustand
bei . Bei ändert sich die Wellenfunktion unstetig
zu , und entwickelt sich dann weiter zu bei .
Es werde jetzt zwischen den Feldern bei
und den Feldern bei unterschieden (es reicht, sich auf ein System mit nur einer Raumdimension zu beschränken).
Der Vakuum-Dichteoperator ist dann
Es werde angenommen, dass nur die Felder bei von Interesse sind. Technisch läuft dies auf die Spur des Dichteoperators
hinaus. D.h. bei ist zu setzen und über die ist zu integrieren. Das Ergebnis ist
die reduzierte Dichtematrix für den Bereich ,
Der Rest der Herleitung ist reine Geometrie und Interpretation. Der Ausdruck rechts ist interpretierbar als die Entwicklung eines generischen
Zustands in imaginärer Zeit von
bis Bei und ist die Feldkonfiguration
vorgegeben, bei
und ist die Feldkonfiguration
vorgegeben. Bei und gibt es keine Unstetigkeit
mehr. Ab entwickelt sich die Wellenfunktion zu .
Man kann jetzt folgendermaßen argumentieren.
Quantenfeldtheorien mit imaginärer Zeitvariable sind Feldtheorien der klassischen statistischen Physik. Die imaginäre Zeitvariable ist dabei nur eine weitere Raumdimension (die Äquivalenz ist in der Pfadintegraldarstellung der Quantenfeldtheorie explizit realisiert).
Der Hamilton-Operator der Quantenfeldtheorie entspricht der Transfer-Matrix der klassischen Feldtheorie ( ist ein Generator, die Transfer-Matrix ist eine kleine Transformation ).
Der Erwartungswert mit einer Unstetigkeit bei lässt sich anstatt von bis auch in Polarkoordinaten , auswerten. Die Unstetigkeit tritt dann bei auf.
Die klassische Feldtheorie zu einer relativistisch invarianten Quantenfeldtheorie ist räumlich isotrop, es gibt daher überall eine Transfer-Matrix in beliebige Richtung, insbesondere auch in -Richtung. Die Vakuum-Dichtematrix des Halbraums lässt sich daher schreiben
Ausgedrückt durch eine lokale Transfer-Matrix schreibt sich die Exponentialfunktion ,
wobei um eine -unabhängige Länge transferiert. Dies entspricht lokal einer thermischen Zustandsdichte mit reziproker Temperatur und Energie .
Das zu dieser thermischen Zustandsdichte gehörende physikalische Bezugssystem ergibt sich, wenn man die (formal) imaginäre Zeit reell macht, d. h. . Die Polarkoordinaten werden dann zu Rindler-Koordinaten
für den Keil , . Ein Beobachter
bei konstanter Rindler-Koordinate ist einer konstanten Beschleunigung
ausgesetzt, und die Vakuum-Dichtematrix wird zu einer thermischen Dichtematrix mit der Unruh-Temperatur. Bei und ausgesendete Signale erreichen einen Beobachter bei konstanter Rindler-Koordinate nicht, d. h. der Bereich befindet sich für den Beobachter hinter einem Ereignis-Horizont.
Dass sich der Vakuum-Dichteoperator der Rindler-Raumzeit in der Form schreiben lässt, ist trivial. Dies ist für alle Dichteoperatoren möglich. Ungewöhnlich an der Rindler-Raumzeit ist, dass der „modulare“ Hamiltonoperator Translationen in der Eigenzeit konstant beschleunigter Beobachter generiert. Im allgemeinen Fall hat der modulare Hamiltonoperator keine anschauliche physikalische Bedeutung.
Die Elimination der Freiheitsgrade bei ist ein essentieller Schritt der Herleitung, und man kann zeigen, dass dabei die Verschränkung der Feldfreiheitsgrade bei und eine Rolle spielt.
Literatur
Viatcheslav F. Mukhanov et al.: Introduction to quantum effects in gravity. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2009, ISBN 0-521-86834-3; Kap.8, Unruh effect, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
John Earman: The Unruh effect for philosophers. Studies in History and Philosophy of Modern Physics, 42, 2011, S. 81–97, doi:10.1016/j.shpsb.2011.04.001.
Daniel Harlow: Jerusalem Lectures on Black Holes and Quantum Information.arxiv:1409.1231v4.
James Q. Quach, Timothy C. Ralph, William J. Munro: The Berry phase from the entanglement of future and past light cones: detecting the timelike Unruh effect.Phys. Rev. Lett. 129, 160401 (2022)