Die Tour der südafrikanischen Rugby-Union-Nationalmannschaft nach Großbritannien und Irland 1969/70 umfasste eine Reihe von Freundschaftsspielen der Springboks, der Nationalmannschaft Südafrikas in der Sportart Rugby Union. Das Team reiste von November 1969 bis Februar 1970 durch das Großbritannien und Irland, wobei es 26 Spiele bestritt. Dazu gehörten vier Test Matches gegen die Nationalmannschaften der britischen Home Nations sowie 22 weitere Begegnungen mit Vereinen und Auswahlteams. Aus Sicht der Südafrikaner verlief die Tour wenig erfolgreich: Sie verloren zwei der Test Matches und spielten in den beiden anderen unentschieden, hinzu kamen zwei weitere Niederlagen und drei Unentschieden. Begleitet wurde die Tour von zahlreichen und zum Teil heftigen Anti-Apartheid-Protesten.
Das Apartheid-System rückte erstmals 1968 ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit in Großbritannien, als der Cricketspieler Basil D’Oliveira auf Rücksicht auf die Rassengesetze nicht für die geplante Südafrikatour der englischen Cricket-Nationalmannschaft berücksichtigt wurde und dies zu einer Kontroverse führte. Wegen der Verletzung eines anderen Spielers rückte D’Oliveira zwar in den Kader nach, doch als der südafrikanische Premierminister Balthazar Johannes Vorster dessen Einreise verweigerte, blieb dem Marylebone Cricket Club keine andere Wahl, als die Tour abzusagen. Ein Jahr später sorgte die Ankündigung, dass sowohl die Rugby-Union- als auch die Cricket-Nationalmannschaft Südafrikas eine Tour durch Großbritannien planten, für ein Wiederaufflammen der heftig geführten Debatte. Daraufhin bildete sich die vom 19-jährigen Studenten Peter Hain angeführte Protestorganisation Stop the Seventy Tour. Ihr Ziel war es vor allem, die für 1970 geplante Cricket-Tour zu verhindern; die während der Rugby-Tour vorgesehenen Störaktionen betrachtete sie als „Hauptprobe“.[1]
Lautstarke Demonstrationen zu Beginn der Springboks-Tour verliefen zunächst friedlich, erzeugten aber viel Aufmerksamkeit seitens der Medien. Am 15. November 1969 kam es in Swansea zu Beginn des Spiels gegen den Swansea RFC erstmals zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit stürmten mehrere hundert Demonstranten das Spielfeld, legten sich auf den Rasen und erzwangen eine Unterbrechung des Spiels. Polizisten und von den Rugbyvereinen angeheuerte Schläger trieben die Demonstranten aus dem Stadion, sodass das Spiel fortgesetzt werden konnte. Mehr als 100 Personen, darunter elf Polizisten, wurden dabei verletzt. Vor allem die Gewaltbereitschaft der Schläger sorgte weltweit für Schlagzeilen.[2] Sechs Tage später waren die Ereignisse in Swansea Thema einer Debatte im House of Commons. Innenminister James Callaghan schreckte davor zurück, die Tour abzusagen. Er wies die Polizeikräfte jedoch an, ihre Präsenz zu verstärken sowie Schlägerbanden und Demonstranten voneinander fernzuhalten. Die restlichen Spiele konnten störungsfrei durchgeführt werden, während die Demonstrationen nicht abrissen und es zu zahlreichen Verhaftungen kam.[2] Mitorganisator der Proteste in Edinburgh war der spätere britische Premierminister Gordon Brown.[3] Callaghan übte massiven politischen Druck aus und erreichte am 22. Mai 1970, dass die geplante Crickettour der Südafrikaner abgesagt wurde. Zuvor hatten mehrere afrikanische und asiatische Staaten damit gedroht, die bevorstehenden Commonwealth Games zu boykottieren.[4]
Unter dem Eindruck der Ereignisse in Großbritannien bildete sich in Irland, wohin die Springboks zu Beginn des Jahres 1970 reisten, ebenfalls eine linksgerichtete Protestbewegung. Verschiedene Akteure des Nordirlandkonflikts schlossen sich den Protesten an, was die Polizei in Alarmbereitschaft versetzte. Die sozialistische Bürgerrechtsbewegung People’s Democracy hielt in einer Mitteilung fest, es sei „keine Überraschung, dass die korrupte und bösartige unionistische Clique rassistische Südafrikaner bewundert.“ Angesichts der unsicheren Lage fand das Spiel in Belfast unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Die irische Postarbeitergewerkschaft unterbrach alle Telefonverbindungen und den Briefverkehr zum Hotel der Springboks.[5] Während eines Empfangs der Südafrikaner im Leinster House kam es am 9. Januar in Dublin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei.[6] Einen Tag später zogen während des Spiels gegen die irischen Nationalmannschaft rund zehntausend Protestierende durch die Stadt.[5]
Spielplan
Hintergrundfarbe grün = Sieg
Hintergrundfarbe gelb = Unentschieden
Hintergrundfarbe rot = Niederlage
(Test Matches sind grau unterlegt; Ergebnisse aus der Sicht Südafrikas)
Chris Schoeman: Rugby Behind Barbed Wire: The 1969/70 Springboks Tour of Britain and Ireland. Amberley Publishing, Stroud 2021, ISBN 978-1-4456-9410-8.