Tornabuoni (Familie)Die Tornabuoni bezeichnet eine Familie des frühneuzeitlichen Florenz aus dem Wirkungskreis der Medici. Bekannt geworden ist sie besonders durch ihre Patronageprojekte, etwa die Tornabuoni-Kapelle in der Kirche Santa Maria Novella in Florenz. Zu den bekanntesten Mitgliedern der Familie zählen die Geschwister Lucrezia und Giovanni Tornabuoni sowie Giovanna Tornabuoni. GeschichteUrsprungAm Ende des 14. Jahrhunderts spalteten sich die Tornabuoni von ihrem adligen Stamm – den Tornaquinci – ab. Grund für diese Abspaltung war der Wunsch nach politischer Teilhabe. Da es Mitgliedern der Aristokratie im Florentiner Trecento verboten war, politische Ämter zu übernehmen, sagte sich Simone Tornabuoni im Jahr 1393 vom adligen Hauptzweig los und gründete eine neue Familie.[1] Damit entstammen die Tornabuoni zwar ursprünglich dem traditionsreichen und mächtigen Adelsgeschlecht der Tornaquinci – die Tornabuoni des 15. Jahrhunderts zählten aber zu den neuen Familien, der gente nuova. BlütezeitDie Tornabuoni etablierten sich im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts in der politischen Arena beginnend mit Francesco Tornabuoni, dem Sohn des Familiengründers Simone. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, besonders zwischen 1470 und 1490, ist die höchste Dichte von Familienangehörigen in offiziellen Ämtern anzutreffen.[2] Insgesamt bezeugen die archivarischen Quellen der Stadt eine massive Präsenz der Tornabuoni insbesondere im Finanzsektor. In den Einträgen beim Katasteramt finden sich Hinweise, die auf ein Florentiner Warenlager der Tornabuoni und auf Handelsaktivitäten im Textilsektor schließen lassen.[3] Von ihrem gehobenen gesellschaftlichen Status gibt die Mitgliedschaft in der prestigeträchtigen Zunft Arte di Calimala, nachweislich seit Filippo di Simones Beitritt im April 1396, ein aufschlussreiches Bild ab.[4] Mit den Geschwistern Giovanni und Lucrezia Tornabuoni traten nach der Jahrhundertmitte die beiden prominentesten Vertreter der Familie in Erscheinung. Lucrezia (1425–1482) war Autorin von Lobgesängen und verfasste in großem Umfang Familienbriefe.[5] Sie stand in regem Austausch mit dem humanistischen Literaten Angelo Ambrogini, genannt Poliziano, und inspirierte Luigi Pulcis Gedicht „Morgante“. Ihre Bekanntheit ist aber vor allem dem Umstand geschuldet, dass sie die Mutter von Lorenzo de’ Medici, dem Prächtigen, ist. Lucrezias Bruder Giovanni (1428–1497) erlangte Ansehen und Wohlstand als Bankier der Medici.[6] Nicht nur Giovannis beruflicher und wirtschaftlicher Erfolg sicherte den Tornabuoni eine gesellschaftliche Stellung unter den ersten Familien der Republik. Vor allem auch seine Patronagepraxis ist als Ausdruck der hohen Ambitionen der Tornabuoni zu verstehen, im engsten Kreis der politischen Entscheidungsträger mitzuwirken. Giovanni ist der erste Tornabuoni, der sich nachweislich als Stifter betätigte. PatronageprojekteFür den sakralen Raum gab Giovanni Tornabuoni die Ausstattung der Tornabuoni-Kapelle (1486–1490) im Chor der Kirche Santa Maria Novella in Auftrag mit Wandfresken, Altarbildern, narrativen Fensterdekorationen, Mobiliar und liturgischem Gerät. Darüber hinaus veranlasste er die Dekoration einer Memorialkapelle zu Ehren seiner verstorbenen Frau Francesca Pittis in Santa Maria sopra Minerva in Rom (nach 1477). Im profanen Bereich ließ er einen Stadtpalast und zwei Villen auf dem Land errichten. Eines der Landhäuser war die Villa Macerelli in Careggi (die heutige Villa Lemmi), das andere, genannt Le Bracche, in der Nähe von Castello.[7] Der Bau des Palazzo (heute Palazzo Corsi) in der heutigen Via Tornabuoni im Stadtviertel Santa Maria Novella war 1469 abgeschlossen. Drastische Renovierungsmaßnahmen in den 1880er Jahren haben jedoch den ursprünglichen Zustand stark verändert.[8] Ein erhaltenes Inventar von 1498 bezeugt, dass das Interieur des Palazzo Tornabuoni im Vergleich zu anderen Quattrocento-Palästen besonders prachtvoll ausgestaltet war.[9] Giovannis Sohn Lorenzo Tornabuoni, ein enger Vertrauter von Piero di Lorenzo de’ Medici und Ehemann von Giovanna Tornabuoni, setzte die Patronagepraxis des Vaters mit der Projektierung einer Familienkapelle in der Zisterzienserkirche Cestello, der Ausstattung seiner Hochzeitsgemächer im Palazzo Tornabuoni und zahlreichen Tafelbildern zur privaten Andacht in eindrucksvoller Weise fort. Zu den von Lorenzo Tornabuoni in Auftrag gegebenen Bildern zählen unter anderem Domenico Ghirlandaios berühmtes Madrider Porträt der Giovanna Tornabuoni und ein Tondo mit dem Drei-Königs-Motiv, ebenfalls von Ghirlandaio. Die Cappella Tornabuoni in Cestello war gedacht als Memorial-Ort für Lorenzos 1488 verstorbene Frau Giovanna und wurde im Juni 1491 geweiht.[10] Lorenzos Porträt wurde insgesamt mindestens vier Mal festgehalten: In zwei Freskodarstellungen Ghirlandaios – dreizehnjährig in der Sixtinischen Kapelle in Rom und als junger Erwachsener in der Tornabuoni-Kapelle –, auf einer Porträtmedaille Niccolò Fiorentinos[11] und in Sandro Botticellis Fresko im Landhaus der Tornabuoni in Careggi, das sich heute im Louvre befindet. QuellenDie historische Forschung kann auf eine Vielzahl noch heute erhaltener Bildwerke und Textquellen zurückgreifen. Die überlieferten Textquellen zur Geschichte der Tornabuoni sind vielgestaltig: Zeitgenössische Chroniken, Rechnungsbücher, Notariatsbeglaubigungen, Haushaltsinventare, kirchliche Archivdokumente, private Korrespondenz und literarische Texte. Jedoch gibt es keine Hinweise auf eine Familienchronik oder Handelsbücher der Tornabuoni. Lediglich eine Auflistung von Stichworten aus dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts ist in der Biblioteca Riccardiana in Florenz erhalten, anonym und nicht publiziert.[12] Kurze Erwähnung findet die Familie in De illustratione urbis Florentiae, ein Epos des humanistischen Dichters Ugolino Verino (1438–1516) über Florenz aus den 1480er Jahren[13] sowie in den Werken von Francesco Guicciardini und Niccolò Machiavelli. Auskünfte zur ökonomischen Situation der Tornabuoni liefert speziell das Notarile Antecosimiano im Florentiner Archivio di Stato.[14] Siehe auchLiteraturDie Familie Tornabuoni wurde bisher in einem ersten Aufsatz von Guido Pampaloni aus dem Jahr 1968 behandelt und umfassender mit der Monografie Eleonora Plebanis von 2002. Jüngst ergänzte Gert Jan van der Sman in seiner Studie über das Leben und die Kunstwerke um Giovanna degli Albizzi und Lorenzo Tornabuoni die Quellenlage um neu herausgegebenes Material und lieferte die erste zusammenhängende Darstellung der Generation nach Giovanni. Explizit mit den Porträts der Tornabuoni-Mitglieder beschäftigt sich die Arbeit von Merseburger aus dem Jahr 2018.
WeblinksCommons: Lucrezia Tornabuoni – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Giovanna Tornabuoni – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: House of Tornabuoni – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Cappella Tornabuoni – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Santa Maria Novella – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Villa Le Brache – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Villa Lemmi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Palazzo Corsi-Tornabuoni – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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