Die Tōbu Tōjō-Hauptlinie (jap.東武東上本線, Tōbu Tōjō-honsen) ist eine Eisenbahnstrecke auf der japanischen Insel Honshū, die von der Bahngesellschaft Tōbu Tetsudō betrieben wird. Sie verbindet Ikebukuro im Stadtzentrum Tokios mit den nordwestlich davon gelegenen Städten Kawagoe und Yorii in der Präfektur Saitama. Während Tōbu Tōjō-Hauptlinie die offizielle Bezeichnung ist, wird in der Werbung und auf Beschilderungen der Name Tōbu Tōjō-Linie (jap. 東武東上線, Tōbu Tōjō-sen) verwendet. Der Begriff Tōjō leitet sich von den jeweils ersten Kanji-Zeichen für Tokio (東京) und die historische Provinz Jōshū (上州) zusammen.
Neben der Tōbu Isesaki-Linie ist die Tōbu Tōjō-Hauptlinie eine der beiden Hauptstrecken von Tōbu Tetsudō. Wie die in Sakado abzweigende Tōbu Ogose-Linie ist sie jedoch vom übrigen Tōbu-Streckennetz isoliert. Züge können bei Bedarf über die Chichibu-Hauptlinie zwischen den beiden Teilnetzen hin- und herbewegt werden.[1]
Die 75,0 km lange Strecke ist in Kapspur (1067 mm) verlegt und mit 1500 V Gleichspannung elektrifiziert. Sie bedient 38 Bahnhöfe, die maximale Geschwindigkeit beträgt 105 km/h. Zweigleisig ausgebaute Abschnitte bestehen zwischen Ikebukuro und Wakōshi (12,5 km) sowie zwischen Shiki und der Signalstation Ranzan (42,3 km). Der 5,3 km lange Streckenabschnitt Wakōshi–Shiki ist viergleisig, während der 14,9 km lange Abschnitt zwischen Ranzan und Yorii lediglich über ein Gleis verfügt.[2] Güterverkehr wird seit 1986 nicht mehr durchgeführt, das Bahnbetriebswerk befindet sich in Kawagoe.
Südlicher Ausgangspunkt ist Ikebukuro, wo sich der dreigleisige Tōbu-Bahnhof im ersten Stockwerk des Tōbu-Warenhauses befindet, parallel zu den darunter liegenden Gleisen von JR East. Bis zum nächsten Bahnhof Kita-Ikebukuro verläuft die Strecke nordwärts entlang der Saikyō-Linie. Kurz darauf schlägt sie eine nordwestliche Richtung ein. Kurz nach Narimasu trifft sie auf die Fukutoshin-Linie und die Yūrakuchō-Linie von Tōkyō Metro und folgt diesen bis Wakōshi an der Grenze der Präfekturen Tokio und Saitama. Ab dort teilen sie sich den viergleisigen Abschnitt, der bis zum Bahnhof Shiki in der Stadt Niiza reicht. Betrieblicher Mittelpunkt ist der Bahnhof Kawagoe, wo Anschluss zur Kowagoe-Linie von JR East und zur Seibu Shinjuku-Linie von Seibu Tetsudō besteht. Nach Kawagoe wird die Gegend zunehmend ländlicher. Im Sakado zweigt die Tōbu Ogose-Linie ab, während die Tōjō-Hauptlinie ins Tal des Toki einschwenkt. Sie folgt diesem bis zum Bahnhof Ogawamachi, wo sie sich mit der Hachikō-Linie kreuzt. Durch eine relativ dünn besiedelte Gegend verlaufend, überquert sie den Arakawa und erreicht schließlich die nördliche Endstation, den Bahnknotenpunkt Yorii.
Züge
Das Zugangebot auf der Tōjō-Hauptlinie ist sehr dicht, wobei je nach Streckenabschnitt unterschiedlich viele Züge angeboten werden. Beispielsweise verkehren ab Ikebukuro tagsüber 16 oder 17 Züge je Stunde, während der Hauptverkehrszeit bis zu 21 Züge. Je weiter das Ziel von Tokio entfernt liegt, desto weniger Züge werden angeboten; dies gilt insbesondere für das in einer ländlichen Region befindliche nördliche Streckenende. Anzumerken ist, dass kein Zug die Strecke auf ihrer gesamten Länge befährt, sondern stets nur einen Teil davon.[3]
Der Bahnhof Wakōshi an der Präfekturgrenze Tokio/Saitama ist die nominelle Endstation zweier U-Bahn-Linien der Gesellschaft Tōkyō Metro, wobei in der Regel jede Stunde zwei Nahverkerhszüge mit Halt an allen Zwischenstationen von und zur Tōjō-Hauptlinie durchgebunden werden (jeweils mit Personalwechsel):
■TJ Liner (TJライナー)
Auf die Bedürfnisse von Fahrgästen auf langen Distanzen ausgerichtet sind die im Juni 2008 eingeführten TJ Liner, die den Home Linern bei anderen Bahngesellschaften entsprechen. Sie sind die einzigen Züge, für die ein Zuschlag erforderlich ist, verbunden mit einer Sitzplatzreservation. An Werktagen verkehren sie morgens zweimal von Shinrin-kōen nach Ikebukuro und abends von Ikebukuro nach Shinrin-kōen oder Ogawamachi. An Wochenenden verkehren sie zwischen 17 und 21 Uhr halbstündlich von Ikebukuro nach Ogawamachi. Unterwegs halten sie jeweils nur an wenigen Bahnhöfen.[5]
■Kawagoe tokkyū (川越特急, engl. Kawagoe Limited Express)
Eingeführt im März 2019, ist dieser Schnellzug vor allem auf Touristen ausgerichtet, die von und nach Kawagoe reisen. An Samstagen und Feiertagen werden bis zu vier Züge täglich angeboten, an Sonntagen bis zu drei. Manche werden von Reiseführern begleitet, die Informationen über Sehenswürdigkeiten präsentieren.
■Kaisoku kyūkō (快速急行, engl. Rapid Express)
Diese Schnellzüge verkehren an Werktagen nur stadtauswärts, an Wochenenden und Feiertagen hingegen stadteinwärts. Einzelne Züge verkehren nicht von und nach Ikebukuro, sondern werden in Wakōshi zur Fukutoshin-Linie durchgebunden.
■Kaisoku (快速, engl. Rapid)
Als Zwischenstufe zwischen Schnell- und Eilzügen verkehren die Kaisoku den ganzen Tag über. Alle Züge enden und beginnen in Ikebukuro.
■Kyūkō (急行, engl. Express)
Ganztägig verkehrende Eilzüge von und nach Ikebukuro. Einzelne werden in Wakōshi zur Fukutoshin-Linie durchgebunden.
■Junkyū (準急, engl. Semi Express)
Ganztägig verkehrende Eilzüge von Ikebukuro nach Kawagoe oder Shinrin-kōen, üblicherweise viermal je Stunde.
■Futsū (普通, engl. Local)
Der Nahverkehr mit Halt an sämtlichen Bahnhöfen ist in zwei Sektionen unterteilt. Üblicherweise verkehren die Züge sechsmal die Stunde von Ikebukuro aus entweder nach Kawagoeshi, Shinrin-kōen oder Ogawamachi. Ergänzt werden sie um die durchgebundenen U-Bahnen ab Wakōshi (siehe oben). Zwischen Ogawamachi und Yorii verkehren lediglich zwei Nahverkehrszüge je Stunde im Einmannbetrieb; Reisende von und in Richtung Tokio müssen in Ogawamachi zwingend umsteigen.
Bilder
Bahnhof Ikebukuro
Bahnhof Shimo-Itabashi
Streckenabschnitt in Asaka
Bahnhof Wakōshi
Kawagoe tokkyū bei Takasaka
Betriebswerk Kawagoeshi
Bahnhof Kawagoeshi
Triebzug der Baureihe 8000 in Yorii
Geschichte
Seit den 1890er Jahren strebten Kawagoe und andere Städte in der nordwestlichen Kantō-Ebene einen Anschluss ans Eisenbahnnetz an. Zahlreiche Bahnstrecken wurden geplant, kamen aber aus verschiedenen Gründen nicht zustande. Die Promotoren zweier unterschiedlicher Projekte taten sich daraufhin zusammen und erhielten am 6. Oktober 1908 die provisorische Genehmigung für den Bau einer Strecke zwischen dem Tokioter Stadtteil Sugamo und Shibukawa in der Präfektur Gunma.[6] Drei Jahre später erfolgte im November 1911 die formelle Gründung der Bahngesellschaft Tōjō Tetsudō (東上鉄道) mit Sitz in Kawagoe.[7] Nach knapp anderthalbjähriger Bauzeit eröffnete die Tōjō Tetsudō am 1. Mai 1914 den ersten Abschnitt. Er war 33,5 km lang und führte von Ikebukuro nach Tanomosawa, einem zwischen Kawagoeshi und Kasumigaseki gelegenen provisorischen Bahnhof.[8]
Ursprünglich war Shimo-Itabashi als Tokioter Endstation vorgesehen; selbst heute befindet sich dort der Ausgangspunkt der offiziellen Kilometrierung, während Ikebukuro mit −1,9 km markiert ist. Der dazwischen liegende Abschnitt unterstand zu Beginn dem Kleinbahngesetz und galt rechtlich als Fortsetzung der Hauptlinie.[9] Der Bahnhof Tanomosawa wurde am 1. März 1916 wieder stillgelegt und wich der Fortsetzung der Strecke von Kawagoeshi nach Sakado, die am 27. Oktober 1916 in Betrieb ging.[10] Da die Betriebskosten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs stark angestiegen waren, vereinbarten die Bahngesellschaften Tōjō Tetsudō und Tōbu Tetsudō, die zuvor bereits in einigen Bereichen kooperiert hatten, die Fusion beider Unternehmen. Der Zusammenschluss der gleichberechtigten Partner unter dem Namen Tōbu Tetsudō erfolgte am 27. Juli 1920. Bei den Verhandlungen war auch beschlossen worden, den weiteren Streckenbau an der Tōjō-Hauptlinie auf die Präfektur Saitama zu beschränken und die Lizenz für die Fortsetzung nach Shibukawa nicht zu erneuern.[11]
Der Streckenbau wurde fortgesetzt: Am 1. Oktober 1923 reichte die Strecke bis Higashi-Matsuyama[12], am 5. November 1923 bis nach Ogawamachi[13] und am 10. Juli 1925 bis zur Endstation Yorii.[14] Die Elektrifizierung der Tōjō-Hauptlinie erfolgte 1929 in zwei Etappen: am 1. Oktober zunächst zwischen Ikebukuro und Kawagoeshi sowie am 29. Dezember bis nach Yorii.[15] Entsprechend der fortschreitenden Suburbanisierung kamen über die Jahre mehrere neue Bahnhöfe hinzu, wobei der 1934 eröffnete Bahnhof Wakōshi an der Präfekturgrenze später von großer Bedeutung sein würde. Ebenso begann die Tōbu Tetsudō, die Strecke zweigleisig auszubauen. Die Doppelspur reichte am 13. März 1935 von Ikebukuro nach Kami-Itabashi, am 29. Dezember desselben Jahres bis Narimasu und am 5. Mai 1937 bis Shiki. Die seit 1932 in Sakado abzweigende Tōbu Ogose-Linie ging am 1. Juli 1943 in der Tōbu Tetsudō auf, was insbesondere im kriegswichtigen Güterverkehr einen rationelleren Betrieb ermöglichte.[15]
Der Streckenabschnitt zwischen Higashi-Matsuyama und Musashi-Ranzan wurde am 17. Januar 1945 verlegt, um Platz für den Bau eines Militärflugplatzes zu schaffen. Bei den verheerenden Luftangriffen auf Tokio beschädigten amerikanische Bomber am 13. April 1945 den erst 14 Jahre zuvor eröffneten Bahnhof Kanaikubo so stark, dass er aufgegeben werden musste. Knapp ein Jahrzehnt nach Kriegsende setzte die Tōbu Tetsudō den Doppelspurausbau fort. Ab 21. Juli 1953 bestand ein zweites Gleis zwischen Kawagoe und Kawagoeshi, ab 21. August 1953 zwischen Kami-Fukuoka und Shingashi, ab 1. März 1954 zwischen Tsuruse und Kami-Fukuoka sowie zwischen Shingashi und Kawagoe, ab 15. Juni 1954 zwischen Tsuruse und Mizuhodai und ab 1. November 1954 zwischen Shiki und Mizuhodai. Der Dampfbetrieb im Güterverkehr endete am 1. April 1959. Ein zweites Gleis stand ab 2. Mai 1965 bis Sakado zur Verfügung, ab 9. September 1967 bis Takasaka, ab 6. September 1968 bis Higashi-Matsuyama und ab 21. Oktober 1977 bis Shinrin-kōen. Die Tōbu Tetsudō stellte den Güterverkehr am 21. Oktober 1986 vollständig ein.
Mehrere Änderungen gab es am 25. August 1987. Erstens ging das zweite Gleis im Flaschenhals zwischen Shiki und Wakōshi in Betrieb, wodurch es möglich war, sämtliche Bahnübergänge zwischen Narimasu und Shiki aufzuheben. Zweitens begann die U-Bahn-Gesellschaft Eidan (heute Tōkyō Metro) mit der Durchbindung von Zügen der Yūrakuchō-Linie über Wakōshi hinaus.[16] Mit den Fahrplanwechseln von 1993 und 1995 baute die Tōbu Tetsudō das Angebot an Schnell- und Eilzügen markant aus. Zudem verlängerte sie die Doppelspur am 26. März 2002 von Shinrin-kōen nach Musashi-Ranzan und am 17. März 2005 von dort bis zur Signalstation Ranzan. Am selben Tag führte sie zwecks Rationalisierung auch den Einmannbetrieb zwischen Ogawamachi und Yorii ein.[17] Seit dem 14. Juni 2008 werden auch die U-Bahnen der Fukutoshin-Linie über Wakōshi hinaus durchgebunden.[18]
Liste der Bahnhöfe
Ju = Junkyū (Semi Express); Ky = Kyūkō (Express); Ka = Kaisoku (Rapid); Kk = Kaisoku kyūkō (Rapid Express); Kt = Kawagoe tokkyū (Kawagoe Limited Express); TJ = TJ Liner