Syrisch-Libanesischer Feldzug
Der Syrisch-Libanesische Feldzug, auch als Operation Exporter bekannt, war eine Offensive gegen das von den Vichy-Frankreich kontrollierte Gebiet von Syrien und Libanon während des Zweiten Weltkriegs, die von britischen Verbänden und den Forces françaises libres (FFL) durchgeführt wurde. Der Feldzug war wenig bekannt, selbst in den Ländern, die beteiligt waren. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Briten wichtige Fakten zensiert haben, um Berichte über die heftigen Kämpfe zu vermeiden. Sie befürchteten, dass Nachrichten über Kämpfe gegen Franzosen sich negativ auf die öffentliche Meinung auswirken könnten. HintergrundNach der Niederlage Frankreichs im Juni 1940 übernahm Marschall Philippe Pétain die Regierungsgeschäfte und das sog. Vichy-Regime wurde etabliert, das mit dem Deutschen Reich kollaborierte. Die Militärführung im Mandatsgebiet von Syrien und Libanon unter dem Oberbefehlshaber Eugène Mittelhauser erkannte im Juni 1940 die Autorität der Regierung von Vichy an, verwahrte sich jedoch ausdrücklich gegen Operationen von Streitkräften der Achsenmächte von diesem Territorium aus. Die britische Regierung versuchte durch ökonomische Sanktionen, unter anderem der Aussetzung der Öllieferungen aus dem britisch kontrollierten Irak politischen Druck aufzubauen. Die Vichy-Regierung ersetzte Mittelhauser und seinen Apparat schließlich – nach einer kurzen Interimsperiode durch seinen Vorgänger General Raymond Massiet – durch den als loyaler eingeschätzten General Henri Dentz, der sowohl das höchste zivile Amt als Generalgouverneur innehatte als auch als Oberbefehlshaber des Militärs im Mandatsgebiet fungierte. Die britische Regierung stellte sich auf den Standpunkt, die vichy-treue Präsenz in der Levante zu dulden und infolgedessen keinen Angriff der Forces françaises libres unter Charles de Gaulle in der Kolonie zu unterstützen, solange auf dem Mandatsgebiet keine Truppen ihrer Kriegsgegner operierten.[2] Die Mehrheit der 40.000 Soldaten der Armée du Levant unter dem Kommando von General Maxime Weygand blieben loyal zur Regierung in Paris. Rund 900 Mann, davon 35 Offiziere gingen 1940 ins britische Palästina, um zu de Gaulle zu stoßen. Ebenso schlug sich eine in Homs stationierte Brigade der Karpaten-Schützen (polnisch Samodzielna Brygada Strzelców Karpackich) mit voller Ausrüstung mit dem Wissen Mittelhausers auf britisch kontrolliertes Gebiet.[3] Im Mai 1941 hatten deutsche und italienische Flugzeuge mit französischer Genehmigung syrische Flugplätze als Zwischenstopp für ihren Einsatz bei den Kämpfen im Irak benutzt. Außerdem war Ende des Monats Kreta in die Hände der Deutschen gefallen. Auf britischer Seite bestand nunmehr die Sorge, dass sich die Achsenmächte in Syrien und dem Libanon dauerhaft etablieren und von hier aus Palästina und Ägypten angreifen könnten, was eine Gefährdung der britischen Ölnachschubwege in der Region durch Luftangriffe der Achsenmächte mit sich gebracht hätte. Zudem wurde auch ein eventueller deutscher Durchmarsch durch die Türkei befürchtet, gegen den es sich abzusichern galt. KräfteverhältnisseDie vichy-treuen französischen Truppen in Syrien bestanden aus rund 35.000 Militärangehörigen. Vier Fünftel dieser Soldaten waren keine Franzosen, sondern Kolonialsoldaten oder Fremdenlegionäre. Die Armee der Levante verfügte im April 1941 über 27 Infanteriebataillone. Der Hauptteil der Infanterie machten zehn nordafrikanische Bataillone und vier Fremdenlegionsbataillone aus. Ebenso gab es senegalesische Einheiten und drei gemischte französisch-senegalesische Bataillone. Im Juni 1941 verfügten die Vichy-Truppen in der Levante über 90 leichte Panzer des Typs Renault R-35 und 70 Panzerwagen. Der Armee waren 90 moderne Flugzeuge angegliedert. Material und Betriebsstoffbevorratung sollten rund sechs Wochen Gefechte ermöglichen. Ein Teil der Panzerwagen war in Beirut durch die Armee selbst auf Basis von US-amerikanischen Lastkraftwagen improvisiert worden.[4][5] Zur See standen den vichy-treuen französischen Kräften insgesamt vier Zerstörer, der Aviso Élan[6] und drei U-Boote zur Verfügung. Die alliierten Truppen, welche zur Operation abgestellt wurden, umfassten 34.000 Soldaten. Die Mehrheit stellten 18.000 Australier, gefolgt von 9.000 Soldaten der British Army und 2.000 Mann der British Indian Army. Hinzu kamen 5.400 Mann von de Gaulles freifranzösischen Truppen, wobei der Kern dieser Einheiten aus der 1. (leichten) freifranzösischen Division (1re Division Légère Française Libre) unter General Paul Legentilhomme bestand[7]. Auf freifranzösischer Seite kämpfte auch eine rund 350 Mann starke tscherkessische Kavallerieeinheit; hierbei handelte es sich um Deserteure, welche von der vichy-treuen tscherkessischen Kavalleriegruppe (Groupement d'Escadrons Tcherkess) zu den Alliierten übergelaufen waren[8]. Den alliierten Kräften fehlten indessen moderne Panzer in nennenswerter Anzahl, so konnten die britischen Kräfte nur auf einige wenige veraltete Light Tank Mk VI zurückgreifen; ferner stand eine mit zwölf leichten Hotchkiss H-39-Panzern ausgestattete freifranzösische Panzerkompanie zur Verfügung[8]. Daneben mangelte es auch an Artilleriegeschützen, Motorfahrzeugen für Nachschub und Transport sowie modernen Panzerabwehrwaffen.[9] Von Vorteil für die alliierten Verbände war jedoch, dass die britische Marine mit insgesamt fünf Kreuzern und neun Zerstörern eine beinahe vollständige Blockade der Küstenlinien durchsetzen konnte. VerlaufBereits Ende Mai 1941 hatte es vereinzelt Zusammenstöße zwischen vichy-französischen und britischen Flugzeugen gegeben. So hatte am 28. Mai 1941 ein MS.406-Jäger einen im Irak gestarteten britischen Bristol-Blenheim-Aufklärer über Syrien abschießen können.[10] Zwischen dem 24. und dem 28. Mai ließ die Vichy-Regierung rund 20 Dewoitine D.520 von Algerien nach Syrien verlegen (wobei allerdings zwei Maschinen wegen Defekten in der Türkei notlanden mussten). Daraufhin griffen drei britische Bomber am 5. Juni 1941 den Flugplatz von Aleppo an und zerstörten ein Flugzeug am Boden.[10] Am 8. Juni überquerten zwei Brigaden der australischen 7. Infanteriedivision unter General John Lavarack nördlich von Akkon und Tiberias die Grenze und marschierten in Richtung Beirut und Rayak. Die britisch-indische 5. Infanterie-Brigade und FFI-Truppen unter General Paul Legentilhomme drangen zur gleichen Zeit weiter östlich bei Dar'a ins Landesinnere ein, um auf Damaskus vorzustoßen. Einen Tag später kam es zur Schlacht am Litani, wo australisch-britische Truppen gegen Soldaten des Vichy-Regimes kämpften, die ohne Erfolg versuchten, den Vorstoß der Australier nach Beirut aufzuhalten. Im Vorfeld der Gefechte am Litani war in der Nacht des 8./9. Juni 1941 das britische 11. Commando (No. 11 (Scottish) Commando) unter Lieutenant Colonel Richard Pedder – herangebracht von dem Landungsboot-Mutterschiff Glengyle und unter dem Schutz des Flugabwehrkreuzers Coventry sowie zweier Zerstörer[6] – nördlich von Tyros gelandet, um eine wichtige Brücke über den Litani zu sichern. Die 406 Mann starke Kommandoeinheit fand die Brücke jedoch bereits von vichy-französischen Kräften gesprengt vor und verlor bei nachfolgenden Gefechten gegen das hartnäckigen Widerstand leistende 22. algerische Tirailleur-Regiment (22e régiment de tirailleurs algériens) rund ein Drittel ihres Mannschaftsbestandes[6]. Unter den Gefallenen befand sich auch Lieutenant Colonel Pedder. Trotz dieser beträchtlichen Verluste gelang es den Kommandoeinheiten jedoch – in einem 29 Stunden andauernden Gefecht –, den im Laufe des 9. Juni heranrückenden australischen Einheiten den weiteren und raschen Vorstoß gen Beirut zu ermöglichen[11]. Vier Tage später kam es wieder zu Kämpfen zwischen australischen und vichy-französischen Soldaten. Am 13. Juni geriet der australisch-britische Vorstoß infolge heftiger Gefechte ins Stocken, wobei auch die Schwächen der alliierten Verbände bezüglich Panzerabwehrwaffen und Panzern aufgezeigt wurden. Starke Gegenangriffe vichy-treuer Truppen, unterstützt von rund 40 Panzern, zwangen am 16. Juni ein Bataillon der Royal Fusiliers bei Quneitra zur Kapitulation[12]. Rund 470 britische Soldaten gingen in Gefangenschaft. General Wavell entschied sich darauf, die alliierten Streitkräfte bei Damaskus durch die 6. britische Infanteriedivision aus Ägypten zu verstärken. Mit diesen Verstärkungen gelang nur Tage später die Rückeroberung des Gebietes um Quneitra. Zur Unterstützung der Vichy-Franzosen griffen am 15. Juni von Kreta aus operierende deutsche Ju 88-Bomber des Lehrgeschwaders 1 britische Kriegsschiffe auf der Reede von Sidon an[13] und beschädigten die beiden Zerstörer Isis und Ilex schwer. Zwei weitere britische Zerstörer, Janus und Jackal, waren bereits am 9. Juni kurzzeitig mit den beiden aus Beirut ausgelaufenen vichy-französischen Großzerstörern Guépard und Valmy ins Gefecht gekommen und hatten teils erhebliche Beschädigungen erlitten. Im Gegenzug gelang es am 16. Juni Fairey-Swordfish-Torpedoflugzeugen etwa 50 Seemeilen vor der syrischen Küste den als Munitionstransporter eingesetzten vichy-französischen Großzerstörer Chevalier Paul zu torpedieren und zu versenken. Die beiden Großzerstörer Guépard und Valmy konnten später den Großteil der Besatzung aufnehmen. Einen Tag später unternahm der vichy-französische Großzerstörer Vauquelin erneut einen Versuch, die Blockade zu durchbrechen und Munitionsnachschub in Beirut anzulanden. Das Schiff erreichte zwar den Hafen, wurde jedoch dort von britischen Flugzeugen attackiert und erlitt beträchtliche Schäden[14]. Am 21. Juni zog General Legentilhomme nach heftigen Kämpfen um Damaskus in die Stadt ein. Am gleichen Tag griff die Habforce, bestehend aus der britischen 4. Kavalleriebrigade und der Arabischen Legion, vom Irak aus Syrien an und stieß sogleich auf Palmyra vor. Der anfänglich rasche Vorstoß wurde allerdings ab dem 23. Juni drei Tage lang durch heftige Angriffe vichy-französischer Martin 167F-Bomber abgebremst.[10] Gegen Ende des Monats griff auch die Indische 10. Division unter William Slim vom Irak aus in die Kämpfe ein. Ihr erstes Ziel war Deir ez-Zor. Am 25. Juni gelang dem britischen U-Boot Parthian die Torpedierung und Versenkung des vichy-französischen U-Bootes Souffleur in der Bucht von Jounieh[15]. Mit dem U-Boot gingen 53 Besatzungsangehörigen unter, vier Crewmitglieder überlebten die Versenkung. Nach diesem Verlust fanden keine nennenswerten Aktivitäten der vichy-französischen Marine vor der Küste des syrisch-libanesischen Mandatsgebietes mehr statt. Die eingesetzten Einheiten waren entweder gesunken (Chevalier Paul, Souffleur) oder, teils in erheblich beschädigtem Zustand (Vauquelin), nach Toulon zurückbeordert worden. Die beiden anderen U-Boote vor Ort (Caïman und Morse) wurden aus dem Kampfgebiet abgezogen und verlegten nach Bizerte[16]. Der Aviso Élan hatte bereits Mitte Juni einen Hafen in der (neutralen) Türkei angelaufen und war dort interniert worden. (Das Schiff wurde letztlich 1944 an die FFL übergeben.) Südlich von Beirut gelang es der australischen 7. Division, nach schwierigen Flussüberquerungen am 9. Juli, Damur einzunehmen. Die Australier standen nun nur noch wenige Kilometer von Beirut, dem Hauptquartier von General Dentz, entfernt. Dieser bot einen Waffenstillstand an, der kurz nach Mitternacht am 12. Juli in Kraft trat. Der Zusammenbruch des vichy-französischen Widerstandes war auch auf die Überlegenheit der britischen beziehungsweise Commonwealth-Marinekräfte, darunter der neuseeländische Leichte Kreuzer Leander, der britische Leichte Kreuzer Ajax sowie die Flugabwehrkreuzer Naiad, Coventry und Phoebe, vor Ort zurückzuführen, die eine weitgehende Blockade der Küstenlinien durchsetzen und so umfangreichere Nachschublieferungen verhindern konnten. So gelang den vichy-französischen Kräften über See nur kurzzeitig die Nachführung von Nachschub, vor allem Munition, durch die obig genannten Großzerstörer. Letzte Versuche eines Heranführens von Verstärkung über See waren, nach der Versenkung des kleinen Frachters Saint Didier (2778 BRT) am 4. Juli 1941 vor der anatolischen Küste durch einen britischen Fairey-Albacore-Torpedobomber[14], endgültig aufgegeben worden. Folgen und VerlusteAm 14. Juli wurde in Akkon die Konvention über die Einstellung der Feindseligkeiten unterzeichnet. Die alliierten Truppen besetzten das gesamte französische Mandatsgebiet und erreichten die Übergabe der vichy-französischen Flugzeuge. Den etwa 35.000 vichy-französischen Truppen wurde – entgegen den Wünschen der Franzosen unter de Gaulle – die Wahl gelassen, sich unter Abgabe ihrer Waffen ins Mutterland repatriieren zu lassen oder sich den FFI-Truppen anzuschließen. Nur rund 5.700 von ihnen wählten die zweite Alternative. General Georges Catroux übernahm als Generaldelegierter des Freien Frankreichs die Zivilverwaltung des Gebiets. Die verbliebenen Flottenkräfte der Vichy-Truppen verlegten nach der Kapitulation nach Toulon und Bizerta. Ein Großteil der 179 in Verlust geratenen Flugzeuge der Vichy-Verbände wurde nicht bei Gefechten zerstört (die Zahl der durch unmittelbare Feindeinwirkung vernichteten Maschinen schwankt zwischen 40 und 60), sondern fiel nach dem Ende der Kampfhandlungen und gemäß der Waffenstillstandsbedingungen den Siegern in die Hände; ein Teil dieser Flugzeuge kam später auf Seiten der FFI zum Einsatz. Auf alliierter Seite gingen offiziell mindestens 27 Flugzeuge verloren (nach anderen Angaben 41 Maschinen[17]). Umgekehrt konnte allein Pierre Le Gloan, das vichy-französische Fliegerass in der 5ème Escadrille der Jagdgruppe (Groupe de Chasse) GC 3/6, bis zum 5. Juli fünf Hawker Hurricane und eine Gloster Gladiator abschießen.[18] Da die Luftkämpfe teils erbittert ausgefochten wurden, könnten die Verluste auch höher gelegen haben. Bei den Kämpfen waren insgesamt mindestens 3.800 britische bzw. Commonwealth- und 1.300 Soldaten der FFI durch Tod, Verwundung oder Gefangennahme ausgefallen. Hinzu kam noch eine vierstellige Zahl an Erkrankten, darunter über 300 Fälle von Malaria. Die Verluste der Vichy-Truppen inklusive Überläufer während der Kämpfe betrugen etwa 6.500 Mann, darunter 1.066 Gefallene.[19] Insgesamt betrachtet setzten sich die Vichy-Truppen teils heftig zur Wehr, auch wenn auf beiden Seiten Franzosen kämpften, was sich auch in den Opferzahlen zeigt. So liegen die Zahlen für die Gefallenen und Verwundeten beider Seiten nah beieinander. Im August bis September 1941 kam es weiter östlich zur anglo-sowjetischen Invasion des Iran. Siehe auchLiteratur
WeblinksCommons: Syrisch-Libanesischer Feldzug – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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