Symmetrischer KreiselDer symmetrische Kreisel ist in der Kreiseltheorie ein Kreisel mit zwei gleichen Hauptträgheitsmomenten[1]:20[2]:39. Gelegentlich wird zusätzlich gefordert, dass der Massenmittelpunkt auf der Figurenachse liegen soll.[3] Typische Beispiele sind der rotationssymmetrische Spielzeugkreisel oder andere homogene Rotationskörper. Symmetrische Kreisel werden vielfach angewendet bei der Drallstabilisierung von Schiffen (Schiffskreisel), Raumflugkörpern, Kreiselinstrumenten und Trägheitsnavigationssystemen und sind Gegenstand in der Astronomie und Ballistik. AllgemeinesJeder Starrkörper besitzt drei Hauptträgheitsmomente und drei dazugehörige Hauptträgheitsachsen oder kurz Hauptachsen, die sich aus der Lösung des Eigenwertproblems des Trägheitstensors ermitteln.
Die für die Drehung um einen Fixpunkt oder den Massenmittelpunkt maßgeblichen Bewegungsgleichungen sind die Eulerschen Kreiselgleichungen oder für den schweren Kreisel die Euler-Poisson-Gleichungen. Die Figurenachse ê3 ist beim symmetrischen Kreisel seine Symmetrieachse, bezüglich der er das dritte oder axiale Hauptträgheitsmoment besitzt. Um diese Achse ist das Trägheitsellipsoid rotationssymmetrisch. Die Hauptachsen ê1,2 mit den beiden übereinstimmenden äquatorialen Hauptträgheitsmomenten sind senkrecht zur Figurenachse in der Äquatorebene und dort beliebig orientiert. Es werden zwei Achsen ausgewählt, sodass die Hauptachsen ê1,2,3 ein rechtshändiges Orthonormalsystem bilden. Abhängig davon, ob das axiale Hauptträgheitsmoment größer oder kleiner als das äquatoriale ist, wird der Kreisel abgeplattet oder gestreckt genannt.[1]:20 Die Symmetrie verlangt nicht, dass der Kreiselkörper irgendwie im geometrischen Sinn symmetrisch wäre[4]. Insbesondere hängt die Symmetrie nach dem Steinerschen Satz vom Bezugspunkt ab; ein Kreisel kann daher bezüglich eines Punktes ein symmetrischer und bezüglich eines anderen Punktes ein unsymmetrischer Kreisel sein. J. Binet fand, dass der geometrische Ort aller Punkte, in denen zwei Hauptträgheitsmomente eines beliebigen starren Körpers gleich werden, je eine Ellipse und eine Hyperbel sind, die demselben konfokalen System angehören.[3] Die Symmetrie des Kreisels ist unabhängig von der Lage des Massenmittelpunkts. So sind der Kowalewskaja-Kreisel und der Gorjatschew-Tschaplygin-Kreisel, jeweils mit einem abseits der Figurenachse gelegenen Massenmittelpunkt, trotzdem symmetrische Kreisel. HauptträgheitsmomenteDer symmetrische Kreisel hat ein doppeltes, äquatoriales Hauptträgheitsmoment A und ein drittes, axiales C. Bei einem Starrkörper erfüllen die Hauptträgheitsmomente die Dreiecksungleichungen
siehe Trägheitsmoment. Während die erste Ungleichung immer zutrifft, bedeutet die zweite 2A > C oder A > C/2. Dann kann es einen symmetrischen Kreisel mit den Hauptträgheitsmomenten A und C geben. Gyroskopische oder DrallstabilisierungEine der technisch wertvollsten Eigenschaften von symmetrischen Kreiseln ist die Möglichkeit, mit ihnen Körper in ihrer räumlichen Ausrichtung zu stabilisieren. Dies wird bei Schiffen, Raumflugkörpern und Geschossen ausgenutzt. Die Drallstabilisierung basiert auf Kreiselwirkungen. Wirkt auf das um die y-Achse rotierende Schwungrad im Bild beispielsweise ein nicht zu großes Moment Mz senkrecht zur frei beweglichen Drehachse, dann beginnt das Schwungrad nicht um z zu drehen, sondern führt eine Schwingung um z aus mit der Schwingungsgleichung Darin ist L der axiale Drehimpuls um die Figurenachse. Die Schwingungsgleichung ist eine Näherung, die nur bei kleiner Auslenkung ψ gültig ist. Für die stabilisierende Kreiselwirkung ist dabei die freie Drehungsmöglichkeit der Figurenachse um die äquatorialen Achsen entscheidend. Wird die Drehachse durch Lager an die xy-Ebene gebunden, dann können die Momente der Trägheitskräfte nicht ihr Potenzial entfalten und es tritt keine Drallstabilisierung auf.[5] In einem komplizierteren Mechanismus ist eine Drallstabilisierung allerdings nicht immer möglich. William Thomson, 1. Baron Kelvin und Peter Guthrie Tait konnten zeigen,[6]:261f
Von den hier angesprochenen Freiheitsgraden sind die Drehwinkel um die Figurenachse (genauer die zyklischen Koordinaten) der Kreisel ausgenommen. Winkelgeschwindigkeit und DrehimpulsBeim symmetrischen Kreisel kann die Winkelgeschwindigkeit vorteilhaft mit dem Drehimpuls ausgedrückt werden:[7]:335: Hier bezeichnen
Daraus ist ersichtlich, dass beim symmetrischen Kreisel die Winkelgeschwindigkeit, der Drehimpuls und die Figurenachse immer komplanar sind. Aus dem Drallsatz ergibt sich weiters: Darin bildet die relative Zeitableitung im Hauptachsensystem. Wenn das äußere Moment keine Komponente in Richtung der Figurenachse hat, was beim symmetrischen Euler-Kreisel, beim Lagrange-Kreisel und bei der regulären Präzession um die Lotrichtung der Fall ist, dann ist der Drehimpuls um die Figurenachse zeitlich konstant. Die aus der ersten Gleichungszeile folgenden Eulerschen Kreiselgleichungen reduzieren sich auf eine einzige Differentialgleichung worin f und g bekannte Funktionen der Zeit t, wenn die Drehmomente M1,2,3 im Hauptachsensystem bekannte Funktionen der Zeit sind, und p die Winkelgeschwindigkeit um eine Hauptachse ist. Die Differentialgleichung verkürzt sich weiter auf die integrable Form wenn die Zeit durch die neue unabhängige Variable substituiert wird.[8] Reguläre Präzession um die LotrichtungDer symmetrische Kreisel führt wie in der Animation in Abb. 2 eine reguläre Präzession um die Lotrichtung aus, wenn er mit jeweils konstanter Winkelgeschwindigkeit um eine raumfeste Präzessionsachse und eine körperfeste Achse dreht, die einen gleichbleibenden Winkel einschließen. Die Kreiselwirkung des axialen Drehimpulses ist dessen Geschwindigkeit entgegen und horizontal ausgerichtet. Diese Kreiselwirkung kann beim schweren Kreisel nur dann vom horizontalen Drehmoment der lotrechten Gewichtskraft dynamisch ausgeglichen werden, wenn
Die Nutation des symmetrischen Euler-Kreisels kann als momentenfreier Spezialfall der ersten Möglichkeit aufgefasst werden, wenn die Vertikale parallel zum Drehimpuls ausgerichtet wird. Der zweite Fall stellt eine Staude-Drehung dar. Staude-DrehungenWenn der Massenmittelpunkt nicht auf der Figurenachse ist, kann der symmetrische Kreisel dann eine der regulären Präzession vergleichbare regelmäßige Bewegung ausführen, wenn der Massenmittelpunkt immer noch in der Präzessionsebene liegt. Das ist beispielsweise beim Kowalewskaja-Kreisel der Fall, wenn er, wie in der Animation in Abb. 3, Karussell-Bewegungen ausführt, siehe Hauptartikel. WeblinksCommons: Kreisel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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