Susanne Bosch (geboren 1967 in Wesel) ist eine deutscheKünstlerin im Bereich der bildenden Kunst und der Kunst im öffentlichen Raum. International bekannt wurde sie durch die Restpfennigaktion, eine partizipatorische Kunstaktion, die 1998 in Deutschland beginnend, bis heute Fortsetzungen findet.[1]
Von 2005 bis 2006 unterrichtete sie im internationalen Masterprogramm (Master of Fine Arts) „Art in Public Space and New Artistic Strategies“ an der Bauhaus-Universität Weimar.[4][5] An der University of Ulster in Belfast war sie von 2006 bis 2012 Kursdirektorin des Masterstudiengangs Art in Public und unterrichtete Fine Art Research. Parallel forschte sie zur Rolle der „Kunst in gesellschaftlichen Transformationsprozessen“ und zu „Kunst an umkämpften Orten“ am Research Centre Interface der University of Ulster. 2012 promovierte sie dort zum Thema „Learning for Civil Society Through Participatory Public Art“.[6]
Seit 2008 ist Susanne Bosch Facilitator für Open-Space-Formate. Diese und andere Formate des Art of Hosting, setzt sie in Kunstprojekten und Konferenzen ein, die sich vertiefend mit Demokratiebegriffen und Fragen der Nachhaltigkeit befassen.[7] In diesem Kontext arbeitet sie auch als Prozessbegleiterin.[8][9][10]
Neben ihrer Arbeit in partizipatorischen künstlerischen Formaten arbeitet Susanne Bosch oft mit fragilem Zeitungspapier, führt Kunst am Bau Projekte durch und ist ebenso aktiv in den künstlerischen Feldern Video, Performance und Installation. Sie bezeichnet sich selbst als „Schnittstellen-Akteurin“.[12]
Ihre Themen bewegen sich im Bereich der Migrationsforschung, wie in der Sammelausstellung The Border des Deutschen Künstlerbundes in Berlin im Jahr 2020. Für die dort gezeigte Arbeit Für eine Aufstrebende Zukunft bearbeitete sie Zeitungsberichte über Festumzüge in Erinnerung an die Schlacht am Boyne. Diesen stellte sie Zitate von Hannah Arendt und aus der Black-Lives-Matter-Bewegung gegenüber.[13]
Sie interessiert sich darüber hinaus für das Feld der künstlerischen Kritischen Kartografie wie in Kartografie (in) einer Landschaft (2020 DA Gravenhorst) und The Prehistory of Crisis (2), (Belfast und Dublin, 2009). Seit Beginn ihrer Karriere untersucht sie die Verhandlungskulturen gesellschaftlicher Beteiligungsmodelle und Zahlungsmittel. Ihr Interesse gilt Gemeinschaften, die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeitsmodelle als Alternativen zum globalen Kapitalismus entwickeln.
Diese Suche nach alternativen Beteiligungsmodellen führte sie 2008 nach Palästina, wo sie 2012 auf die Arab Development Society (ADS) und die Visionen von Musa Alami traf. 2013 zeigte sie in einer großräumigen Installation Fundstücke ihrer Recherche auf dem damals verlassenen Gelände der ADS unter dem Titel Change Maker im Museum der Universität Bir Zait, Palästina.[14][15]
Viele von Boschs Arbeiten folgen dem Überbegriff Kunst an umkämpften Orten. Viel Beachtung fand ihre partizipatorische Performance Crossing Jericho (2012), ein Nightwalk in Area C (West Bank), im Rahmen des Kunstprojekts Jericho – beyond the celestial and terrestrial. Bosch verfeinert das Thema seit 2018 mit dem Beitrag Alter-Nationality für die Ausstellung Subcontracted Nations, in der Qattan Foundation, Ramallah. Diese Arbeit gehört zu dem Projekt Against all Odds, einer Forschungsarbeit zu visionären Projekten im Westjordanland.
International bekannt wurde Bosch 1998 mit der Restpfennigaktion, einer Arbeit im öffentlichen Raum, die sie in einem dialogischen Format jeweils abwandelte und den vorgefundenen politischen und sozialen Räumen anpasst. Sie sammelte deutschlandweit von 1998 bis 2002 brachliegendes ökonomisches und geistiges Kapital in Form von übrigen Pfennigen sowie Ideen und Wünschen. Insgesamt 13 Tonnen Münzen wurden in öffentlichen Sammelstellen auf dem Alexanderplatz in Berlin, in München (Marienplatz), Nürnberg (Königstrasse), Würzburg (Stadtbibliothek), Weimar (ACC-Galerie), Köpenick (FEZ) sowie aus Tausenden privater Sammelboxen zusammengetragen. 1.601 Ideen und Wünsche gingen als Briefe, E-Mails und Interviews ein.[16]
Die Restpfennigaktion wird seitdem in verschiedenen Variationen weitergeführt. 2008 als Iniziativa Centesimo Avanzato im Palazzo delle Arti Napoli.[17] 2010 unter dem Titel Hucha de Deseos in Madrid,[18][19] und als The Leftover Penny Campaign folgte sie 2013 einer Einladung der Triennale di Milano.[20][21] Das Kunstmuseum Liechtenstein realisierte 2017 die Rest-Münz-Aktion.[22] Als #MoneyMustBeFunny adaptierte Bosch im Jahr 2023 das Thema für das Musikmagazin Positionen.[23]
Preise und Auszeichnungen (Auswahl)
2007: Visiting Arts Stipendium, Henry Moore Foundation/ Arts Council Nordirland
2012: Civitella Ranieri Foundation Arbeits-Stipendium, Italien[24]
2014: Artist in Residence, Kuala Lumpur, Goethe-Institut Malaysia
2015: Artist in Residence, Leitrim Sculpture Centre, Ireland
2017: Stipendium Goethe-Institut, Kuala Lumpur, Singapur, Georgetown, Penang, Malaysia
2020: Ecology of Care Commission, Heart of Glass, UK
2020: Praxis Stipendiatin Villa Massimo, Rom
Ausstellungen (Auswahl)
1996: Germinations 9, Prague, Castle, Tschechien
1997: Germinations 9, Villa Arson, Nizza, Italien, Tutesall/ Chateau de Bourglinster, Luxembourg
1998: Klinik, Morphing Systems (in Zusammenarbeit mit Stephan Kurr), Zürich, Schweiz
1998–2002: Restpfennigaktion, deutschlandweit
1999: Sozialmaschine Geld, (in Zusammenarbeit mit Vollrad Kutscher), O.K.Center, Linz
1999: Wie Macht Kunst? (in Zusammenarbeit mit Vollrad Kutscher), Fridericianum, Kasseler Kunstverein
2000: Goldrausch XI_unterwegs, Kunstbunker, Nürnberg; Kunstraum, Düsseldorf; halle_für_kunst Lüneburg e.V., art forum Berlin
2005: La Bauhaus Si Muove! Galleria della Provincia de Modena, Italien
2008: The Common Good: The Enterprise of Art, PAN – palazzo arti napoli, Neapel, Italien
2009: Berliner Senatsstipendiaten in Istanbul, SUMA Contemporary Art Center, Istanbul, Türkei
2009: The Prehistory of the Crisis (2), Project Art Centre Dublin und Belfast Exposed, Belfast, Irland[25]
2009: Berlin-Istanbul, Berlin Senats Stipendiaten in Istanbul, Kunstraum Bethanien, Berlin
2010: Tulca Festival of Art, Galway, Irland
2011: Living as Form, Creative Time online Ausstellung, New York, USA
2012: TENSE, Limerick City Gallery of Art, Limerick, Irland
2012: How Much Do I Owe You? The Clock Tower, 29-27 41st Ave, Long Island City, Queens, New York, USA
2013: Jericho – beyond the celestial and terrestrial, Birzeit Museum, West Bank, Palästina
2013: Click or Clash? Strategies of collaboration, Galleria Bianconi, Mailand, Italien
2013: Studiovisits at Platform Project, Art-Athina, Athen, Griechenland
2013: Milan & Beyond. A vision in motion. Triennale di Milano, Mailand, Italien
2014: What we believe in, lostgens, Kuala Lumpur, Malaysia
2015: Dies ist Morgen bei Was für ein Fest? Kunsthalle Osnabrück
2015: Das Mögliche im Sein, Arbogast, Götzis, Österreich
2017: Who Pays, Art Museum Liechtenstein, Liechtenstein
2018: CAPP Cartographies at Practice and Power, LAB and 2 Curved Street, Dublin, Irland
2018: Alter-NationalitySubcontracted Nations, A.M Qattan Foundation in Ramallah, Palästina[26]
2020: Geschichten (in) einer Landschaft – eine Kartografie, DA Kunsthaus Kloster Gravenhorst
2020: Ecology of Care. Kurze Deklaration zur Selbstfürsorge, Heart of Glass, UK[27]
2020: For an emerging future, Deutscher Künstlerbund, Berlin[28]
2022: Andere Menschen fühlen, Kunstzugabe in TAZ Wochenendausgabe am 14. Mai 2022[29]
Kunst im öffentlichen Raum
1996–1997: Curriculum Vitae, Plakataktion in Prag, Nürnberg, Nizza, und Luxemburg als Teil von Germinations 9
2004: Káko ßi dúschitschke mója? / Wie geht es Dir, mein Seelchen?Liebeslieder für Gropiusstadt, How are you, my little soul? Lovesongs for Gropiusstadt, Klanginstallation in einem Aufzug in Gropiusstadt, Berlin
2004: Hic bir yere gidememek/Nirgendwo ankommen. Schattentheater auf türkisch. Im Rahmen von Lock Your Mind, Beyoglu, Istanbul
2005: Institut für Fremderfahrung Soundinstallation im Glockenturm außen für die Galleria della Provincia de Modena / Chiesa di San Paolo und Chiesa delle Monache, Das Bauhaus bewegt sich / La Bauhaus si muove Künstler der Bauhaus-Universität Weimar zu Gast in Modena, Italien
2006: Work Migration Quartett, bei Out Of Site 2006, öffentliche Intervention in Dublin
2007: Work Migration Quartett, Northbound Conference, Derry, Nordirland
2007: A viewing, öffentliche Intervention in Zusammenarbeit mit Sandra Johnston und Marilyn Arsem, Out Of Site 2007, Dublin
2007: Appropriate, ein performatives Event mit Alma Suljevic (Sarajevo), Marilyn Arsem (Boston) und Sandra Johnston (Belfast), University of Ulster 2007, Irland
2007: Whose Voice is it anyway? Migranten-Medien-Projekt in Belfast mit Filmpräsentationen in: 2MOVE: Ireland, Belfast/Navan und NVTV, Belfast, Irland
2007: IKEA says home is the most important place, FIX 07 – 7. Internationales Performance Festival, Belfast
2008: Art, Media and Contested Space, Belfast Biennale, Irland
2008–2009: Hucha de Deseos, Madrid
2009: Plakataktion im Rahmen von The Prehistory of Crisis (2), Belfast und Dublin
2010: Migrant Media Group: Filmprojektion, Cathedral Quarter, Belfast, Irland
2010: We are getting to the Sky, öffentliche Intervention in Jericho, West Bank, Palästina
2012: Crossing Jericho, öffentliche Intervention im Rahmen von Jericho – beyond the celestial and terrestrial, West Bank, Palästina
2014: Between Night and Day, öffentliche Intervention in Chinatown, Kuala Lumpur, Malaysia
2014: Glücklich kommt von Selbermachen, 9 Ansätze und Interventionen, Dortmund
2014: Das gute Leben / Glücklich kommt von Selbermachen, Bregenz
2015: From I to we, Residence Projekt in Manorhamilton, Sculpture Centre Leitrim, Manorhamilton, Irland
2017: Akustischer Fußabdruck von Liechtenstein. Wie klingt das Ideen-Kapital von Liechtenstein? Haus Gutenberg, Balzers, Liechtenstein
2018: Kommen und Gehen | Verweilen Kunst am Bau, Nauener Platz, Berlin[30]
2021: FiFis Platte Die ganze Welt Zuhause, Kunst im Stadtraum, Prerower Platz, Berlin Neu-Hohenschönhausen[31]
Publikationen (Auswahl)
Monografien und Kataloge
Restpfennigaktion. Verlag für moderne Kunst Nürnberg, Nürnberg 2003, ISBN 978-3-936711-17-2.
Anthologien
mit Herman Bashiron Mendolicchio (Hrsg.): Art in Context. Learning from the Field – Conversations on Participatory Art in Asia. Goethe-Institut, Berlin 2017, ISBN 978-3-945048-24-5.
Subjects that don’t count. Places that are not important. 5 Artistic Approaches. In: Frank Eckardt und Kathrin Wildner (Hrsg.): Public Istanbul – Spaces and Spheres of the Urban. Reihe: Urban Studies.Transcript Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-865-0, S. 333–348.
Performative Ereignisse im öffentlichen Raum. In: Das Weimarer Modell. Jahrbuch der Fakultät Gestaltung. Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, Weimar 2008, ISBN 978-3-86068-374-3, S. 148–163.
Belfast – Public art for contemporary Northern Ireland. In: Rainer W. Ernst und Anke Müffelmann (Hrsg.): Thinking the City, Acting the City. Art in Public Space. Muthesius Kunsthochschule Kiel 2012, ISBN 978-3-9813781-7-7, S. 17–70.
Where values emerge: an In-depth Exploration of the Collaborative Arts Partnership Programme’s Process, Discoveries and Learnings. In: Eleanor Turney (Hrsg.): Learning in Public. Transeuropean Collaborations in Socially Engaged Art. Collaborative Arts Partnership Programme, Live Art Development Agency, London 2018, ISBN 978-0-9935611-7-7, S. 60–81.
↑deutscher künstlerbund e. V.: Nationalismen an der Grenze. In: Die Tageszeitung: taz. 24. Oktober 2020, ISSN0931-9085, S.51 (taz.de [abgerufen am 10. August 2023]).